Das Aktionsbündnis „Wir hungern bis ihr ehrlich seid“ hofft auf ein Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: /Sebastian Jutisz

Seit 91 Tagen befindet sich der Ingenieur Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik für mehr Klimaschutz. Nun kündigen er und seine Mitstreiter an, den Protest zu entschärfen. Sollte der Bundeskanzler weiterhin schweigen, werde man jedoch zu noch drastischeren Mitteln greifen.

Grau und nass ist es am Mittwochnachmittag in Berlin. Das Wetter passt zur Stimmung im Protestcamp im Invalidenpark. Die Klimaaktivisten des Bündnisses „Hungern bis ihr ehrlich seid“ sitzen seit Stunden in einem großen weißen Zelt zusammen, um sich zu beraten. Auch Wolfgang Metzeler-Kick ist dabei. Er ist Ingenieur, 49 Jahre alt und hat seit dem 7. März nichts mehr gegessen. Metzeler-Kick ist im Hungerstreik – für das Klima.

Es ist eine schwierige Entscheidung, die die Aktivisten am Donnerstag dann schließlich verkünden. Sie wollen den Streik entschärfen – vorerst. Metzeler-Kick sagt, er wolle den Hungerstreik für eine Woche unterbrechen und sich in eine sogenannte Refeed-Phase begeben. Es ist erst vier Tage her, dass er zusammengebrochen ist und zur Beobachtung in ein Krankenhaus musste. Da konnte er kaum noch stehen, er hatte neurologische Funktionsausfälle

Stimmung im Protestcamp ist angespannt

Die Wendung kommt überraschend. Kurz zuvor hatte es noch geheißen, der Klimaaktivist wolle nicht unterbrechen – sondern noch weiter gehen. Dann würde er auch auf Wasser verzichten.

Metzeler-Kick ist nicht der einzige Aktivist, der derzeit hungert. Drei weitere Aktivisten streiken seit 21, 30 und 72 Tagen. Was Metzeler-Kick und seine Mitstreiter wollen, klingt fast banal. Olaf Scholz soll eingestehen, dass der „Fortbestand der menschlichen Zivilisation ist durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet“ sei. Es gebe kein CO2-Restbudget mehr, denn es seien bereits jetzt Hunderte von Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft. Deshalb müsse man jetzt in der Klimapolitik radikal umsteuern. Das soll Scholz in einer Regierungserklärung verkünden.

Bisher ist der Bundeskanzler nicht darauf eingegangen. In einer Pressekonferenz ließ sein Regierungssprecher wissen, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz auf einem guten Weg sei, der Kanzler konkrete einzelne Forderungen jedoch nicht erfüllen werde. Scholz selbst sagte kürzlich bei einem Bürgerdialog, er wünsche, dass der Hungerstreik beendet werde. Wie das passieren soll, sagte er nicht.

Eine zentrale Forderung der Klimabewegung: „Hört auf die Wissenschaft“. /Sebastian Jutisz

Die Stimmung im Camp droht in diesen Tagen zu kippen. Das merkt man schon am Tag, bevor Metzeler-Kick verkünden wird, dass er nun unterbricht. Er ist stark abgemagert, als er vors Zelt tritt. Immerhin kann er wieder stehen. Er habe schlechte Laune, sagt er. „Ich kann verstehen, dass das hier einigen Unterstützern zu viel ist.“ Es werde immer schwieriger, jemanden zu finden, der die Nachtwache übernehme. Dabei muss das Camp immer besetzt sein.

Klimaaktivisten entschärfen den Hungerstreik

Thorsten ist einer der Unterstützer, die seit Monaten regelmäßig zum Camp kommen. Seinen Nachnamen will er nicht in der Zeitung lesen. Natürlich nehme ihn der Hungerstreik seiner Mitstreiter mit, sagt er. Wolli, so nennt er Metzeler-Kick, sei ihm ans Herz gewachsen. Immer wieder hätten andere Aktivisten versucht, ihn dazu zu bewegen, den Hungerstreik abzubrechen. Gleichzeitig respektierten sie seinen Willen.

Nicolas Roy, promovierter Physiker und Aktivist bei „Scientist for Future“, ist am Mittwoch ebenfalls im Camp und unterstützt den Hungerstreik. Als Erpressung sieht er den Streik nicht. Die Streikenden gefährdeten ja nur sich selbst. Es sei ihr gutes Recht, auf diesem Wege „moralischen Druck auf die Regierung auszuüben“.

Wie Thorsten (32) hilft seit Mitte März im Camp mit. Die meisten Unterstützer sind zwischen Anfang 20 und Mitte 30. /Sebastian Jutisz

Dennoch lässt der Vorwurf die Aktivisten nicht kalt, dass der Hungerstreik ein gewaltvolles und nicht legitimes Mittel der demokratischen Auseinandersetzung sei. Man habe „positive Signale“ aus der Politik vernommen und wolle auf Olaf Scholz zugehen. „Wir wollen nicht weiter eskalieren“, sagt einer im Camp.

Noch immer hoffen sie hier auf ein Gesprächsangebot aus dem Kanzleramt. Alternativ könne Scholz nach wie vor eine Erklärung abgeben. Dafür will Metzeler-Kick nun für eine Woche unterbrechen. Aber: Sollte nichts geschehen, werde man nach Ablauf der Frist in den sogenannten trockenen Hungerstreik gehen, also: nicht mehr trinken. Wenn es dazu kommt, dann könnte es schnell ernst werden. Denn: Nach ständiger Rechtsprechung dürfte man den Klimaaktivisten nicht zwangsernähren. Dass es so weit kommt, mag man sich im Camp kaum vorstellen.