Foto: Schwarzwälder Bote

Entwicklung: Karl-Josef Hirt legt den Vorsitz am Montag nieder / Verband empfiehlt eine Fusion

Nach zuletzt ohnehin schwierigen Jahren droht dem Behindertensportverein Hüfingen nun die Auflösung.

Hüfingen (wur). Am Montag nächster Woche steht eine schier unüberwindbare personelle Hürde an: Der Vorsitzende Karl-Josef Hirt hat angekündigt, bei der Hauptversammlung in der Ratsstube sein Amt niederzulegen.

Vor vier Jahren hatte der 49 Jahre alte Fachangestellte für Bäderbetriebe den damals schon kurz vor der Auflösung stehenden Verein mit weiteren neuen Vorstandsmitgliedern übernommen. Jetzt sitzt er in der gegenwärtigen Debatte um die Wassertemperatur im Hüfinger Hallenbad zwischen den Stühlen. Als Beschäftigter im Aquari müsse er die Linie seines Arbeitgebers nach außen vertreten.

Die ist wirtschaftlich begründet und bedeutet, kurz gefasst, dass die generelle Wassertemperatur bei 28 Grad liegt. Was in den vergangenen Tagen von Nutzern aller Altersgruppen als zu kalt kritisiert wurde, liegt laut Aussage der Stadt jeweils im persönlichen Ermessen und Temperaturempfinden: Dem Sportschwimmer könnten 28 Grad eher zu warm sein.

Als Vorsitzender des 28 Mitglieder starken Vereins aber habe Hirt ein anderes Interesse. Angenehme Wassertemperaturen während der Übungsabende sollten hier das Ziel sein. Aber auch ganz persönlich fände er eine Strategie gut, mehr Gäste mit höheren Temperaturen ins Aquari zu bekommen – insbesondere Familien mit kleinen Kindern. "Was ich gerade erlebe, ist ein regelrechter Spagat", beschreibt Hirt seine Zwickmühle zwischen Privatmann und Beschäftigter. Am Ende, so betont er, habe die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber gewonnen.

Die Kassenlage und das steigende Alter der Sportgruppe bedingen sich in der Krise gegenseitig. Mal 14, mal 15 Mitglieder nutzen derzeit noch die Übungszeiten am Donnerstagabend zwischen 21 und 22 Uhr. Das seien natürlich nicht ideale Bedingungen für ältere Leute, die gemeinhin spätabends eher ungern das Haus verlassen, meint Hirt. Vor einigen Jahren noch habe der Behindertensportverein Nachmittagszeiten buchen können.

2017 wurde zwischen Behindertensportverein und Stadt ein neuer Nutzungsvertrag geschlossen. Hintergrund war die Kostenseite. Auf Vorschlag des Bäderbetreibers Bäderkompetenz wurden die Warmbadetage am Wochenende gestrichen und die Wassertemperatur auf 28 Grad festgesetzt. Zu kühl für die Behindertensportler, wie sich in den folgenden Verhandlungen herausstellte. Der folgende Kompromiss sah nicht nur eine abgeschwächte Variante der Warmbadetage, sondern eine Kostensteigerung vor.

Die Stadt sicherte zu, die Beckentemperatur am Donnerstagabend um zwei auf 30 Grad anzuheben: Ein Effekt, den Badbesucher zwar noch am Freitag spüren, doch die Sportler um Karl-Josef Hirt jede Woche 50 Euro teurer kommt. Von 67 auf 117 Euro stiegen die Kosten. Die sind mit vier Euro Eintrittsgeld pro Übungsabend und einem Mitgliedsbeitrag von 35 Euro pro Jahr für die schrumpfende Teilnehmerzahl nicht mehr zu stemmen. Ein einfaches Rechenbeispiel: Ohne Zuschüsse würden zehn Sportler je Abend fast zwölf Euro zahlen. "Zudem wäre es fragwürdig, für so wenig Leute das Becken aufzuheizen", spricht der Aquari-Beschäftigte.

Inzwischen könne auch der letzte Kriegsversehrte aus Altersgründen nicht mehr die Wassergymnastik besuchen. Das hat finanzielle Folgen. Denn vom Badischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (BBS) gab es für diesen Teilnehmer einen gesonderten Zuschuss. Insgesamt, so Hirt, bekomme der Verein vom BBS rund 400 Euro pro Quartal.

