Goldankauf und -handel floriert: Geschäftsleute profitieren vom Trend. Kunden häufiger in Notlage.
Horb - Der Goldpreis steigt seit Jahren. Die Geschäfte mit dem gelb glänzenden Edelmetall gehen auch in Horb gut. Wer Geld braucht, trennt sich vom guten Schmuck. Wer welches anlegen will, kauft sich Gold, zum Beispiel beim Münzhändler.
Bülent Genc (43) schaut durch eine beleuchtete Lupe auf die Goldkette in seiner Hand. »585«, sagt er und lässt das Schmuckstück in ein Plastikkästchen fallen. 58,5 Prozent des Gewichts dieser Kette sind reines Gold. Genc betreibt ein Büro für Edelmetallankauf in Horb. An diesem Morgen sitzt ihm eine Frau gegenüber, die ihm Goldketten- und Ohrringe verkaufen will. Die Frau, verheiratet und Mutter eines neunjährigen Sohnes, ist in Geldnot. »An diesem Schmuck hängt mein Herz. Aber man muss leben«, sagt sie.
Als ihr Genc sagt, er bezahle 526 Euro für die Stücke, klart sich ihre Miene auf. In einem Juweliergeschäft waren ihr 200 Euro weniger geboten worden. Wütend ist sie trotzdem: »Ich habe einen Hass auf die Politiker. Es wird so viel Geld ins Ausland verfrachtet, zum Beispiel nach Griechenland, und wir müssen unser Hab und Gut verkaufen.« Der Schmuck sorgt bei ihr nicht mehr für einen glänzenden Auftritt, sondern für warme Füße. Mit den 526 Euro wird sie einen Teil der Heizölkosten in ihrem Haus bezahlen.
Genc kauft »alles, was aus Gold ist«, sagt er, »Silber, Platin und Palladium.« Zahngold, Schmuck, Besteck, Münzen und Industrieabfälle. Er betreibt einen Edelmetallankauf in Horb, und hat weitere Büros in Stuttgart, Burladingen und Tübingen. Verkäufe aus Geldnot machen nur einen kleinen Teil seines Geschäfts aus. »Aber solche Fälle werden zunehmen«, sagt er. In den letzten vier Jahren hat sich der Goldpreis nahezu verdoppelt.
Und wenn man den Prognosen von Experten glaubt, war das noch nicht alles. »Es sieht so aus als ob noch Luft nach oben ist«, sagt auch Jürgen Bolsinger. Er handelt in Horb mit Münzen und erlebt, dass weiterhin Kunden auf den Gold-Zug aufspringen wollen, solange er an Tempo gewinnt. »Einsteigen kann man mit 150 Euro für die kleinste Goldmünze, eine Zehntel Unze, das sind 3,1 Gramm«, sagt Bolsinger. Sein Geheimtipp: »Weit interessanter ist Silber.« Der Preis werde steigen, weil die Industrie viel Silber nachfrage. Gleichzeitig würden die Vorkommen in den nächsten Jahrzehnten vollkommen abgebaut sein.
Bei den aktuellen Preisen und Steigerungsraten könnten die Händler leicht in einen Goldrausch geraten. Obwohl das Edelmetall täglich durch seine Hände rinnt, lehnt sich Genc in seinem Drehstuhl zurück und zuckt mit den Schultern: »Ich sehe es so: Der Goldpreis steigt nicht, sondern unsere Kaufkraft sinkt.«
»Gold ist eben die sichere Währung«
Auf seinem Schreibtisch steht ein Laptop. »1726 Dollar pro Feinunze«, sagt Genc. Der aktuelle Preis. Früher hat er die Wertentwicklung mehrfach am Tag nachgelesen, heute macht er sich nicht mehr verrückt. Um nicht Schwankungen zu seinem eigenen Nachteil ausgesetzt zu sein, versucht er aber, das angekaufte Gold so schnell wie möglich wieder aus der Hand zu geben. Die Nachrichten zu beobachten, ist für ihn wichtiger, als auf die Preistabellen zu starren. »Am US-Wahltag ging der Goldpreis um einen Euro nach oben. Als die Entscheidung fiel, dass Griechenland erstmal keinen Kredit mehr bekommt, stieg der Goldpreis plötzlich«, erklärt er. »Gold ist eben die sichere Währung.«
Die Wertentwicklung lockt aber auch halbseidene Gestalten an. »Manche Kunden versuchen es mit Autobahngold«, sagt Genc. So bezeichne man minderwertiges Material, das im Straßenverkauf angeboten werde. Aber Genc lässt sich nicht mehr reinlegen. Er prüft mit der Lupe und im Zweifel mit einem chemischen Abriebtest, wie hochwertig das Gold ist, das ihm angeboten wird.
»Wenn ich merke, mich will jemand übers Ohr hauen, prüfe ich das Material so eingehend, dass die Betrüger irgendwann verschwinden«, sagt er. »Man braucht Erfahrung und Menschenkenntnis«, sagt er. Sein Lehrgeld – fast 500 Euro für wertloses Zeug – hat Genc bezahlt, als er vor vier Jahren in den Goldankauf eingestiegen ist. Was er heute kauft, lässt er einschmelzen und verkauft es dann an eine Scheideanstalt oder direkt an Händler. Wertvolle Münzen verkauft er als solche weiter.
Dass er selbst etwas behält, sei sehr selten. »Gold reizt aber schon«, gibt er zu. »Ich habe mal eine Kette aus Persien angekauft, sie stammt aus dem 18. Jahrhundert, eine tolle Arbeit«, schwärmt er. »Die konnte ich nicht kaputt machen.« Heute liegt sie wieder in einer Schmuckschatulle – der von Gencs Frau.