Melina Heini ist im Anerkennungsjahr als Familienpflegerin. Immer mit dabei bei ihren Einsätzen in der Region: ihre schwarze Dokumentenmappe. Drei Jahre dauert die Ausbildung.Foto: Wursthorn Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Melina Heini arbeitet als Familienhelferin im Anerkennungsjahr / Sie erzählt, was es bedeutet, diesen Beruf auszuüben

Wenn Melina Heini sich auf den Weg zur Arbeit macht, dann fährt sie nach Hause. Nicht in ihr Zuhause, sondern in das anderer Menschen. Leute, die ihre Unterstützung bekommen, weil sie sie brauchen.

Hüfingen (guy). Heini ist im Anerkennungsjahr zur Familienpflegerin. Das ist der letzte Abschnitt der dreijährigen Ausbildung dieses Berufes. Er ist eng verwandt mit jenem der Dorfhelferin. Dort gibt es noch einen landwirtschaftlichen Aspekt, der jedoch heute eher von Betriebshelfern abgedeckt wird.

Familienpflegerinnen – es sind bisher fast ausschließlich Frauen, die diesen Beruf erlernen – kommen in Familien, wenn ein oder mehrere Kinder unter zwölf beziehungsweise 14 Jahren im Haushalt leben und der haushaltführende Teil der Familie ausfällt. Das kann sein durch Krankheit, Unfall, seelische Überforderung. Aber wie entscheidet man sich überhaupt dafür, solch einen Beruf zu ergreifen? "Mir war schon immer klar, dass ich etwas mit Menschen machen möchte. Ich wollte nie in ein Büro", erklärt Heini. Der Beruf der Erzieherin ist für sie nicht abwechslungsreich genug. Sie kennt eine Bekannte, die bereits als Familienpflegerin arbeitet und fragt sie aus. Und es klingt gut. Und das hat sich für die 20-Jährige auch bestätigt: "Ich finde, es ist einfach ein cooler Beruf."

Das Interesse an der Ausbildung sei zwar da, "so gefragt ist der Beruf jedoch nicht". In Heinis Ausbildungskurs sind anfangs 22 Teilnehmer mit dabei, mittlerweile sind sechs schon wieder ausgestiegen: "Es geht eben darum, einen Haushalt weiterzuführen, wenn die Person ausfällt, die das sonst immer macht. Und es darf niemand da sein, der es sonst stemmen könnte."

Arbeit im fremden Zuhause

Regelmäßig in fremde Wohnungen zu kommen, das verspricht Abwechslung. Aber ist das nicht auch irgendwie ein komisches Gefühl? "Anfangs ist das so. Aber es wird sehr schnell zu einem vertrauten Gefühl", erklärt Heini, die sich seit September 2020 im Anerkennungsjahr befindet. Wenn sie neu in einen Haushalt kommt, dann führt sie zuallererst ein Gespräch, um alles Notwendige abzuklären. "Da geht es dann etwa auch darum, wer die Kosten dafür tragen muss, wenn die Krankenkasse nicht zahlen sollte."

Die Notfallkontakte werden festgelegt, und zu welchen Uhrzeiten die Hilfe von Melina Heini gebraucht wird. "Es ist immer unterschiedlich, wann ich gebraucht werde. Die meisten Einsätze dauern zwischen drei und sechs Stunden am Tag", erklärt Heini. Oft kümmert sie sich um mehrere Familien parallel, fährt dann mit dem Auto von Haus zu Haus.

Gibt es dann überhaupt ein geregeltes Wochenende? Das gibt es, "ich kann aber auch an Feiertagen arbeiten oder über Nacht". Die vereinbarten Zeiten müssen eingehalten werden, das Zeit-Management ist wichtig.

Eine besondere Situation hat sich für den Beruf durch die Corona-Pandemie ergeben: "Beim ersten Lockdown war es etwa so, dass man nicht in andere Einsätze gehen konnte. Wenn Abstände nicht eingehalten werden können, dann muss eben Mundschutz getragen werden. Und generell ist die Einhaltung der Hygiene sehr wichtig."

Wenn es zur Arbeit gehört, jeden Tag im Haushalt einer Familie zu arbeiten, den Alltag mitzuerleben, dann wird die Beziehung zu den Klienten doch auch intensiver? "Es heißt immer, dass wir keine freundschaftliche Basis aufbauen sollen. Ich achte deshalb immer darauf, dass wir per Sie bleiben", sagt Heini. Das Abschalten von diesem Verhältnis und den damit verbundenen Erlebnissen gelinge ihr gut: "Wenn ich ins Auto steige und zum nächsten Einsatz oder nach Hause fahre, dann kann ich gut abschalten."

