Gemeinderat: Neubaugebiet sorgt für eine lange Debatte / Ganz unterschiedliche Prioritäten
So ein Neubaugebiet kann ein ganzes Spektrum an gesellschaftlichen Missständen, ökologischen Problemen und planerischer Detailverliebtheit zu Tage bringen.
Hüfingen (jak). Besonders dann, wenn eigentlich schon alle Entscheidungen getroffen wurden, die Stadträte aber doch gerne über etwas diskutieren möchten. Eigentlich scheint es so, als ob beim Mundelfinger Bebauungsplan und der Erschließung schon alles diskutiert worden war, doch nach mehr als einer Stunde war dann bei SPD-Fraktionssprecherin Kerstin Skodell und FW/FDP/UWV-Fraktionssprecher Adolf Baumann die Geduld am Ende: "Können wir jetzt auch mal endlich abstimmen?"
93 Seiten Sitzungsvorlage nur zu einem Punkt, und dann melden sich auch noch 40 Behörden zu Wort. Für CDU-Fraktionssprecher Franz Albert ist das zu viel. "Alles muss beurteilt und bewertet werden. Und es muss ja auch gelesen und verstanden werden." Was über sein Verständnis hinaus geht, ist die Stellungnahme des Gemeindeverwaltungsverband Donaueschingen. "Was der GVV sich so alles wünscht, das können wir gar nicht nachvollziehen", sagt Albert und führt Pflanzungen, die eh vorgesehen sind, und einen Anschlusszwang des Neubaugebietes an die benachbarte Nahwärme als Beispiele an.
Dass Mundelfingen ein Neubaugebiet braucht, stellt SPD-Stadträtin Christine Harms-Höfler nicht infrage. Aber dass von 13 000 Quadratmeter Fläche nun 60 Prozent bebaut werden, wirft bei der Mundelfingerin die Frage auf, wie es in Zukunft weitergehen wird. Neue Flächen auszuweisen, werde wohl immer schwieriger. "Was für Möglichkeiten haben wir noch?" So müsste verstärkt das Potenzial innerörtlicher Flächen ausgenutzt werden.
Wird ein Neubaugebiet realisiert, muss eine Kommune entweder entsprechende Ausgleichsfläche schaffen oder auf ihr Ökopunktekonto zurückgreifen. Letzteres ist in Hüfingen aber nicht gerade gut gefüllt. Man könnte doch einfach weniger Flächen versiegeln und dann werden weniger Ökopunkte oder geringere Ausgleichsflächen fällig?
Eine Idee, die die Reihen der CDU inspiriert. Während Franz Albert gerne den zentralen Platz der Straße mit weniger Pflastersteinen gesehen hätte, kam sein Kollege Bernhard Schmid auf die Idee, gleich die ganze Straße zu pflastern und auf einen schwarzen Belag zu verzichten. Die Argumentation des Planers, dass man sich damit keinen Gefallen tun würde, machte dieses Gedankenspiel aber dann zunichte.
"Warum ist da nichts passiert?"
Eine kleine, dreieckige Fläche, die zwischen bestehender Bebauung und Neubaugebiet liegt, sorgt ebenfalls für reichlich Gesprächsstoff. "Retentionsfläche oder zu den Bauplätzen hinzufügen: Wir haben darüber letztes Mal schon gesprochen. Warum ist da nichts passiert?", fragt sich CDU-Stadtrat Markus Leichenauer, und auch Baumann betont, dass das schon dreimal Thema gewesen sei: "Es gibt Dinge, die vergessen werden, und dann irgendwann zum Problem werden. Und oft sind es die kleinen Dinge, die dann richtig große Probleme machen." Aber: Es ist eben keine Fläche, die für die Erschließung oder den Bebauungsplan relevant ist.
Ganz in seinem Element war auch SPD-Stadtrat Sigmund Vögtle. Ein genauer Blick auf die Honorarkosten inspirierte ihn zu einer flammenden Rede über soziale Verwerfungen und eine gesellschaftliche Grundkritik: Hohe Honorarkosten, europaweite Ausschreibungen, und dann werde das Personal auch noch mit einem Headhunter gesucht. Falsche Steuergesetze und eine Fehlentwicklung der Reallöhne: "Für so eine Summe muss ein normaler Mensch fünf Jahre arbeiten."
Und ein Gremium wie der Gemeinderat trage auch noch dazu bei, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe. Allerdings: Es gibt eine Honorarordnung, und die für die Planungen berechneten Leistungen würden sich in diesem Fall sogar am Mindestsatz und nicht an der Obergrenze orientieren, erklärte Bürgermeister Michael Kollmeier. "Ich werde da nicht mitmachen", sprach Vögtle und enthielt sich als einziger, als dann auch mal abgestimmt wurde.
Und zum Schluss: Mundelfingen bekommt sein Neubaugebiet und zwar genau so, wie es auch vor der Sitzung geplant war.