Ehrenamtliche Helfer erhalten viel Lob, sind aber überlastet. Verärgerung über Behördenchaos.
Horb - Da deutet sich eine heftige Krise im Arbeitskreis Asyl an. Die Helfer der "Task Force" in Talheim sind offenbar überlastet, und die Talheimer befürchten eine Spaltung.
Eigentlich wollte Andreas Lind er vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg bei seinem Vortrag in der Mensa der Realschule am Mittwochabend über die Rechtslage, Hintergründe und Arbeit mit den Asylbewerbern sprechen. Doch aus den Fragen und Statements der Zuhörer, die auch zum Arbeitskreis Asyl Horb und Talheim gehören, war deutlich eine Krise herauszuhören.
Schon bei der Gründung des Arbeitskreises Asyl Anfang November hatte ein Sozial-Manager dem Schwarzwälder Boten gesagt: "Man sollte das jetzt als Anlass nehmen, um über eine Professionalisierung der Flüchtlingshilfe im Landkreis zu diskutieren. Wenn man die Hilfe nicht professionell steuert, befürchte ich, dass das am Anfang sehr hohe Engagement zusammenbricht." Und genau dieser Effekt scheint jetzt einzutreten.
Elisabeth Schneiderhan von der OGL, die den Abend organisiert hatte, sagte: "Es passt nicht zusammen, dass der große Arbeitskreis Asyl (der in Horb, Anm.d.Red.) nichts macht und der kleine Arbeitskreis Asyl überfordert ist. Da müssen dringend Strukturen rein."
Talheims Ortsvorsteher Thomas Staubitzer: »In der Talheimer Task Force haben wir 13 engagierte Bürgerinnen und Bürger. Die Helfer sind an der Leistungsgrenze.« Zwischen den Zeilen klingt durch, dass durch das hohe Engagement am Anfang das Anspruchsniveau bei den inzwischen gut 50 Flüchtlingen in der ehemaligen Grundschule sehr hoch sei.
Pascal Haug, der seit Dezember vom Landkreis über die Caritas als Sozialarbeiter angestellt ist, sagt: "Seitdem ich hier bin, versuche ich, das Ehrenamt aus dem Feuer zu nehmen. Die Mitglieder des Arbeitskreis Asyl sind sehr sehr engagiert. Auf die Flüchtlinge wirkt das hohe Niveau der Hilfe normal. Die Leute sind total schnell zur Stelle, wenn was ist. Und das laugt auf die Dauer aus."
Symptome der Krise auch hier. Laut Bürgermeister Jan Zeitler passe die "Entgeltgruppe, die der Landkreis für die Sozialarbeiter anbietet, nicht." Das soll im Klartext heißen: Die beiden neuen Sozialarbeiter, die der Kreistag eingestellt hat, verdienen nicht sehr viel. Die AWO Horb hatte es deshalb abgelehnt, hier einzuspringen. Begründung: "Die Gehaltsstufe ist nur für Berufseinsteiger passend." Die aus AWO-Sicht notwendige Qualifikation und Professionalität für die schwierige Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung sei so schwer zu bekommen. Und die Frage ist, wie lange und wie gut Pascal Haug seine schwierige Aufgabe leisten kann. Und wie lange die Motivation bei den stressigen Umständen anhält. Haug: "Ich bin für 120 Flüchtlinge zuständig. Gestern bin ich fünf Mal hin und her gefahren. Zwei Mal nach Freudenstadt, nach Talheim, nach Christophstal und wieder nach Freudenstadt."
Durch das Behördenchaos beziehungsweise den Flüchtlingsdruck haben die ehrenamtlichen Helfer des Arbeitskreises Asyl bisher ungeahnte Probleme. Michael Walz, Mitglied der Task Force Talheim und des Arbeitskreises Asyl, schilderte in der Mensa der Realschule, dass die Flüchtlinge ohne Gesundheitszeugnis in der Grundschule landeten. Eigentlich sei das eine der gesetzliche Voraussetzungen für die Zuweisung aus der zentrale Flüchtlingsunterbringung in die Landkreise.
