Schwere Zeiten für Hüfingen mit Bürgermeister Michael Kollmeier an der Spitze? Drei Millionen Euro hat die Stadt bei der Greensill-Bank angelegt.Foto: Sigwart Foto: Schwarzwälder Bote

Finanzen: Stadt hat Geld bei der Bremer Greensill Bank angelegt / Drei Millionen Euro sind nun gefährdet

Nun auch Hüfingen. Nachdem schon die Stadt Bad Dürrheim um zwei Millionen Euro bangt, die sie bei der Bremer Greensill Bank angelegt hat, ist auch Hüfingen betroffen.

Hüfingen (jak). "Es handelt sich um insgesamt drei Millionen Euro, aufgeteilt in zwei Festgeldanlagen – eine zu 1,5 Millionen Euro von Januar bis April 2021, die andere zu 1,5 Millionen Euro von Januar bis Oktober 2021", sagt Bürgermeister Michael Kollmeier. Der Grund für die Einlage dort seien die Zinsbedingungen gewesen. Die Stadt habe vor dem Dilemma gestanden, entweder bei den Hausbanken Negativzinsen bezahlen zu müssen oder keine bei der Greensill-Bank. Die Greensill-Bank habe als seriös gegolten. Die Bankenaufsicht Bafin habe den Kommunen, etwa über die kommunalen Spitzenverbände, keinen Hinweis gegeben, mit dieser Bank keine Geschäfte mehr zu machen.

"Es kann Jahre dauern"

"Um das Risiko zu minimieren, haben wir das Geld der Kommune bei 13 verschiedenen deutschen Banken und Geldinstituten sowie drei verbundenen Organisationen angelegt. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es aber leider nicht", betont Kollmeier und fügt an: "Wir tun alles, um unser Geld zurückzubekommen. Noch ist offen, ob die Bank Insolvenz anmelden muss. Leider müssen wir damit rechnen, dass das Verfahren Jahre dauern wird". Die Kommune habe den Gemeinderat sowie die Rechtsaufsichtsbehörde informiert und werde einen juristischen Beistand einschalten.

Ganz so entspannt ist die Situation im Hüfinger Gemeinderat nicht. Das Gremium war vergangenen Donnerstag um kurz vor 23 Uhr, als gedanklich schon viele auf dem Nachhauseweg waren, über die Drei-Millionen-Anlage bei der Bremer Bank informiert worden. Über die Fraktionsgrenzen hinweg löste die Nachricht einen Schock aus.

Das sagt die CDU

"Das war schon ein schwerer Schlag ins Kontor. Wir waren alle sehr geschockt, als wir das erfahren haben", sagt CDU-Fraktionssprecher Christof Faller. Um die Sache weiter zu beurteilen, bräuchte er allerdings noch mehr Informationen. Der Gemeinderat habe Richtlinien aufgestellt, wo und wie die Stadt ihr Geld anlegen darf. Wären diese befolgt worden, könne man nichts machen. "Ich will jetzt niemanden vorverurteilen", so Faller. Es sei auch klar, je mehr Zinsen man wolle, um so mehr Risiko sei verbunden. "Aber als Privatmann kann ich da anders handeln. Bei einer Stadt ist es ja nicht das eigene Geld", so der CDU-Chef. Geschockt ist er, sauer aber nicht. "Wenn ich nicht weiß, ob daran jemand Schuld trägt, dann kann ich auf niemanden sauer sein. Und wenn ich auf jemanden sauer bin, dann ändert das auch nichts." Allerdings hat Faller wenig Hoffnung, dass Hüfingen wieder an die drei Millionen herankommt. "Das Geld wird zum größten Teil alles weg sein, und damit müssen wir uns abfinden." Allerdings sei es schon ein herber Schlag, den die Stadträte erst einmal verdauen müssen.