Erstmals auf eigene Faust unterwegs

Vor dem Beginn des Anerkennungsjahres hatte sie ordentlich Respekt. Es handelt sich dabei um die erste Zeit, in der man als Auszubildende quasi auf eigene Faust unterwegs ist. Die Zeit davor ist geprägt von verschiedenen Praktika und schulischen Unterrichtsblöcken. "Ich habe etwa im Altenpflegeheim gearbeitet, in der Säuglingspflege, mit psychisch kranken Menschen." Außerdem gibt es die hauswirtschaftlichen Bereiche, wie etwa die Arbeit in der Lehrküche. "Nach jedem Praktikum muss ein Bericht verfasst werden und es gibt Praxisbesuche, die wie ein Test gewertet werden."

Nach der Ausbildung auch eine Anstellung zu finden? Das dürfte kein Problem sein. Familienpflegerinnen sind vielseitig einsetzbar, da sie Erfahrungen aus unterschiedlichen Bereichen mitbringen. Heini würde allerdings gerne weiter bei ihrem jetzigen Arbeitgeber, dem Dorfhelferinnenwerk, arbeiten: "Ich hoffe, dass ich später übernommen werde", sagt sie.

"Normalerweise beträgt meine Einsatzzeit etwa drei bis sechs Wochen", erklärt die 20-jährige Melina Heini. Ab August 2020 hat sie allerdings vier Monate bei der Hüfinger Familie Berger geholfen. "Meine Ärztin hat mich draufgebracht, eine entsprechende Hilfe zu suchen", so Julie Berger. Die Mutter einer fünfjährigen Tochter war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Ihre Ärztin habe eine Risiko-Schwangerschaft festgestellt. Aber dennoch muss ein Haushalt geführt werden, die kleine Tochter versorgt werden. "Ich habe dann mit der Krankenkasse gesprochen und eine Liste mit Ansprechpartnern erhalten", erklärt Berger. Von einer Bekannten bekommt sie den Tipp, es beim Dorfhelferinnenwerk zu versuchen. Das macht sie: "Das war dann relativ unkompliziert." Zwei Familienpflegerinnen sind über den Zeitraum der Schwangerschaft und eine Zeit lang nach der Geburt bei Familie Berger, um zu helfen. Für die Familie eine positive Erfahrung: "Mit beiden war es total unkompliziert. Ob die Tochter in die Kindertagesstätte bringen, abholen, einkaufen, waschen, kochen. Alles wird erledigt. "Sie wären sogar mit ihr ins Schwimmbad gegangen. Sie haben meine Rolle im Haushalt komplett übernommen. Dadurch, dass beide sehr angenehme Personen sind, war es sehr entlastend."

Vieles mit dem Baby wäre vielleicht anders gelaufen, wäre Melina Heini zu diesem Zeitpunkt nicht als Unterstützung da gewesen: "Sie war sehr flexibel und eine große Entlastung", sagt Berger. "Und mit meiner Tochter konnte sie es wahnsinnig gut." Was Julie Berger auch an Melina Heinis Chefin weitergegeben hat: "Ohne sie wäre meine Schwangerschaft sicher anders verlaufen. Ich weiß, dass ich meinem Mann nicht alles allein aufbürden kann und hätte deshalb womöglich trotzdem versucht, vieles selbst zu erledigen." Wegen der Risikoschwangerschaft sei es ohnehin schon keine entspannte Zeit für die ganze Familie gewesen. Die Hilfe war daher hier sehr wichtig.

D orfhelferinnen und Familienpflegerinnen kommen in Familien, wenn ein oder mehrere Kinder unter zwölf oder 14 Jahren (abhängig von den jeweiligen Satzungsregelungen der Krankenkassen) im Haushalt leben und der haushaltführende Teil der Familie ausfällt. Das kann der Fall sein, wenn etwa bei einer Schwangerschaft Risiken auftreten oder nach der Entbindung; wenn man aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls den Haushalt zeitweise nicht weiterführen kann; wenn man an einer Reha-Maßnahme oder einer Kur teilnehmen oder sich im Krankenhaus befindet; wenn man aufgrund von körperlicher oder seelischer Überforderung vorübergehend Entlastung benötigt. In landwirtschaftlichen Betrieben helfen Mitarbeiterinnen auch, wenn keine Kinder im Haushalt sind. Hier geht es um die Weiterführung des Betriebes. Je nach Wohnort stehen unterschiedliche Einsatzleitungen als Ansprechpartner zur Verfügung. Diese findet man unter www.dorfhelferinnenwerk.de im Internet. Oder man wendet sich an Felicitas Holler, Einsatzleiterin der Region Breisgau Schwarzwald-Baar. Sie ist erreichbar unter Telefon 0761/4 01 06 18 oder felicitas.holler@dorfhelferinnenwerk.de per E-Mail.