Die Polizei sucht nach Spuren. Foto: Jürgen Lück

Facebook-Post wartet mit hetzerischer "selbst-schuld"-Rhetorik auf. Opfer steht am Pranger.

Horb-Nordstetten - Chronik eines instrumentalisierten Verbrechens: Es ist Samstag, der 3. November. Immobilien-Investor Michael Riecher wird tot in seinem Haus in Nordstetten gefunden. Bald steht fest: Der 57-Jährige wurde getötet. Eine Woche später nimmt die Polizei einen Tatverdächtigen fest. Einen 27-jährigen Syrer, der zur Miete in Riechers Elternhaus lebt.

Auf Facebook verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Vor allem auf asylkritischen Seiten geht die Meldung viral. Besonders ins Auge sticht ein Beitrag der Seite "Asylreport Baden-Württemberg". Dort wird der Artikel von schwarzwaelder-bote.de nicht einfach nur geteilt - der Post liefert den Usern auch gleich eine Zusammenfassung der vermeintlichen Fakten. Und die hat es in sich. Denn der Verdächtige steht plötzlich als überführter Täter da: Überschrieben ist der Post mit "Immobilienunternehmer nimmt Flüchtling in sein Haus auf, jetzt wurde er von dem 27-jährigen Syrer ermordet".

Tatsachen werden verdreht

Nicht die einzige Verdrehung der Tatsachen, die der Post zu bieten hat. Aus der im Artikel erwähnten günstigen Miete für Riechers Elternhaus wird kurzerhand ein kostenfreies Mietverhältnis, generell findet nur Erwähnung, was den Verdächtigen in ein schlechtes Licht rückt. Mit einer Ausnahme: Dass der 27-Jährige im Horber Arbeitskreis Asyl als Vorzeigebeispiel für gelungene Integration galt, wird gleich mehrfach betont. Nicht ohne zu bemerken, die Flüchtlingshelfer könnten "froh sein", dass sie "ihre Leichtfertigkeit" nicht das Leben gekostet habe.

Die aggressive "Selbst schuld"-Rhetorik des Posts zeigt Wirkung. Und Michael Riecher, das Opfer, steht plötzlich am Pranger. "#wirssindmehr ist einer weniger. Mein Mitleid hält sich in Grenzen", schreibt ein User. "Wie kann man nur so bescheuert sein... tja, das wird nicht der Einzige bleiben", ätzt ein anderer. "Kein Mitleid... wer nicht hören will, muss fühlen", sekundiert ein Dritter. Harsche Worte, die sich für Familie und Freunde des Ermordeten wie Schläge ins Gesicht anfühlen müssen.

OB empört über politische Instrumentalisierung

Wer steckt hinter dem hetzerischen Post? Wird hier bewusst ein Gewaltverbrechen für rechte Stimmungsmache missbraucht? Die Betreiber von "Asylreport Baden-Württemberg" weisen jede Verantwortung von sich. Die Seite veröffentlicht nach eigenen Angaben "offizielle Polizeiberichte aus dem kompletten Raum Baden Württemberg, die in Zusammenhang mit Asylbewerbern stehen". Auf Nachfrage heißt es dann aber, einen Großteil der Nachrichten bekomme man zugesendet. Das sei auch bei dem fraglichen Post so gewesen, den man zwischenzeitlich gelöscht habe. Kurz darauf ist die Facebook-Seite nicht mehr aufrufbar.

Der Horber OB Peter Rosenberger betrachtet die politische Instrumentalisierung des Verbechens mit Sorge. "Ich warne davor, die Gerüchteküche anzuheizen. Wir sollten die Ermittlungen der Polizei und die Ergebnisse abwarten. Ich werde ganz krank, wenn ich jetzt schon höre, dass das Verbrechen in Nordstetten für politische Zwecke ausgenutzt wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Wir wissen auch noch nichts über den Tathergang. Wenn am Ende herauskommt, dass es so war, dann darf jeder seine Meinung dazu äußern. Doch jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür."