Bleibt nach Verhandlungsschluss allein zurück, die "juristische Person" des Angeklagten. Auch die Stoffpuppe konnte nicht verhindern, dass die Berufung seines menschlichen Pendants verworfen wurde. Foto: Schönfelder

Aus Deutschem Reich in Rottweiler Verhandlungssaal: Angeklagter erkennt Gericht in Berufungsverhandlung nicht an. 

Horb/Rottweil - Sie erkennen keine der Autoritäten der Bundesrepublik an, keine Regierung, keinen Richter und auch keinen Polizisten. Mit Hingabe legen sie sich mit den Organen eben dieses Staates an, um ihre Idee des Fortbestandes des Deutschen Reiches zu propagieren.

Gleichwohl, auch sie, gemeinhin als Germaniten oder Reichbürger bezeichnet, geraten mit dem Gesetz in Konflikt.

In der Berufungsverhandlung am Dienstag vor der 11. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Rottweil unter Vorsitz von Richter Wolfgang Heuer ging es vordergründig um den Strafbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, oder einfacher, Handgreiflichkeiten gegen einen Ordnungsbeamten der Stadt Horb und Polizeibeamte. Der Angeklagte sah den Rottweiler Verhandlungssaal allerdings eher als politische Bühne.

Der Mann aus dem Kreis Schwäbisch Hall war während der Abbauarbeiten der Horber Ritterspiele entgegen der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße gefahren. Ein Vollzugsbeamter der Stadt machte ihn darauf aufmerksam und verpasste ihm ein Knöllchen. Aber was stören einen überzeugten Reichsbürger bundesdeutsche Verkehrsschilder?

Angeklagter leistet sich großen Auftritt

Als sich der Angeklagte aus dem Staub machen wollte, griff der Beamte ins Auto, um den Zündschlüssel abzuziehen. Es kam zum Handgemenge, die Security eilte zum Ort des Geschehens und schließlich erschien ein Polizist auf dem Plan. Am Ende waren es drei Polizeibeamte, die den Angeklagten auf dem Revier zur Vernunft bringen mussten. Vor dem Amtsgericht, das er natürlich auch nicht anerkannte, hatte der renitente politische Aktivist schon eine Geldstrafe kassiert. Aber er war in Berufung gegangen, die nun verhandelt wurde.

Mit Blick auf die anwesende Presse machte der Angeklagte allerdings, wie in Horb, einen großen Auftritt daraus.

Groß war auch der Aufwand, den das Gericht auf der anderen Seite trieb (oder treiben musste?): Eingangskontrolle mit Röntgengerät, Ausweise wurden eingehend gemustert, mehr als eine Handvoll Polizei- und Justizbeamte sicherten den Sitzungssaal.

Neben dem Angeklagten selbst waren drei seiner Freunde, politische Anhänger oder wie man sie auch nennen möchte, erschienen, um ihm im Kampf gegen die in ihren Augen illegale Justiz moralisch den Rücken zu stärken.

Die Germaniten sehen die Bundesrepublik als nicht existent an, sondern sie leben im fortbestehenden Deutschen Reich. Weder das Ende des zweiten Weltkriegs, noch die Gründung der Bundesrepublik haben, in ihrer Sichtweise, an diesem Zustand etwas geändert.

Die zersplitterte, gleichwohl gut vernetzte "Bewegung", die zumindest zu großen Teilen politisch weit rechts verortet wird, hat sogar mehrere "Provisorische Reichsregierungen" gebildet, denen allerdings die notwendigen politischen Organe fehlen, um staatlich handeln zu können. Und doch umfasst ihr Germanitien mehr als das Territorium der Bundesrepublik.

Auch am Dienstag zweifelte der Angeklagte offen die Kompetenz Heuers an, überhaupt Recht zu sprechen. Ja, Heuer, möge sich doch erst einmal ausweisen. Sogar, sich von den Stühlen zu erheben, als das Gericht den Verhandlungssaal betrat, fiel dem Angeklagten und seinen Freunden sichtlich schwer.

Richter macht kurzen Prozess

Vor dem Verhandlungssaal hatten sie eine Stoffpuppe platziert, laut Schild die "juristische Person" des Angeklagten, mit der der Mensch aus Fleisch und Blut, der mit lauter Stimme auf Heuer einredete, "nichts zu tun" habe. Er weigere sich außerdem, an der Verhandlung überhaupt teilzunehmen, tat der Angeklagte kund.

Nach kurzer Beratung machte Heuer, der sich auf die sich anbahnenden Wortgefechte um Recht und Unrecht des Gerichts gar nicht erst einlassen wollte, dann wahrlich kurzen Prozess.

Der Angeklagte sei zwar körperlich anwesend, weigere sich aber, an der Verhandlung in irgendeiner Weise teilzunehmen, ließ er zu Protokoll nehmen. Dies werte er als "nicht vor Gericht erschienen", argumentierte Heuer. Wenn derjenige, der in Berufung gehe, vor Gericht nicht erscheine, sei diese zu verwerfen. Punkt. Und damit schloss Heuer auch die gestrige Verhandlung. Die Staatsanwältin war noch nicht einmal dazu gekommen, die Anklage zu verlesen.

Die Truppe aus Germanitien zog also ab und ließ nur die "juristische Person" zurück. Der Angeklagte kann sie sich innerhalb einer Woche abholen.

Übrigens bleibt dem Angeklagten noch der Weg einer Revision gegen Heuers Entscheidung offen. Diese Möglichkeit wird auch jemandem eingeräumt, der das urteilende Gericht nicht anerkennt.