Die Wahlschlacht ist geschlagen – und die baden-württembergische SPD gehört zu den klaren Verlierern. Foto: Seeger

Viviana Weschenmoser: "Dreigestirn der neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden ohne Frau?" Wichtiges Signal fehlt.

Horb - Nicht eine, sondern gleich drei Personen führen die SPD-Fraktion im neugewählten Landtag an. Der Haken: Das sozialdemokratische Dreigestirn besteht nur aus Männern – und das bringt die Horber SPD-Vorsitzende Viviana Weschenmoser kräftig auf die Palme.

Der vergangene Wahlsonntag kam für die baden-württembergische SPD einem Erdbeben gleich: Ein Minus von 10,2 Prozent mussten die Sozialdemokraten hinnehmen. Mit 12,7 Prozent der Wählerstimmen sind sie nur noch viertstärkste Kraft im Südwesten – hinter Grünen, CDU und AfD. Noch härter traf es die SPD in Horb, wo sie mit 9,23 Prozent ein nur einstelliges Wahlergebnis verbuchen konnte. In der Neckarstadt ist die älteste Partei Deutschlands sogar nur fünftstärkste Kraft.

Da fragt man sich: Müsste die Horber SPD-Vorsitzende Viviana Weschenmoser momentan nicht wirklich andere Sorgen haben, als ihre Genossen im Stuttgarter Landtag dafür zu kritisieren, in die kommissarische Fraktionsführung keine Frau gewählt zu haben? Und dann auch noch für jedermann sichtbar auf ihrer Facebook-Seite im Internet?

Dort fragt sie empört: "Dreigestirn der neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden ohne Frau?" Und weiter: "Ich bin auf einer ganz persönlichen Ebene furchtbar enttäuscht, dass trotz vielen Parteibekenntnissen, Kampagnen und, und, und Frauen trotzdem in der Politik ständig zurückstecken, unauffällig bleiben beziehungsweise erst gar nicht gewählt werden. Mir fällt Verständnis hierfür schwer, trotz aller Erklärungen." Auf Facebook erhielt sie für diese Worte nicht nur Zustimmung. Weschenmoser steht seit drei Jahren an der Spitze des Horber SPD-Ortsvereins, zudem ist sie Beisitzerin im Landesvorstand sozialdemokratischer Frauen. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines ihrer Kernthemen – auch nach solch einer Wahlschlappe.

Gegenüber dem Schwarzwälder Boten betont die temperamentvolle Powerfrau, dass es für sie ein wichtiges Signal gewesen wäre, zumindest eine Frau in die neue, dreiköpfige Fraktionsspitze zu wählen: "Die Außenwirkung entscheidet. Wenn das Thema Gleichstellung ernst genommen werden soll, dann muss man es auch immer wieder berücksichtigen. Und zwar für die nächsten 100 Jahre – bis es normal geworden ist." Kompetenz will Weschenmoser den drei neuen Fraktionsvorsitzenden Martin Rivoir, Stefan Fulst-Blei und Wolfgang Drexler zwar nicht absprechen, denn sie sagt: "Das sind drei, die lange dabei und gut vernetzt sind." Und trotzdem kritisiert Weschenmoser: "Vor allem Menschen, die eine Vorbild-Funktion haben, müssen immer auf Gleichstellung achten."

Mit bestem Beispiel geht die SPD in Horb voran: Mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken, der Landtagskandidatin Uta Schumacher und der Ortsvereinsvorsitzenden Weschenmoser werden Schlüsselpositionen von Frauen bekleidet. Auch bei der vergangenen Kommunalwahl stellten die Horber Sozialdemokraten eine Kandidatenliste im Reißverschlussverfahren auf – nach einem männlichen Bewerber folgte ein weiblicher. "Weil das ein Spiegel unserer Gesellschaft ist", unterstreicht Weschenmoser.

24 Stunden vor der Landtagswahl wurde die Gleichstellung ein weiteres Mal in Horb thematisiert – sogar über Parteigrenzen hinweg: Frauen mit ganz unterschiedlicher politischer Gesinnung schlossen sich zusammen und motivierten auf dem Bahnhofsvorplatz andere Frauen, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Weschenmoser machte dabei nicht nur positive Erfahrungen: "Uns fiel auf, dass manche Frauen nicht wählen gehen, weil das Männersache sei. Und man sagt ja auch, dass Frauen oft nicht Frauen wählen."

Und wie sieht das bei Weschenmoser selbst aus? Als SPD-Vorsitzende habe sie in den drei Jahren bezogen auf ihr Geschlecht noch keine Nachteile erfahren, dafür mache sie regelmäßig negative Erfahrungen bei ihrem Studium in Tübingen. Das fange schon damit an, dass die schlechter bezahlten oder zeitintensiveren Jobs an der Universität meist an Frauen gehen würden. "Ich bin selbst schon an diese gläserne Decke gekommen, an der ich nicht vorbeigekommen bin, weil es hieß, ich bin ja ein Mädchen", ärgert sich Weschenmoser.

Klar ist für sie: Der Kampf für die Gleichstellung ist "eine Jahrtausend-Aufgabe", die sie weiterhin kosequent angehen will – auch in ihrer Partei. Ob ihre Kritik am rein männlichen Dreigestirn der neuen SPD-Landtagsfraktion gehört wird? "Ich gehe davon aus", sagt Weschenmoser, "wir sind ja eine Mitmach-Partei." Ohnehin soll das Trio nur kommissarisch tätig sein, ehe in vier bis sechs Wochen ein regulärer Fraktionsvorsitzender gewählt wird. Vielleicht kann sich dann doch eine der beiden Abgeordneten der nun 19-köpfigen SPD-Fraktion durchsetzen. Weschenmoser würde es freuen.