Interview: Der Agraringenieur Thomas Kring spricht als Leiter über das Naturschutzgroßprojekt
Hüfingen. Thomas Kring, Diplom-Agraringenieur aus Hüfingen, befasst sich als Leiter des Naturschutzgroßprojekts Baar seit Jahren mit der Natur und der Landschaft der Region. Nach der umfassenden Planung soll in diesem Jahr mit der Umsetzung begonnen werden.
Herr Kring, was macht die Baar so besonders?
Die Baar ist von großer ökologischer Bedeutung für Fauna und Flora. Durch ihre geografische Lage verbindet sie nicht nur die europäischen Flusssysteme von Donau und Rhein, sondern bildet auch ein wichtiges Netzwerk der Wald-, Trocken- und auch Feuchtlebensräume des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb. Sie bietet Lebensraum für zahlreiche schützenswerte Tier- und Pflanzenarten. Obendrein gilt die Riedbaar als wichtiges Rückzugs- und Brutgebiet für Wasservögel und seltene Wiesenbrüter. Für Zugvögel ist die Baar als willkommener Rastplatz von großer internationaler Bedeutung. Um bereits vorhandene sowie neue schützenswerte Flächen auf der Baar zu sichern, wurde das Naturschutzgroßprojekt Baar ins Leben gerufen, mit dem man sich im Schwarzwald-Baar-Kreis bereits seit dem Jahr 2008 beschäftigt.
Was kann man genau unter dem Naturschutzprojekt verstehen und wie wird es gefördert?
Bereits im Jahr 1979 wurde von der Bundesrepublik die Bundesförderung Naturschutz "chance.natur" ins Leben gerufen. Sie fördert mit finanziellen Mitteln die Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft von gesamtstaatlicher Bedeutung. Der ehemalige Landrat Karl Heim gab damals den Anstoß, die charakteristische Landschaft der Baar als Naturschutzgroßprojekt auszuweisen. Die vorhandenen Lebensräume von Trocken- und Feuchtgebieten sowie die große Anzahl von Gewässern bilden hier einen einmaligen Biotopverbund von regionaler, nationaler und sogar internationaler Bedeutung, auch wegen des besonderen Rastgebiets für Zugvögel. Hier befinden sich auch Reste von Mooren und Vorkommen von seltener Fauna und Flora, die teilweise stark gefährdet sind. Wir wollen die bestehenden Flächen für den Artenschutz verbessern und neue Lebensräume bereit stellen. Das ist enorm wichtig für den Bestand der Tiere und Pflanzen in unserer Kulturlandschaft.
Welche Fläche umfasst das Naturschutzgroßprojekt Baar und wer ist daran beteiligt?
Das Gebiet ist etwa 440 Quadratkilometer groß und befindet sich hauptsächlich im Schwarzwald-Baar-Kreis, aber auch im Landkreis Tuttlingen. 17 Fördergebiete wurden bestimmt. Die Kommunen Königsfeld, Mönchweiler, Brigachtal, Villingen-Schwenningen, Bad Dürrheim, Donaueschingen, Bräunlingen, Hüfingen, Blumberg und Geisingen sind mit Teilflächen beteiligt.
Wie ist das Projekt angelaufen?
Ein detaillierter Pflege- und Entwicklungsplan ist Grundlage und Voraussetzung für das Naturprojekt. Dazu haben Mitarbeiter der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt aus Nürtingen-Geislingen mit Hilfe von Fachleuten einen Plan erstellt und sämtliche Kartierungen vorgenommen. Das gesamte Gebiet wurde dafür abgelaufen. Die Flächenauswahl hat sich an der Biotopausstattung und dem naturschutzfachlichem Aufwertungspotenzial orientiert.
Was war sonst zu tun?
In der rund vierjährigen Planungsphase mussten Gespräche mit den Flächeneigentümern geführt werden, um die Menschen von unseren Maßnahmen zu überzeugen. Das heißt, wir mussten zehn Kommunen, dem Fürstenhaus, Landwirten und Waldeigentümern unsere Pläne vorstellen und hoffen nun, mit ihrer Zustimmung rechnen zu können. Diese Überzeugungsarbeit gestaltete sich mitunter langwierig und unterschiedlich schwierig. In den Gesprächen galt es zu klären, ob und wie man die entsprechenden Maßnahmen umsetzen kann und wir mussten dazu die vertraglichen Regelungen über einen Ausgleich klären. Hinzu kamen das Einholen sämtlicher behördlicher Genehmigungen und auch die Öffentlichkeitsarbeit. Diese vierjährige Planungsphase ist nun abgeschlossen.
