Martin Meintel, Paul Müller und Stefan Merkle (von links): drei Männer, die klare Worte zum Steinbruch-Projekt vortrugen. Foto: Lück

Die Info-Veranstaltung und ihre Reaktionen. "Ziehen Sie sich zurück. Lassen Sie unser Dorf in Ruhe!" Mit Kommentar.

Horb-Talheim - Die Steinachhalle am Montagabend. Paul Müller steht am Mikrofon. In seinem Gesicht ist Wut zu sehen. Rechts daneben Stefan Merkle. Er starrt angespannt auf das Podium. Die Info-Veranstaltung und die Reaktionen.

Müller wird laut. Er sagt energisch ins Mikro: "50 Jahre lang habe ich den Steinbruch mitgemacht. Ich habe Risse im Haus. Ich bin entsetzt, dass es wieder losgehen soll."

Martin Meintel: "Ich bin in der Hochdorfer Straße aufgewachsen und weiß, was es heißt, Dreck zu fressen. Ich verstehe Sie, Herr Kaltenbach. Aber wir werden ihnen jedes Steinchen in den Weg legen, welches wir können, damit der Steinbruch dicht bleibt."

Stefan Merkle: "Der Gemeinderat hat mit 42 Stimmen damals beschlossen, dass der Steinbruch geschlossen bleiben muss. Was hat sich an dieser Frage der Belastung der Talheimer Bürger geändert?"

Die Wutbürger von Talheim. Manche sachlich, manche aufgeregt, manche polemisch. Doch in den knapp vier Stunden machen sie den anwesenden Ortschaftsräten, den Gemeinderäten, dem Steinbruchunternehmer und den Rathaus-Vertretern aus Talheim und Horb klar, wie es Andrea Merkel auf den Punkt bringt: "Wir sind ein Talheim. Und wir wollen keine Steinbruchauffüllung!"

"Wir wir wollen keine Steinbruchauffüllung"

Einer nach dem anderen Tritt ans Mikrofon. Immer wieder donnernder Applaus, wenn sie ihre Sorgen schildern.

Schon bei der Präsentation von Steinbruchbesitzer Armin Kaltenbach wurde ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: 1,8 Millionen Tonnen Abraum. Fünf Jahre lang täglich 1500 Tonnen. Rund 60 LKW am Tag. Heißt: alle sechs Minuten zirka eine LKW-Fahrt. Und wenn es Probleme auf der Baustelle Stuttgart 21 gibt, dann rollen die Lkw sogar alle vier Minuten bei 180 Arbeitstagen – wie Kaltenbach vorrechnete.

Auch die Route der Lkw ist so kritisch wie befürchtet: Runter von der Kreisstraße 4718, durch die engen Kurven mit einer Spitzkehre und dann die Haiterbacher Steige hoch. Laut Steinbruchunternehmer Kaltenbach sei diese Strecke "das kleinste Übel."

Und das weckt die Ängste der Bürger richtig. Eine Frau erzählt: "Ich wohne an der Strecke. Unser Haus steht direkt in der Kurve. Jeden Winter stehen Pkw bei uns im Garten. Weil der Schnee nicht optimal geräumt werden kann und immer was liegenbleibt. Wie soll das erst werden, wenn dort die Steinbruch-Laster fahren? Was ist, wenn es dort Gegenverkehr gibt?"

Steinbruch-Unternehmer Kaltenbach: "Ich verstehe diese Bedenken. Man könnte dort beide Gehsteige entfernen, damit der Begegnungsverkehr dort keine Probleme hat." Die Frau: "Dann habe ich gar keine Sicherheit mehr." Thomas Richter: "Hat sich noch niemand Gedanken gemacht, dass durch den Lkw-Verkehr Menschen verletzt oder getötet werden könnten? Die Strecke wird gekreuzt vom Schulweg und vom Weg zur Kindertagesstätte. Dazu gibt es zwei Bushaltestellen, an denen die Schulkinder ankommen und abfahren."

Ein anderer Bürger schaltete sich ein: "Wo ist eigentlich das Geld geblieben, was die Kommune während des Steinbruch-Betriebs bekommen hat? Ihr kriegt es nicht mal hin, die Schulwege sicher zu machen! Ich wohne in der Sonnensteige, hier ist Anlieger frei. Trotzdem fahren hier dauernd Autos durch. Und wenn man im Rathaus anruft, gibt’s die Antwort: Kaufen Sie sich ein gebrauchtes Auto, damit keiner durchkommt."

Ulrike Ade: "In der Schietinger Straße hat es bereits mehrere Absenkungen gegeben. Was passiert, wenn dort eine Masse an Lkw durchfährt?"

Hermann Walz: "Als Privatmann habe ich eine Frage: Mein Haus hat immer noch Risse vom Steinbruchbetrieb. Dafür kann ich niemand haftbar machen. Wenn jetzt wieder Lkw-Verkehr kommt, kann ich niemand haftbar machen, oder?" OB Rosenberger dazu: "Wir als Stadt machen es bei unseren Baustellen immer so: Vor Beginn dokumentieren wir alles. Nach dem Abschluss schauen wir, ob es Beschädigungen gibt. Und leisten dann Schadensersatz. Und so eine Regelung müsste im Vertrag mit der Firma Kaltenbach stehen."