Das sagt die SPD

"Klar ist: Eine Anlage über drei Millionen Euro darf nur in gemeinsamer Verantwortung vom Bürgermeister und vom Kämmerer getroffen werden", sagt die SPD-Fraktionssprecherin Kerstin Skodell und fügt hinzu: "Klar ist: Geldanlagen in dieser Höhe dürfen nicht ohne vorherige Überprüfung der Bank entschieden werden." Und die Greensill-Bank habe zu dem Zeitpunkt, als Hüfingen die Geldanlage getätigt habe, nicht mehr über ein A-Rating verfügt, wie es die Regeln fordern, sondern habe ein B-Rating gehabt. "Das ist ein grob fahrlässiges Verhalten, wie da mit Bürgergeldern umgegangen wurde", sagt Skodell. Wenigsten die Fraktionsvorsitzenden hätten in einer kurzfristig einberufenen Sitzung mit einbezogen werden müssen. Doch sie versichert: Der Gemeinderat habe über dieses Vorgehen keine Information gehabt und habe erst am Donnerstag erfahren, dass Hüfingen bei der Greensill-Bank Geld angelegt habe. Die SPD-Fraktion habe im Zuge der Haushalts-Konsolidierungen bei Bürgermeister Michael Kollmeier im März einen aktuellen Stand der Liquidität und Geldanlagen angefordert. Diese Liste sei den Gemeinderäten auch zur Verfügung gestellt worden. Allerdings wären darauf die Anlagengeschäfte der Greensill Bank nicht aufgeführt. "Wir wurden da als Gemeinderat hinters Licht geführt. Unser Vertrauen in die Verwaltung, explizit des Bürgermeisters, ist gebrochen." Der Gemeinderat habe im Januar noch den Auftrag bekommen, Einsparungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Auf der anderen Seite würden drei Millionen Euro Geldanlagen dem Rat vorenthalten. "Das ist unglaublich", sagt Skodell. Ihrer Meinung nach wäre es angebrachter gewesen, sich in dieser Situation mit dem Gemeinderat grundsätzlich über rentable Investitionen zu unterhalten und nicht über Streichungen von acht Betreuungsstunden in der Schule, oder die Kürzung der Arbeitsstunden im Jugendreferat. "Da schiebt der Bürgermeister lieber ohne Absprache mit dem Gemeinderat drei Millionen Euro in eine unsichere Bank, um einen Kleckerbetrag von Strafzinsen zu ›sparen‹."

Das sagen FDP/FW

"Das ist eine schwierige Situation", sagt Adolf Baumann, FDP/FW-Fraktionssprecher, der "kräftig zu schlucken", hatte, als er über die Anlage der Stadt informiert worden ist. Das Geld sei falsch angelegt worden. "Die Verwaltung hat sich einfach täuschen lassen. Aber sie sind in guter Gesellschaft, denn es haben sich viele anderen auch täuschen lassen, und im Nachhinein ist man immer schlauer."

"Viele offenen Fragen"

Einfacher mache das die Situation aber nicht, und es gebe noch viele offene Fragen. Klar sei allerdings: Die Stadt habe ein Regelwerk, wie das Geld angelegt werden darf. "Ich will jetzt aber nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen", so der FDP/FW-Fraktionssprecher. Erst müssten die Fakten zusammengetragen werden. Dann stünde eine Analyse des Ganzen an. Und abschließend müsste man dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann. Vieles hätte man mit den drei Millionen Euro machen können – beispielsweise die Kindergartengebühren für zwei oder drei Jahre erlassen oder das Aquari für eine gewisse Zeit ohne Eintritt zu betreiben. "Das tut richtig weh, und das wird der Verwaltung und dem Gemeinderat noch eine ganze Zeit nachhängen."

Das sagen BFSO/Grüne

"Unsere Fraktion ist fassungslos, sprachlos und ziemlich sauer", sagt BFSO/Grünen-Fraktionssprecher Michael Steinemann. Er und seine beiden Mitstreiter fordern nun die Gemeindeprüfungsanstalt und die Aufsichtsbehörde im Landratsamt auf, zu überprüfen, ob diese Geldanlagen ein Verstoß gegen die städtischen Anlagerichtlinien darstellen. "Es ist das Geld unserer Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Unternehmen", sagt Steinemann. Und drei Millionen Euro seien keine kleine Summe. Mit dem Geld hätte man 50 Jahre die Hundesteuer erlassen können oder ein Jahr den Hüfinger Unternehmen die Gewerbesteuer. "Es geht um das Vertrauen in die Stadt, welches mit so einem spekulativen Handeln verloren geht", so der BFSO/Grünen-Fraktionssprecher und fügt hinzu: "Das Bürgers Geld ist nämlich kein Spielgeld. Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir große Zweifel, dass das Verhältnis zwischen Sicherheit und Ertrag ausgewogen war." Aus der Sicht seiner Fraktion sei das Risiko bei den Hüfinger Finanzen nicht hinreichend gestreut worden. Greensill habe schon 2020 im Fokus der BaFin mit entsprechendem Rating gestanden, und der Gemeinderat sei nicht in die Entscheidung, ob ausgerechnet bei dieser Bank das Geld angelegt werden soll, einbezogen worden.

"Die langfristigen Konsequenzen dieses finanziellen Verlusts für unsere Stadt sind nicht in Worte zu fassen", sagt Steinemann und nimmt auch gleich das Stadtoberhaupt in die Pflicht: "Der Bürgermeister wird uns nun aufzeigen müssen, wie es dazu gekommen ist und ob noch etwas zu retten ist."

Betroffen vom Fall Greensill sind bundesweit etliche Kommunen. Hintergrund ist, dass die Greensill Bank AG in Zeiten von Null- und Negativzinsen Tages- und Festgeldanlagen zu ungewöhnlich hohen Sparzinsen angeboten hatte. Betroffene Kommunen verweisen darauf, dass bei der Entscheidung für die Bremer Bank die Bewertung – das Rating – berücksichtigt worden sei. Seit dem 1. Oktober 2017 profitieren unter anderem Kommunen nicht mehr von der freiwilligen Einlagensicherung der privaten Banken, die in der Regel höher ausfällt als die gesetzliche Einlagensicherung.