Und wie geht es weiter?
Mit der Umsetzung kann sofort begonnen werden, wenn der Fördermittelbescheid vorliegt. Wir hoffen auf einen baldigen Start.
Welche Maßnahmen sind geplant und wie sehen die ausgewiesenen Flächen im Städtedreieck aus?
Die Maßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen könnten zum Beispiel eine Beweidung mit Schafen und Ziegen, eine Waldbeweidung oder extensive Gründlandnutzung umfassen. Im Forstbereich gilt es, an verschiedenen Stellen die Waldränder lichter zu gestalten. Hier soll ein offener und fließender Übergang mit Büschen den verschiedenen Kleinstlebewesen als Lebensraum dienen. Darüber hinaus kann man Flächen aus der Nutzung herausnehmen, damit sich der Wald selbst entwickeln kann. Der Waldumbau spielt eine ganz wichtige Rolle. Auf dem Fürstenberg wäre eine solche offene Waldrandgestaltung von Bedeutung, man könnte hier mehr freie Flächen schaffen. Am Riedsee wollen wir Flachwasserzonen einrichten sowie die Auflichtung und Beweidung kleiner Flächen vornehmen, im Hammeltal wollen wir unerwünschte Gehölze zurückdrängen und damit eine Optimierung der Weide schaffen, in Deggenreuschen-Rauschachen, im Orchideenwald, wollen wir den Standort für den Frauenschuh und Widerbart optimieren sowie den Waldbestand stabilisieren und auf der Jungviehweide die Obstbäume pflegen und ebenfalls den Waldrand umgestalten. Und in Birkenried-Mittelmeß bei Pfohren liegt uns eine naturschutzfachliche Optimierung zusammen mit den Landwirten besonders am Herzen, weil sie hier von großer Bedeutung ist.
Was kostet das gesamte Projekt und wie wird es finanziert?
Die Umsetzung der vorliegenden Pläne ist von 2018 bis 2028 gedacht. Die Kosten dafür werden mit 8,6 Millionen Euro beziffert. 75 Prozent davon leistet das Bundesumweltministerium, 15 Prozent das Umweltministerium von Baden-Württemberg und zehn Prozent der Projektträger, also der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Landkreis Tuttlingen.
Das Projekt ist sehr umfangreich und langwierig. Wie gestaltet sich Ihre Arbeit?
Für mich und meine Mitarbeiterin bedeuten die zahlreichen Aufgaben und Maßnahmen eine wirkliche Herausforderung. Die Arbeit ist vielschichtig und interessant und trotz der langen Planungsphase sieht man bereits Erfolge. Das Ziel für uns ist, auf der Baar durch diesen Arten- und Biotopschutz viel zu erreichen. Positive Rückmeldungen sind dabei natürlich besonders erfreulich. So haben wir bereits von etwa 60 Landwirten die Rückmeldung, dass sie an einer Zusammenarbeit interessiert sind und sich diese auch vorstellen können. Und einige Schafhalter haben nachgefragt, wann es denn endlich losgeht. Die Nachfrage ist da und einige freuen sich, an dem Projekt mitwirken zu können. Ich sehe der Sache freudig entgegen und hoffe auf eine erfolgreiche Umsetzung unserer Pläne.
Die Fragen stellte Gabi Lendle.
Thomas Kring ist 48 Jahre alt und stammt aus der Nähe von Lahnstein. Der diplomierte Agraringenieur studierte an der Uni Gießen mit Schwerpunkt Umwelt- und Landschaftsplanung. Fünf Jahre lebte er in den Vereinigten Staaten, wo er auch in der Naturschutzverwaltung tätig war. Bevor er im Jahr 2013 im Landratsamt seine Arbeit aufnahm, war er in Balingen bei einem Büro für Landschaftsplanung tätig und befasste sich mit Umwelt-Flächennutzungsplanungen. Im Umweltzentrum Schwarzwald-Baar-Neckar ist er als Leiter des Naturschutzgroßprojektes Baar tätig. Er ist verheiratet und lebt in Hüfingen. Informationen zum Projekt gibt es im Internet unter www.ngp-baar.de oder an den Naturparkmärkten in Königsfeld (1. Juli), Brigachtal (9. September) oder Bad Dürrheim (14. Oktober) anhand einer Wanderausstellung. Zudem hält Kring den Vortrag "Neues vom Naturschutzgroßprojekt Baar, was soll erreicht werden? Wer profitiert? Was ist geplant?" am Mittwoch, 27. Juni, um 19 Uhr, im Landratsamt Donaueschingen, Humboldtstraße 11.