Weschenmoser: "Ich muss das erst einmal sacken lassen"

Die vielen Fragen und Äußerungen der Wutbürger von Talheim – sie haben offenbar viele beeindruckt. Gemeinderätin Viviana Weschenmoser: "Ich muss das erst einmal sacken lassen."

Das Rathaus will jetzt erst einmal das Protokoll der Info-Veranstaltung mit Dietmar Meintel, Sprecher der Bürgerinitiative, abstimmen. Damit man die vielen "Anregungen", wie das Verwaltungsdeutsch die zum Teil wütenden Wortmeldungen nennt, verarbeiten zu können.

Auf die Frage von Hermann Walz, der wissen wollte, welche Summe Geld vom Steinbruchunternehmen als "Strukturbeitrag" fließen soll, antwortet Rosenberger eher wenig konkret: "Wenn ein Strukturbeitrag käme, dann muss er nach Talheim fließen und nicht nach Horb." Und sagte weiter in der Halle: "Wir sind ganz entspannt, trotz Pfiffen und Unmut, dass wir als Kommune die Entscheidung in der Hand haben." Damit meint er den Grundbucheintrag. Stadtplaner Peter Klein erklärt: "Im Grundbuch der betroffenen Grundstücke der Firma Kaltenbach ist eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten der Stadt Horb und zu Lasten dieser Grundstücke eingetragen, dass kein Gesteinsabbau und kein Schotterwerk mehr betrieben werde darf. Außerdem wird kein Fremdmaterial (Gestein- oder Erdmaterial) zur Verarbeitung auf das Grundstück zugefahren werden. Dadurch ist die Stadt nicht ›nur‹ durch einen Vertrag abgesichert sondern die Belastung ›ruht‹ auf den Grundstücken selbst und gilt für den Eigentümer und seine Rechtsnachfolger."
"Senior-Chef Walter Kaltenbach gab sein Ehrenwort"

Vielleicht geht auch das in Erfüllung, was sich Günther Straub als Talheim wünscht: "Herr Kaltenbach. Lassen Sie den Ort in Ruhe. Bitte ziehen Sie sich zurück!"

Das hatte schon Senior-Chef Walter Kaltenbach, so zitiert BI-Sprecher Dietmar Meintel, laut einem Zeitungsbericht vom 9. November 1993, versprochen: "Er gab als Ehrenmann sein Wort, dass in den Talheimer Steinbruch kein Lkw mehr reinfährt. Das gilt auch für seine Nachfolger."

Im Jahr 2001, so berichtet Inge Weber vom Stadtplanungsamt, beantragte die Firma die Verlängerung der Abbaugenehmigung. Am 14. Februar 2002 stimmte der Ortschaftsrat zu. Es wurde die notarielle Vereinbarung getroffen, dass der Abbaubetrieb am 30. Juni 2003 endet.

Und wann könnte die Entscheidung über Talheim 21 fallen? Rosenberger: "Der Ortschaftsrat soll bis Ende des Jahres abstimmen." Einen Tag nach der Info-Veranstaltung wirkt der OB im Gespräch mit unserer Zeitung skeptisch bezüglich des Projekts. "Ich war beeindruckt, wie viele gekommen sind. Das war ein wichtiges Signal. Ich habe sehr wohl eine große Solidarität der Talheimer füreinander wahrgenommen. Es wurden viele Sorgen, Nöte und Ängste transportiert. Vieles habe ich erwartet, anderes war für mich selbst neu und einleuchtend: zum Beispiel, dass es damit nicht getan ist, dass Material einfach abzuladen, sondern es auch noch verdichtet werden muss, was vielleicht zu zusätzlichen Erschütterungen führt. Auch die Sorge um die Sicherheit der Kinder war sehr eindringlich. Wir werden uns jetzt in Ruhe zusammensetzen und das Für und Wider beleuchten und reflektieren, so wie wir das grundsätzlich machen." Doch auch Oberbürgermeister Peter Rosenberger wirkt alles andere als begeistert.

Kommentar: Volle Wucht

Von Florian Ganswind

Stuttgart 21 ist weit weg. Oder doch nicht? Die Talheimer erleben gerade, wie nah das Großprojekt kommen kann, obwohl man mehr als 60 Kilometer entfernt ist. Vielleicht würde heute der eine oder andere deshalb anders über Stuttgart 21 abstimmen und dem Projekt seine Zustimmung versagen. Klar ist: Der Stuttgarter Schutt muss irgendwohin. Es wird immer Betroffene geben. Allerdings ist der Talheimer Steinbruch tatsächlich ein unglücklich gewählter Standort, obwohl er sich von der Größenordnung ideal eignen würde. Doch der Steinbruch liegt inmitten der beiden Talheimer Ortsteile und nicht irgendwo abseits. Die Lkw-Kolonne würde die Talheimer und auch umliegende Gemeinden mit voller Wucht treffen. Die Info-Veranstaltung hat gezeigt: Es geht hier nicht um eine Minderheit, die sich wehrt. Das sollten der Unternehmer und die politischen Entscheidungsträger akzeptieren.