Zwischen Tanzcafé und Transvestiten-Show: Iggy Pops Erinnerungen an eine geteilte Stadt, in der er einst mit David Bowie wohnte. Foto: promo

Auf seinem neuen Album „The Next Day“, das an diesem Freitag erscheint, schwärmt David Bowie vom geteilten Berlin der Mittsiebziger. Iggy Pop, mit dem er sich ein Apartment in Schöneberg teilte, wird zwar auch nostalgisch, sieht die Gegenwart aber kritisch.

Auf seinem neuen Album „The Next Day“, das an diesem Freitag erscheint, schwärmt David Bowie vom geteilten Berlin der Mittsiebziger. Iggy Pop, mit dem er sich ein Apartment in Schöneberg teilte, wird zwar auch nostalgisch, sieht die Gegenwart aber kritisch.

Herr Pop, David Bowie hat gerade seinen 66. Geburtstag gefeiert . . .
Oh, das habe ich komplett vergessen.

Haben Sie noch Kontakt?
Nein, aber dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Er hat mich vor ein paar Jahren wegen irgendetwas angerufen, das er organisiert hat, und wollte, dass ich daran teilnehme. Was ich gerne getan hätte. Ich meine, es war wirklich nett, von ihm zu hören, und das Gespräch war sehr herzlich. Aber letztendlich konnte ich nicht mitmachen, weil mein Terminplan es nicht zuließ. So etwas passiert manchmal. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört, was aber okay ist. Ich würde auch nicht erwarten, dass er engeren Kontakt sucht.

Sie waren aber einmal sehr eng verbunden.
Wir sind nun wirklich keine Busenkumpel oder so etwas. Wir hatten mal etwas gemeinsam, und bis zu einem gewissen Grad haben wir das vielleicht immer noch, weil wir ein paar wirklich tolle Stücke geschrieben haben, aber das war’s. Ansonsten führen wir unterschiedliche Leben und haben unterschiedliche Vorstellungen. Insofern ist da nichts Negatives zwischen uns, aber ich für meinen Teil habe auch keinen Anlass, ihn aufzusuchen. Und ich bin mir sicher, dass es ihm genauso geht. Er macht andere Sachen, bewegt sich in einem anderen Zirkel und lebt in einer anderen Stadt. Uns trennen also Welten.

Erinnern Sie sich an Ihre gemeinsame Zeit in Berlin?
Natürlich! Berlin war eine wunderbare Stadt. Und was mir besonders gefallen hat: Wenn du damals in den Osten gefahren bist, war alles noch genauso wie in den 1930er und 1940er Jahren. Was eine viel humanere, ruhigere und schönere Art des Lebens war als in den USA oder in Westdeutschland. Die Leute waren alle gut erzogen und sehr intellektuell. Da sie das aber nicht in Geld umsetzen durften oder konnten, hat das für ein paar ziemlich zwielichtige Charaktere gesorgt. Es herrschte eine Atmosphäre wie in einem Spionage-Roman. Und woran ich mich auch noch erinnere: Du musstest dir nie Gedanken um einen Parkplatz vor deiner Haustür machen (lacht).

Ziemlich praktisch.
Ja, außerdem gab es diese wunderbare Ost-Werbung. Wie eine ganze Hauswand, auf der eine Milchflasche abgebildet war. Der Slogan lautete: „Trink Milch!“ Das war kommunistisches Denken. Nach dem Motto: Wir müssen Werbung machen, auch wenn wir kein Produkt haben – und schon gar keine Produkte, die in Konkurrenz stehen. Was ja gut für die Leute war. Es war einfach wunderbar, ich habe es geliebt. Und das Erste, was ich je gesehen habe, als ich mit Bowie durch den Osten gefahren bin, um nach Berlin zu kommen, waren diese riesigen Banner, die an den Autobahnbrücken hingen. Da stand einfach: „Ich bin dabei.“ Und ich dachte: „Heilige Scheiße – wir werden überwacht. Da heißt es cool bleiben.“ (Lacht) Kann aber auch sein, dass ich mir das nur eingebildet habe. Egal, der Westen der Stadt war einfach toll.

