Lothar Seiffert blickt in seinen hochmodernen Laufstall, der Heimat von 150 Kühen ist. Der 2015 in Betrieb genommene Stall ist hell und gut durchlüftet. Seiffert ist überzeugt, dass sich seine Tiere wohl fühlen, obwohl sie nie eine Weide sehen. Fotos: Niederberger Foto: Schwarzwälder Bote

Landwirtschaft: Lothar Seiffert hält rund 150 Milchkühe / Tierwohl-Zertifikate werden nicht nachgefragt

Der Milchtrinker ist ein widersprüchliches Wesen. Er will Milch von glücklichen Kühen in seinem Glas – das aber möglichst günstig.

Hüfingen-Sumpfohren (hon). Er will Milch von Kühen, die frei zwischen Weide und Stall hin und her pendeln können, die frisches Gras fressen, natürlich noch ihre Hörner haben und nach ihrer Zeit als Milchkuh auf einem Gnadenhof in Frieden und Beschaulichkeit ihr Rentnerdasein führen dürfen. Allerdings ist der Milchtrinker ein Geizhals und nicht bereit, im Discounter mehr als 60 bis 70 Cent je Liter hinzublättern. Natürlich findet der Konsument im Kühlregal der Supermärkte auch Biomilch, die schnell über einen Euro je Liter kostet. Doch der Markt dafür ist klein. Und muss der tierliebende Milchtrinker überhaupt Biomilch kaufen, um ein ruhiges Gewissen den Tieren gegenüber zu haben? Nicht unbedingt, wie ein Besuch auf dem Wiesenackerhof der Familie Seiffert in Sumpfohren zeigt.

Lothar Seiffert bewirtschaftet den Wiesenackerhof in vierter Generation und zählt mit rund 150 Milchkühen sowie circa 150 Kälbern und Jungrindern zu den größeren Milchbauern auf der Baar. Er produziert rund 1,2 Millionen Liter gentechnikfreie Milch im Jahr und vermarktet sie seit zwei Jahren über das genossenschaftlich strukturierte Unternehmen Schwarzwaldmilch. Früher kam seine Milch zur Omira nach Ravensburg. Die Omira-Bauern sorgten diesen Februar für Schlagzeilen wegen des "Milchstreits" mit dem französischen Molkereikonzern Lactalis. Seiffert wechselte frühzeitig, er sei mit dem Geschäftsmodell nicht zufrieden gewesen. "Die Schwarzwaldmilch ist transparent und regional", sagt der Agraringenieur, der vor dem Studium mit gerade mal 16 Jahren nach Norddeutschland zog, um sich dort zum Landwirt ausbilden zu lassen. Daher vielleicht auch seine Vorliebe für die schwarz-weiß gefleckten Kühe der Rasse Holstein-Friesian.

Das Futter für seine Tiere baut Seiffert zu 90 Prozent selbst an: Gras, Mais und Getreide. Dafür stehen ihm 150 Hektar Betriebsfläche zur Verfügung. Zehn Prozent des Futters kauft er der Eiweißkomponenten wegen zu, um eine ausgeglichene Mischung sicherzustellen: Soja- und Rapsschrot. Bei seiner Arbeit unterstützen ihn eine Vollzeit- und eine Halbtagskraft sowie zwei Minijobber auf 450-Euro-Basis. Da Ehefrau Maraike ganztags außerhalb des Betriebs beschäftigt ist, kann sie nur am Wochenende mit anpacken, falls ihr der eineinhalbjährige Sohn Till dafür Zeit lässt. Seniorchef Werner Seiffert hat vor vier Jahren den Hof an seinen Sohn übergeben und sich aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen. Wenn Not am Mann ist, dann krempelt er die Ärmel natürlich hoch.

Seifferts 150 Milchkühe sind in einem hochmodernen Laufstall untergebracht. Den baute er, nachdem der alte Stall 2013 Opfer eines Feuers wurde. Jede Kuh hat hier über neun Quadratmeter Platz, mehr als es das Gesetz verlangt. Überall hängen Bürsten, es ist eingestreut und die Kühe laufen selbstständig zum Melkroboter. Der Stall ist hell und luftig, im Sommer können die Seitenwände vollständig geöffnet werden. Seiffert erklärt den Stall ausführlich, weil er eine Mission hat: "Groß heißt nicht gleich schlecht fürs Tierwohl." Es gebe noch genügend Kühe in kleinen Betrieben, die seinen zum Teil noch in kleinen, dunklen und kaum belüfteten Anbindeställen untergebracht, wo die Tiere an einem Platz fixiert sind. "Meinen Kühen geht's gut", sagt Seiffert voller Überzeugung. Sie brächten ihre Leistung, seien gesund und fühlten sich wohl.

Gleichzeitig weiß er, dass es ihnen noch besser gehen könnte. Er hat deshalb Tierwohlzertifikate entwickelt. Wer will, dass ein Kalb nicht enthornt wird, in einem Stall auf Stroh groß werden darf und während seiner Aufzucht 25 Prozent mehr Platz als seine hornlosen Herdenpartner, kann das bei ihm ordern. Kosten: 25 Euro. Weshalb werden Kälber überhaupt enthornt? Aus Gründen der Arbeitssicherheit und damit sie sich bei Rangkämpfen nicht schwer verletzen zu können, erklärt Seiffert. Beim Enthornen werden die Kälber sediert, anschließend bekommen sie Schmerzmittel. Nach ein paar Stunden merke man, dass die Kälber keine Schmerzen mehr hätten, so Seiffert.

Tierwohlzertifikate gibt es auch für seine Jungrinder und Milchkühe. Der Verbraucher kann zum Beispiel dafür sorgen, dass eine Kuh auf die Weide kommt. Wer ein Zertifikat erworben hat, darf das Tier jederzeit auf dem Hof besuchen kommen. Allerdings: Bislang hat Seiffert keinen einzigen Tierwohlschein verkauft. Da ist es wieder, das Dilemma: Höchststandards beim Tierwohl sollten in Deutschland zum Discountpreis erhältlich sein.

Und weshalb hat Seiffert nach der Hofübernahme nicht auf bio umgestellt? Er habe sich darüber ausführlich Gedanken gemacht und dafür auch Fachleute von Biosiegeln auf seinen Hof geholt. Doch manche Auflagen sind ihm zu streng, manche leuchten ihm auch nicht ein. Er spricht die Iglus für Kälber an. Er hält fünf Kälber in einem Iglu, bei bio dürften es nur drei in einem Iglu sein. Außerdem bräuchte ein Iglu dann auch noch einen nicht überdachten, kleinen Auslauf. Bei schlechtem Wetter würden die Jungtiere dann womöglich im Nassen liegen und krank werden. Das will Seiffert nicht. Außerdem gibt er zu bedenken, dass der Biomarkt ein kleiner sei. Dass führe dazu, dass Schwarzwaldmilch für seine Biomilch-Erzeuger eine Warteliste habe. Da könne man nicht enfach sagen: "So jetzt verkauft ihr auch meine Biomilch."

Und dann liebt er als Landwirt seine Freiheit und Selbstständigkeit, sich den Kriterien eines Biosiegels zu unterwerfen, hieße, sich erpressbar zu machen.