Der geplante Hotelneubau, obwohl bereits im Jahr 2015 vorgestellt, sorgt für Debatten. Schon damals hatte Peter Dübbers gegen die Pläne protestiert, aber keine Reaktion erhalten. Jetzt sieht er erneut das Urheberrecht als verletzt an.
Stuttgart - Wenn der Architekt Peter Dübbers durch den Hauptbahnhof geht, wenn er an dieser und jener Ecke den Blick nach oben schweifen lässt, wenn er von Details der Architektur erzählt und aus der Geschichte des Bauwerks berichtet, dann hat man den Eindruck, als sauge er noch mal die besondere Atmosphäre des imposanten Bauwerks auf, das von seinem Großvater Paul Bonatz vor hundert Jahren errichtet wurde.
Die Baukräne, Bagger und Gruben drum herum künden davon, dass bald nichts mehr so ist, wie es war: Stuttgart 21 hat durch den Abriss der Seitenflügel den Bonatz-Bau bereits grundlegend verändert, die Projektgegner sagen: zerstört. Wenn der Tiefbahnhof fertig ist, wird es weitere Veränderungen geben – auch durch den Bau eines Glaskubus zwischen Großer und Kleiner Schalterhalle, in den ein Hotel der Me-and-all-Kette einziehen wird. Dieser Plan hat seit der Bekanntgabe vor einigen Tagen zahlreiche Reaktionen in der Öffentlichkeit ausgelöst und die Proteste von Dübbers, der befürchtet, dass weitere wichtige Bestandteile des Hauptbahnhofs unwiederbringlich verloren gehen.
Auf Einspruch Dübbers kam 2015 keine Reaktion
„Die Ankündigung, dass ein Hotel eingebaut wird, hat mich nicht überrascht“, sagt Peter Dübbers dazu. Schon 2005 sind im Planfeststellungsbeschluss weitere Eingriffe genehmigt worden, im September und November 2015 stellte die Bahn zusammen mit dem Architekten Christoph Ingenhoven bereits die Pläne für den Kubus vor. Damals wandte sich Dübbers an Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), an das ihn Pätzold wegen des Genehmigungsverfahren verwiesen hatte. „Eine wie auch immer geartete Reaktion des EBA haben ich in den anderthalb Jahren seitdem nicht erhalten“, sagt Dübbers, der als Inhaber des Urheberrechts nicht einfach so klein beigeben will. Er schließt rechtliche Schritte nicht aus, hofft aber zunächst auf ein Gespräch mit dem Denkmalschutz.
Aus Sicht des Regierungspräsidiums Stuttgart, zu dem das Landesamt für Denkmalpflege gehört, ist momentan „rechtlich noch nicht geklärt, in welchem Verfahren eine Nachnutzung genehmigt werden würde“. Dabei sei grundsätzlich die untere Denkmalschutzbehörde bei der Stadt Stuttgart zuständig, das Landesdenkmalamt werde aber gehört. Allerdings macht das RP auch klar, dass die „gewünschte Hotelnutzung keine erhebliche Beeinträchtigung für das Restgebäude darstellt“, will heißen: Der Denkmalschutz wird dem Neubau zustimmen, weil die Eingriffe bereits im Planfeststellungsbeschluss genehmigt worden sind. Die Auswirkungen der Hotelnutzung auf das Erscheinungsbild des Bonatz-Baus sei anhand eines Lattengerüsts überprüft worden. „Eine erhebliche Beeinträchtigung konnte nicht konstatiert werden“, so das Landesdenkmalamt.
Bonatz-Enkel schlägt Alternative vor
Auch Peter Dübbers ist klar, dass er das Rad nicht mehr zurückdrehen kann, nachdem er 2010 im Urheberrechtsverfahren gegen die Bahn unterlegen war. Damals war die Umwandlung des Kopfbahnhofs in einen tiefergelegten Durchgangsbahnhof, für den die beiden Seitenflügel abgerissen werden müssten, mit einer „notwendigen Funktionsanpassung im öffentlichen Interesse“ begründet worden. „Davon kann bei einer Hotelaufstockung keinesfalls die Rede sein“, sagt Dübbers, der deshalb auf eine Annäherung der Positionen hofft.
Der entscheidende Punkt für Dübbers ist die Fassade des Hauptbahnhofs zum Arnulf-Klett-Platz hin, die erhalten bleibt. Sie werde nach dem Umbau allerdings einen nach oben offenen Lichthof vor den Hotelzimmern begrenzen. „Das ist vielleicht von innen ganz hübsch, von außen widerspricht es aber völlig den gestalterischen Prinzipien des Bonatz-Baus“, sagt Dübbers. Heute bilde die weitgehend geschlossene Wandfläche über den Säulen einen hohen Architrav, einen massiven Balken, der sich zwischen den Kuben von Kleiner und Großer Schalterhalle spannt. „Wenn der Blick künftig je nach Standort durch die Fensteröffnungen auf die zurückgesetzte, gläserne Hotelfassade oder in die Wolken fällt, verliert der Balken völlig seinen massiven Charakter und wird wie die Fenster zur Attrappe, zum Potemkin’schen Dorf“, sagt Dübbers, „das kann und darf aber nicht das Ergebnis eines denkmalgerechten Umbaus sein.“
Dieser Eindruck könne vermieden werden, wenn die unteren Aufstockungsgeschosse direkt an die Fassade angeschlossen würden und nur das obere zurückgesetzt werde. „Die bestehenden Fenster wären für Hotelzimmer ausreichend und der massive Charakter des Architravs damit bewahrt“, sagt Dübbers. Anderes hält er geradezu für selbstverständlich – etwa, dass Teile der Treppenanlagen erhalten werden, dass die Bahnsteig- und die anderen Hallen weiterhin durch die großen Fenster Tageslicht erhalten und dass auf bauliche Details Rücksicht genommen wird. Dübbers, inzwischen in der Kleinen Schalterhalle angekommen, blickt sich um. „Einfach schön“, sagt er, er hoffe, dass es „eine kleine Chance gibt, noch etwas zu erreichen“.