Hatten Sie so etwas wie einen Lieblingsort?
Da gab es diesen Tanzsaal am Ku’damm, wo du für 5 Mark Eintritt alten Männern und Frauen beim Tanzen in einem tollen barocken Ambiente zusehen konntest. Dazu haben sie dir süßen Wein, Tee und Kuchen serviert, und ein Organist hat die populären Stücke aus den 1930ern und 1940ern gespielt. Das war wunderbar. Außerdem konntest du dir eine wirklich gute Transvestiten-Show ansehen – mit gutem theatralischem Aufbau, guter Bühnenumsetzung, guter Mimik, guten Kostümen und guten Songs. Der Star der Show war zugleich der Barkeeper, und die Nebenrollen waren Kellner und solche Sachen. Das war klasse. Genau wie die kleinen Kinos, die es an jeder Ecke gab und wo man eine Mischung aus alten deutschen Filmen und Kunstfilmen von Antonioni oder anderen sehen konnte. Für gerade mal zwei oder drei Mark. Es war alles sehr billig. Genau wie das Essen von den Griechen und Türken. Das war preiswert und gut.

Das klingt schwer begeistert . . .
Ja, und ich erinnere mich an wahnsinnig viele kleine Details. Ich habe zum Beispiel unglaublich viel Zeit damit verbracht, zu Fuß durch die Stadt zu laufen. Etwa vom Wannsee nach Kreuzberg. Oder ich habe mir Tempelhof angeschaut, der damals geschlossen war. Man konnte sich da völlig frei bewegen. Und das habe ich getan. Es war eine wirklich tolle Stadt, und die Leute haben mich sehr gut behandelt, egal, wo ich hingegangen bin. Du konntest zum Beispiel einfach in irgendeine Eckkneipe gehen und hast da sehr gutes Bier bekommen – gutes Fassbier mit einer schönen Schaumkrone. Du durftest dich nur nicht an den Stammtisch setzen (lacht). Die Leute dort wussten, wie man die Dinge angeht. Und die Technik der Schallplatten, die da aufgenommen wurden, war unglaublich. Viel besser als irgendwo anders. Von daher war es ein sehr guter, interessanter Ort.

Seitdem waren Sie öfter dort. Wie hat sich die Stadt verändert?
Ich würde sagen, sie hat viel von ihrer Persönlichkeit und ihrem Charakter verloren. Sie ist jetzt eigentlich wie jede andere westliche Großstadt – mit denselben Geschäften wie überall. Und mit sehr vielen, sehr lauten Baustellen. Also zu viel Lärm, zu viele Touristen, zu viel saubere, neue Gebäude. Nicht mein Ding. Und dadurch, dass sie jetzt doppelt so groß ist wie früher, erscheint sie mir auch viel unübersichtlicher. Mir hat das alte Berlin besser gefallen. Und hinzu kommt: Wenn du dich dort mit Leuten unterhältst, ist kaum noch jemand von dort. Die sind alle erst in den letzten Jahren zugezogen. Gibt es überhaupt noch richtige Berliner?

Sprechen Sie Deutsch?
Ein bisschen kriege ich noch hin: „Ich habe vergessen meine Worten. Ich haben viel gelernt auf die Kneipen und die Ecken, mit die Alten. Die Jungen will nicht sprechen mit mir.“ (Lacht) Im Ernst: Die Studenten haben es gehasst, sich mit anderen zu unterhalten. Sie waren sehr übellaunig und misstrauisch. Die wollten einfach ihr Haschisch rauchen und in Ruhe gelassen werden. Zumindest war es damals so. Heute ist es anders. Es ist alles ein bisschen anders, wenn Sie wissen, was ich meine.