Das sei auch der Grund dafür, so eine Lehrerin, dass von den 24 Kinder lediglich acht bisher Deutsch-Unterricht bekommen. Walz: »In der Gemeinschaftsunterkunft ist die Krätze aufgetreten. Da mussten wir kräftig desinfizieren.« Krätze ist eine Hautkrankheit, die durch die gleichnamige Milbe verursacht wird.
"Für so etwas haben wir keinen einzigen Euro im Etat"
Der Landkreis ließ bei der Zuweisung der ersten Flüchtlinge verlauten, dass die Grundschule in Talheim nur eine Übergangslösung war. Elisabeth Schneiderhan: "Weil wir davon ausgegangen sind, dass sie nur sechs bis acht Wochen bleiben, haben wir bisher keine Sprachkurse für die Erwachsenen angeboten. Jetzt stellt sich heraus, dass die Flüchtlinge dort wahrscheinlich länger bleiben." Bürgermeister Zeitler betont, dass man zunächst für sechs Monate einen Mietvertrag mit dem Landkreis für die Unterbringung abgeschlossen hätte.
Kommen die Flüchtlinge aus der Grundschule dann in die neue Unterkunft in Talheim? Hausarzt und Psychotherapeut Richard Brems hat jetzt sein Haus mit 580 Quadratmetern ab 1. März an den Landkreis vermietet. Hier könnten zirka 40 Flüchtlinge unterkommen (wir berichteten). Das könnte den noch nicht offen zutage getretenen Frust der Helfer und den Unmut der Talheimer Bevölkerung erhöhen, so befürchten einige.
In der Talheimer Bevölkerung gibt es Stimmen, die sagen: "Man darf durchaus die politische Forderung an den Landkreis stellen, dass in die neue Unterkunft keine Wirtschaftsflüchtlinge reinkommen, sondern Kriegsflüchtlinge aus Syrien." Eine andere Stimme sagt: "Es kann nicht sein, dass die guten Kriegs-Flüchtlinge aus Syrien in der Nähe oder in der Kreishauptstadt sind, und Talheim nur die Wirtschaftsflüchlinge bekommt." Es heißt auch: "Im September wurde in allen Medien für die Willkommenskultur geworben, weil es Kriegsflüchtlinge aus Syrien seien. Als dann klar wurde, dass wir in Talheim Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien bekommen, war schon eine Enttäuschung da. Wir haben es aber hingenommen, weil das auch nur Menschen sind und wir ihnen zeigen wollten, dass sie willkommen sind."
Laut Linder vom Flüchtlingsrat ist seine Erfahrung, dass Flüchtlinge aus den Balkanstaaten und vor allem Roma insgesamt am schnellsten abgeschoben werden. Die Gesamtschutzquote (Verhältnis derer, die in Deutschland bleiben dürfen) für Flüchtlinge aus dem Kosovo liegt bei 1,19 Prozent, Bosnien-Herzegowina 0,35 Prozent, Serbien 0,3 Prozent, Albanien 2,3 Prozent. Zum Vergleich: Bei Syrern oder Menschen aus arabischen Staaten liegt diese Quote bei knapp 90 Prozent.
Fakten, Stimmungen und Eindrücke vom Arbeitskreis Asyl. Potenzial für eine (Sinn)-Krise. Die Stadtverwaltung will jetzt am 4. Februar alle Mitglieder des Lenkungskreises zum Abendessen einladen. Zeitler: "Als Dank an den Arbeitskreis Asyl. Ohne ihn wäre das, was stattfindet, nicht zu bewältigen." Eine professionelle Unterstützung im Sozial-Management wird es wohl seitens des Rathauses auch nicht geben, wenn es im Gemeinderat keinen Antrag und Beschluss gibt. Zeitler: "Für so etwas haben wir keinen einzigen Euro im Etat."