Landlustige Städter sollen gelockt werden. Zum Verkauf stehende Gebäude können unverbindlich angeschaut werden.
Horb - In Dörfern und Landgemeinden stehen im Ortskern immer mehr Häuser leer. Im Horber Stadteil Rexingen wird eine besondere Idee umgesetzt, um dem entgegenzuwirken: Die Dorfgemeinschaft lädt zum Rexingen-Tag ein.
Häuser, die zum Verkauf stehen, können unverbindlich besichtigt werden. Weil auch noch ELR-Fördermittel bei der Sanierung locken, hoffen die Rexinger, dass an diesem Aktionstag Käufer gefunden werden.
Rexingen liegt oberhalb des Neckartals, am Hang, wo die Hauptstraße erst langsam, dann immer steiler ansteigt. In dem Dorf, knapp 1300 Einwohner, stehen stattliche Häuser. Sie zeugen von der besonderen Geschichte des Ortes: In Rexingen befand sich vor dem Zweiten Weltkrieg die größte jüdische Landgemeinde Württembergs. Viele Familien waren hier Anfang des 20. Jahrhunderts durch florierenden Handel etwa zu Wohlstand gekommen.
Dorfgemeinschaft putzt sich für den großen Tag heraus
Einige der großen Gebäude verfallen heute aber zunehmend, die Sanierung so großer Immobilien überfordert manchen Eigentümer. In anderen Fällen hängen die Besitzer emotional an einem Gebäude, zum Beispiel weil es das elterliche Haus ist, das nun aber niemand aus der Familie übernehmen will. Am Rexingen-Tag werden sechs zum Verkauf stehende Häuser geöffnet sein.
Am Sonntag, 27. September, will sich Rexingen für landlustige Städter und die eigene Bevölkerung herausgeputzt präsentieren, und zwar mit allem, was die Ortschaft hat: Schule und Kindergarten, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Musik- und Sportverein sowie Kirchengemeinden. Wer an diesem Tag in den Ort kommt, den will Ortsvorsteherin Birgit Sayer (parteilos) für ihr Dorf begeistern. Sie sagt: "Rexingen hat mehr zu bieten, als leer stehende und sanierungsbedürftige Gebäude."
Die Idee zum Rexingen-Tag stammt vom Architekten Martin Wypior aus Stuttgart. Er berät Gemeinden, unter anderem Rexingen, bei der örtlichen Entwicklungsplanung. Einen ähnlichen Aktionstag, wie er nun in Rexingen stattfinden soll, hat er schon einmal mit der Gemeinde Laudenbach bei Weikersheim (Main-Tauber-Kreis) umgesetzt. Er erzählt, wie die Idee damals entstanden ist: "In Laudenbach hat ein Eigentümer, der dringend verkaufen wollte, gesagt: Wie sollen die Leute mein Haus finden?" Interessenten müssten irgendwie in die bisweilen abgelegenen Dörfer gelockt werden. Deshalb der Aktionstag – damals im Juni 2014 zum "Laudenbachtag" seien etwa 1000 Besucher gekommen, schätzt Wypior. Ein erfolgreicher Auftakt für seine Idee, die nun erste Nachahmer findet.
Käufer sollen gefunden werden
Hilde Göttler ist eine der Hausbesitzerinnen, die am Rexingen-Tag ihre Immobilie vorstellen und zum Kauf anbieten will. Das Haus steht an der Rexinger Bergstraße, die ihrem Namen alle Ehre macht. Die Eltern von Göttler haben das Gebäude 1955 gekauft und kurz darauf renoviert. Heute ist das Wohnhaus mit seinen zwei Wohnungen vermietet – und schwer sanierungsbedürftig. Die angebaute Scheune ist ein Schmuckstück mit alten Toren, einem Gewölbekeller und einem hohen Giebel.
Hinter dem Gebäude erstreckt sich der Garten am Südhang, der Blick schweift über den Ort, bleibt an der Kirche im Tal hängen. "Die grüne Lunge Rexingens" sei der Streifen aus Wiesen und Gärten zwischen den Häusern. Unter den Apfelbäumen liegen Mostäpfel, die bald aufgelesen werden müssen. "Ich trenne mich nur schweren Herzens von diesem Garten, aber die Vernunft muss siegen", sagt die Rexingerin. Sie ist 72 Jahre alt, noch hat sie Energie, "aber man wird ja nicht jünger", sagt sie. So habe sie schon im Frühjahr entschieden, dass sie das Anwesen verkaufen möchte.
Der Rexingen-Tag kommt ihr gelegen. Angesichts des Zuschusses bei einer Sanierung (siehe Info), der gerade jetzt winkt, hofft sie, Käufer zu finden, die aus dem Haus noch mal was machen.
Ortsvorsteherin Sayer ist optimistisch. Es gebe viele Städter, die sich wünschten, aufs Land zu ziehen. Aber auch junge Leute, die im Dorf aufgewachsen sind und bleiben wollen, könnten sich die Möglichkeiten ansehen. Denn Neubaugebiete gibt es in Rexingen nicht, der Ort kann sich wegen seiner Hanglage kaum weiter ausbreiten. Ortsvorsteherin Sayer ist gespannt, welche Perspektive sich für ihr Dorf ergibt. Sie sagt: "An diesem Tag werden sicher keine Kaufverträge geschlossen, aber erste Kontakte geknüpft." Und: "Wenn die Leerstände vermindert werden, wäre das für das äußere Erscheinungsbild unseres Dorfs und die Wohnqualität ein Gewinn."