Werden die Zuschüsse knapper, wirkt sich das für jeden einzelnen Sportler aus. Seit 1973 gestaltet die Sportgruppe ihre Übungsabende im Hüfinger Hallenbad. Diese Treue, anschließend gesellig im "Bistro" gefestigt, bekam vor zwei Jahren Risse, als es Überlegungen gab, die Wasserzeiten in Richtung Mediclin-Klinik Donaueschingen zu verlegen. 14 Mitglieder, ein Drittel seines Bestands, hat der Verein seit September 2017 verloren. Überträgt man dieses Zahlenverhältnis auf die aktiven Nutzer, wird klar, dass es für manchen Rentner klamm wird im Geldbeutel.

Sport als Trockengymnastik könnte sich Hirt für seinen Verein nur bedingt vorstellen. "Im Wasser gehen bestimmte Übungen viel besser. Und das ohne Verletzungsgefahr." Trainiert werden im Becken Ausdauer, Muskulatur und Gleichgewichtssinn. Fertigkeiten fürs Leben, nicht nur für ältere Leute. Diese sind es aber, den Kern der Sportgruppe ausmachen. "Jüngere Leute bekommen wir nicht dazu. Und wenn dann mal wieder jemand mit einer Verordnung der Krankenkasse kommt, ist er wieder weg, sobald das Rezept aufgebraucht ist.

Holger Kimmig bedauert die drohende Vereinsauflösung. Der stellvertretende Geschäftsführer des BBS kann die Situation der Hüfinger in ein größeres Umfeld einordnen. Für den Landesteil Baden betreut der BBS 360 Vereine. Von diesen sind es gerade noch 14, die einen Kriegsversehrten in ihren Reihen haben. Eine Förderung fließt tatsächlich nur dann, wenn der Kriegsversehrte aktiv am Sport teilnimmt. Den Hüfinger Verein gehört zu rund 40 bis 50 schon länger bestehenden Vereinen in Baden. Auflösungen fänden selten statt. So vier bis fünf in den vergangenen zehn Jahren, erinnert sich Kimmig. Eigentlich eine geringe Zahl, weil es vielen Vereinen in Not offenbar gelungen war, sich in Richtung Behinderten- und Rehasport zu öffnen.

Zu den Zukunftsaussichten des Hüfinger Vereins wollte sich Kimmig nicht äußern. Klar sei aber, dass jegliche Förderung nur über einen eingetragenen Verein mit Zweckbindung Sport abgewickelt werden könne. Auch nach Ende des Vereins wären künftige sportliche Aktivitäten in Hüfingen denkbar. Der Verbandsfunktionär nennt das Stichwort Fusion.

"Denkbar wäre ein Zusammenschluss mit einem größeren Sportverein", sagt Kimmig. Die Behindertensportler könnten dort in einer eigenen Abteilung weitermachen. Dieses Modell hat durchaus schon Schule gemacht. 2017 habe eine Behindertensportgruppe im nordbadischen Brühl die Selbstständigkeit aufgeben Unterschlupf gesucht im dortigen Turnverein.

Seit einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im März 2018 agiert der Behindertensportverein Hüfingen mit einem ausgedünnten Kern-Vorstand. Dem gehören der Vorsitzende Karl-Josef Hirt, die stellvertretende Vorsitzende Christiane Müller und Kassierer Ernst-Norbert Storsberg an. Arnold Weh hatte den Posten des Schriftführers in der genannten Versammlung geräumt. Ein Nachfolger wurde nicht gefunden. Zum Jahresende hat der begleitende Arzt Markus Common seine Betreuerfunktion eingestellt. Sollte sich niemand für die vakanten Vorstandsposten zur Verfügung stellen, werde er ziemlich schnell den Antrag zur Auflösung stellen, sagt der scheidende Vorsitzende Karl-Josef Hirt. Dann werde eben das Geld ausgegeben, das noch da sei. Denkbar wäre auch, einen provisiorischen Vorstand zu installieren. Die Hauptversammlung am Montag, 11. Februar, in der Ratsstube beginnt um 18 Uhr.