Lothar Fischer mit der Mittwochsausgabe unserer Zeitung, in der wir über die Messerattacke berichteten. Foto: Geideck

Zivilcourage: Beherztes Eingreifen von Mann rettet 37-Jährigen von Horber Messerattacke das Leben.

Horb/Starzach - Horb hat einen neuen Helden: Dem beherzten Eingreifen von Lothar Fischer ist es zu verdanken, dass das Opfer der Messerattacke vom vergangenen Dienstag noch lebt.

Eigentlich war Lothar Fischer im Kaufland am Horber Bahnhof völlig fehl am Platz. "Ich wollte ein Päckchen abgeben und dachte, im Kaufland wäre eine Post", gesteht der 45-Jährige aus Starzach-Bierlingen. Doch was er im Eingangsbereich des Supermarktes zu sehen bekam, stellte seinen Tagesablauf völlig auf den Kopf: Wenige Sekunden zuvor kam es dort zu einer Messerattacke, das 37-jährige Opfer lag blutüberströmt auf dem Boden. Fischer warf sein Päckchen in die Ecke und legte sofort Hand an.

"Im ersten Moment dachte ich, der Mann wäre kurz vorher operiert worden und die Wunde ist wieder aufgeplatzt. Es ist Blut geströmt ohne Ende", rekonstruiert der Bierlinger seine erste Einschätzung der Situation. Dass das Messer noch neben dem Opfer lag und der mutmaßliche Täter wenige Meter entfernt in Schach gehalten wurde, registrierte Fischer nicht. "Ich hatte den totalen Tunnelblick. Mich hat nicht mehr interessiert, was links und was rechts los ist", sagt der 45-jährige Stuckateur.

Das kommt nicht von ungefähr: Der Bierlinger war 30 Jahre lang Mitglied der freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde. Extremsituationen wie diese kennt Fischer. Er hat schon Verkehrsunfälle miterlebt, bei dem das Opfer seine Beine verlor, und auch einen Selbstmord hat der Familienvater aus nächster Nähe mitbekommen. Die Ausbildung bei der Feuerwehr half ihm, auch im Kaufland das Richtige zu tun. Fischer: "Mir sind da nur noch die ganzen Rotkreuz-Kurse durch den Kopf geschossen. Da hat es richtig gerattert."

Eilig ließ sich der ehemalige Feuerwehrmann von den Kaufland-Mitarbeitern zunächst ein Paar Einweghandschuhe geben und legte dem Opfer der Messerattacke einen Druckverband an. Eine Kundin forderte er auf, seinen Gürtel herzugeben, damit er den Verband festzurren konnte. Parallel hielt Fischer das Opfer, wie er sagt, "bei Laune", bis der Krankenwagen eintraf. "Ich habe ihm gesagt: Egal wie weh es tut, es ist dein Leben", erinnert sich der Bierlinger. Auch nach der Ankunft des Notarztes blieb Fischer vor Ort und assistierte.

Nebenbei warf Fischer mit seinen blutverschmierten Händen sein Handy einer Kaufland-Mitarbeiterin zu, nannte ihr den Code zum Entsperren und bat sie, seine Frau und seine Tochter anzurufen. Die hielten sich während dieser dramatischen Minuten nur ein paar hundert Meter weiter in einem anderen Geschäft auf, bekamen von all dem jedoch nichts mit. Fischer: "Ich wollte ja nur das Päckchen wegbringen." Vermisst hat der Familienvater Zivilcourage. "Die Leuten haben nur gegafft", ärgert sich Fischer, "dabei hätte ich gut einen Helfer gebrauchen können." Beherzt eingegriffen hat außer ihm lediglich eine Kaufland-Mitarbeiterin. "Die hat sich getraut und war couragiert dabei. Die war wirklich super", lobt der Bierlinger. Gerne würde er sich einmal mit seiner unbekannten Assistentin treffen und mir ihr über die Situation sprechen.

Ohnehin stellt sich Fischer viele Fragen zu den Hintergründen der Tat. Auch die Unwissenheit über den Gesundheitszustand des Opfers belastete ihn. "Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Man macht sich ja schon Gedanken, ob er es schafft oder nicht", meint der ehemalige Feuerwehrmann, "und ich muss ehrlich sagen: Bei dem ganzen Blut dachte ich, er schafft es nicht." Als ihm die Polizei am nächsten Tag mitteilte, dass der Mann über den Berg ist, fiel Fischer ein Stein vom Herzen. Und die Beamten sagten klipp und klar: Ohne den Bierlinger hätte das Opfer die Messerattacke nicht überlebt. Dank erwartet der Lebensretter allerdings nicht: "Ich will mich nicht loben. Ich habe einfach nur das Gefühl, das Richtige getan zu haben, weil ich mir sage: Wenn ich irgendwo liege, erwarte ich das auch." Allerdings würde sich Fischer schon freuen, wenn der Mann Kontakt zu ihm aufnimmt.

Das blutverschmierte Paket hat der Bierlinger nach seinem beherzten Eingreifen übrigens nicht mehr gleich nebenan in der Post-Filiale im Horber Bahnhof abgegeben, sondern ist auf den Hohenberg gefahren. Fischer: "Ich wollte dann nur noch weg."