Eine Vitrine in der Stadtbücherei vereint das Notgeld aus Ebingen und Tailfingen sowie Artikel zu Hintergründen des Drucks. Foto: Nils Schulz

Die Stadt Ebingen und die Gemeinde Tailfingen druckten vor 100 Jahren eigenes Inflationsgeld mit prägenden Symbolen. Stadtarchivar Nils Schulz hat die Geschichte dazu zusammengetragen und zeigt die Scheine in der Stadtbücherei in Ebingen.

Vor einem Jahrhundert kam es zur wirtschaftlichen Katastrophe: Hyperinflation im Deutschen Reich und damit auch im heutigen Raum Albstadt. Die Entwertung der Mark verstärkte das soziale Elend im Staat, der noch immer unter den Folgen des Ersten Weltkrieges litt. Im Herbst erreichte die Krise ihren Höhepunkt: Die Banknoten der Reichsbank verloren beständig an Wert, Bargeld wurde knapp. „Wer arbeitete, erhielt Milliarden und Abermillionen in Form von Papiergeld, musste es teils in Schubkarren nach Hause transportieren“, so Stadtarchivar Nils Schulz.

 

Gegen Unsicherheit und Geldmangel

Städte und größere Gemeinden wurden zur Produktion von Gutscheinen und Notgeld aufgerufen, um finanzielle Unsicherheit und Geldmangel zu beseitigen. Zuvor druckten bereits einige Fabrikanten in Ebingen und Tailfingen eigenes Geld, das sie als Lohn an ihre Angestellten und Arbeiter herausgaben. „Problematisch wurde es, wenn dieses Geld nicht anerkannt wurde“, so Schulz: „Unruhe und Konflikte waren programmiert.“

Das Notgeld der Ebinger zeigen den Schlossfelsenturm und den Marktbrunnen

Die Stadt Ebingen gab am 24. September 1923, gestützt auf einen Gemeinderatsbeschluss, eigenes Inflationsgeld heraus. Ihr 20-Milliarden-Mark-Schein zeigt den 1899 erbauten Schlossfelsenturm und den Marktbrunnen aus der frühen Neuzeit, den der Volksmund „Herzog-Ulrich-Brunnen“ nennt – er steht für die protestantische Identität der Kommune, die im 13. Jahrhundert zur Stadt erhoben wurde und an der Peripherie der katholisch geprägten Republik Baden und der Hohenzollernschen Lande lag.

Unterschrieben hatten das Notgeld Stadtschultheiß August Spanagel und Stadtpfleger Beck. Zudem trägt es den Stempel des Gemeinderates.

Die Tailfinger ziehen im Oktober nach – mit Peterskirche und Gemeindewappen

Die Gemeinde Tailfingen, die 1930 zur Stadt erhoben werden sollte, folgte Ebingen in Sachen Notgeldproduktion im Oktober. Der Entwurf des Tailfinger Inflationsgeldes stammt von Gewerbelehrer Kramer. Die Vorderseite zeigt den Turm der Peterskirche, der Urkirche Tailfingens, das wohl älteste Bauwerk des Ortes.

Ein noch älterer Peterskirchenbau war 1506 am selben Ort errichtet worden. Auf der Rückseite des Geldscheins befindet sich mittig auf halber Höhe das Wappen Tailfingens. Unterschrieben wurde das Notgeld von Schultheiß Gottlieb Höfel und Gemeindepfleger Valet.

„Das Notgeld demonstriert durch die Darstellung der lokalen Sehenswürdigkeiten augenfällig den Stolz der Einwohner auf ihre Kommunen – gerade in Zeiten der Not“, sagt Schulz. Im Oberamt Balingen gaben nur die Städte Balingen und Ebingen sowie die Gemeinde Tailfingen eigenes Notgeld heraus. Der Onstmettinger Gemeinderat diskutierte zwar darüber, sah dann aber davon ab.

Exponate können in der Stadtbücherei in Ebingen besichtigt werden

Nach dem Rücktritt der Regierung von Reichskanzler Wilhelm Cuno übernahm der spätere Friedensnobelpreisträger Gustav Stresemann die Kanzlerschaft und führte die als Übergangswährung gedachte Rentenmark ein, womit er mehrere Grundlagen legte: für erfolgreiche Reparationsverhandlungen und damit für die Aussöhnung mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs sowie für die Einführung der goldgedeckten Reichsmark im Sommer 1924. „Zwar wurde die wirtschaftliche Katastrophe abgewendet, doch blieben die Erfahrungen aus der Hyperinflationszeit für Generationen prägend“ resümiert Schulz.

Wer sich selbst ein Bild vom Ebinger und Tailfinger Notgeld machen will, hat im September Gelegenheit dazu: In der Stadtbücherei in Ebingen hat das Team des Stadtarchivs eine Vitrine mit Exponaten aus dem inflationsgeplagten Herbst 1923 gestaltet. Sie ist während den Öffnungszeiten zu bestaunen.