Riesengedränge auf der Internationalen Ausstellung für Werkzeugmaschinen im vergangenen Jahr. Grassinger Technologies präsentiert sich in Peking mit dem Vertriebspartner Leeport. Foto: Grassinger Technologies

Hüfinger Automationsspezialist Grassinger Technologies muss China-Geschäfte verschieben.

Hüfingen - Heimische Unternehmen, die international breit aufgestellt sind, schauen mit Sorge auf die wirtschaftlichen Wirkungen, die sich aus der Verbreitung des Coronavirus ergeben.

Lieferketten drohen abzureißen, der Strom an Rohmaterial und Konsumgüter versickert vielleicht, die Nachfrage könnte sinken. Wie viel ernster ist dann die Situation für eine Firma, deren Geschäftskern im Wesentlichen auf das Fernost-Geschäft aufbaut?

Die Grassinger Technologies (GT) mit Sitz an der Seemühle hat sich auf die Automatisierung ganzer Werkzeuganlagen spezialisiert und betreibt die Geschäfte über Partnerunternehmen wie etwa J.G. Weisser in St. Georgen in Deutschland und Europa und über den Vertriebspartner Leeport in Fernost. Die Automatisierungslösungen mit eigener Software treten allerdings nur in Fernost unter eigener Flagge in Erscheinung. Dirk Grassinger ist Geschäftsführer und Gesellschafter der vor anderhalb Jahren gegründeten Firma. In der Aufbauphase ist er nahezu die halbe Zeit in den Niederlassungen Shanghai und dem an Hongkong angrenzenden Shenzhen. Als er zuletzt am 21. Januar aus Hongkong zurückkam, war die allgemeine Sprachregelung, "da ist irgendetwas ausgebrochen". Mundschutz sah man fast nicht, die Heransgehensweise sei völlig unkritisch gewesen.

Mit Mundschutz im Büro

Nach dem chinesischen Neujahrsfest, das zwei Wochen dauert und am 25. Januar seinen Höhepunkt erreicht hatte, und den zeitgleichen Reiseenschränkungen habe sich das völlig verändert. Nicht am 3. Februar, sondern erst zehn Tage später durften seine Mitarbeiter in die Firma zurückkehren: "Sie sitzen mit Mundschutz im Büro und sind weitgehend ohne Beschäftigung", beschreibt Grassinger die gegenwärtige Situation. Denn bei den Kunden seien die Personalbestände ausgedünnt. "Deren Mitarbeiter sitzen vermutlich noch in ihren Heimatregionen und können nicht zurück", vermutet der aus Dingolfing stammende Firmenchef.

Nichts geht gerade oder zumindest zu wenig. Projekte sind anhängig, aber schnelle Reaktionszeiten fehlen. Einschränkungen erleben auch die Mitarbeiter des in Hongkong sitzenden Vertriebspartners. "Sie reisen derzeit nicht nach Shenzhen. Denn wer aus Festlandchina kommt, muss zunächst einmal zwei Wochen in Quarantäne", weiß Grassinger. Im vergangenen Jahr konnte GT bei Messeauftritten in Peking und Shenzhen viele Kontakte knüpfen: ein geglückter positiver Frühstart, denn das eigentliche Chinageschäft sollte erst Mitte 2020 starten. In diesem Jahr hat die Hüfinger Firma die Beteiligung an einer Fachmesse für CNC-Maschinen in Shanghai Anfang April abgesagt. Das Risiko wäre einfach zu hoch.

Das gilt auch für Reisen nach China. Grassinger verzichtet bis auf Weiters auf die bisher zweiwöchigen Fernostaufenthalte pro Monat und setzt stattdessen auf moderne Kommunikation wie Videokonferenzen. Die sieben Stunden Zeitunterschied sind für den Frühaufsteher kein Problem.

Er erwartet, dass die Abläufe noch mindestens bis Anfang Mai verzögert bleiben. "Zudem sind das Verschiebungen, aber keine Einbrüche", fügt er an. Natürlich gebe es unter der 30 Köpfe starken Belegschaft in Hüfingen Sorgen. Zumal neben dem Corona-Effekt auch ein Schwächeln des deutschen Maschinenbaus zu spüren sei. "Wir kommunizieren die Situation im Haus", sagt Grassinger und ist froh, einen finanzstarken Partner im Hintergrund zu wissen. Kurzarbeit oder die Reduzierung von Stunden seien kein Thema.

Wachstumtspotenzial

Den Sorgen gegenüber stehe das riesige Potenzial in China, sagt der gelernte Werkzeugmechaniker, der sich früh für Softwaretechnik und Programmierung interessierte und so eine Affinität zur Automation entwickelte. Der 42-Jährige kennt den Markt, war er doch zehn Jahre für deutsche Maschinenbauer in Nord- wie Südchina tätig.

In China sei das große Interesse an Automation, also auch Grassinger-Produkten doppelt begründet. Zum einen habe deutsche Technologie dort einen exzellenten Ruf, zum anderen habe auch in Fernost der Trend zur Automatisierung eingesetzt. "Das Lohnniveau steigt, die Fluktuation von Arbeitskräften hat zugenommen", sagt der Geschäftsführer. Da werde stets der nächste Job ergriffen, eine treue Verbundenheit zwischen Mitarbeiter und Firma sei in China fremd. Um dieses Risko zu minimieren, setzen die chinesischen Firmen nun auf die Automatisierung jener europäischen Maschinen, die vor wenigen Jahren zur personellen Bedienung angeschafft wurden.

GT kann dabei unabhängig von Maschinen und Hersteller tätig werden. "Das gilt auch für Bestandsmaschinen älteren Datums", sagt Grassinger. Grenzen der Machbarkeit werden erreicht, wenn es etwa um den Innovationsbereich Industrie 4.0 geht: zum Beispiel bei der Leitrechneranbindung oder indirektem Datenaustausch. Große Teile der Produktion erfolgen durch etwa 100 Mitarbeiter in China, "das Know-how und die Engenieering blieben in Deutschland", betont Dirk Grassinger.