Das milde Urteil für einen Vergewaltiger hat in den sozialen Netzwerken Fassungslosigkeit hervorgerufen. Foto: Deck

Ex-Kommissarin Martina Kober kann Bewährungsstrafe nicht nachvollziehen. "Ich bin fassungslos."

Horb/Freudenstadt - Es ist ein Urteil, das viele fassungslos macht: Ein 20-Jähriger vergewaltigt ein Mädchen und bekommt dafür lediglich eine Bewährungsstrafe. Auf unserer Facebookseite häufen sich die Kommentare. "Für das Opfer lebenslange Folgen und er bekommt noch Mitleid vom Richter" oder "Deutschland ist eben Täterstaat...das Opfer spielt leider selten eine Rolle" sind nur zwei Beispiele von mehreren hundert Stück. Doch stimmt es wirklich, dass der Täterschutz in Deutschlands Gerichtssälen eine größere Rolle spielt als der des Opfers?

"Früher war Opferschutz kein Thema, das ist in den vergangenen Jahren schon besser geworden", weiß Martina Kober. Sie war früher als Hauptkommissarin bei der Polizei tätig und engagiert sich seit mehreren Jahren bei der Frauenhilfe Freudenstadt. "Trotzdem kommt es nicht richtig in der Justiz an." Woran das liegt, darüber kann sie nur spekulieren. "Ich weiß nicht, inwiefern das Thema in der Ausbildung von beispielsweise Staatsanwälten verankert ist. Ich glaube, manchmal vergessen sie den Opferschutz vor lauter Juristerei."

Über den Fall des vergewaltigten Mädchens in Horb kann sie deshalb nur den Kopf schütteln. "Ich bin fassungslos." Zwar war das Vorstandsmitglied der Frauenhilfe nicht beim Prozess dabei und hat daher nur einen groben Überblick über die Fakten, jedoch erkenne sie daraus absolut keinen Opferschutz, betont sie.

Täter bekommt Therapie bezahlt

Generell gebe es für Geschädigte die Möglichkeit, über ihren Verteidiger eine Zeugenbegleitung zu beantragen. "Die bereitet denjenigen dann auf den Prozess vor und fängt ihn auf, nachdem die Aussage gemacht wurde", erklärt Kober. "Gerade das Auffangen nach dem Prozess ist ganz wichtig." Die ehrenamtlichen Zeugenbegleiter sind speziell ausgebildet und werden beispielsweise vom Verein zur Förderung der Bewährungshilfe in Rottweil gestellt. Ist der Zeuge durch die Betreuung stabil, komme das auch dem Gerichtsverfahren zugute, meint Kober. Denn nur dann kommen klare Aussagen zustande. Und vor allem: "Dann kommt es nicht zu einer Retraumatisierung" - also einem erneuten Erleben des Traumas. Eigentlich gäbe es auch die Möglichkeit, dass der Täter gezwungen wird, den Raum zu verlassen, wenn das Opfer aussagt. "Er könnte dann zum Beispiel per Video die Aussage ansehen, um später dazu Stellung zu nehmen", erläutert sie. Das müsse aber alles vorher beantragt werden - was offenbar im Falle der Minderjährigen in Horb nicht geschehen ist.

Kober stößt besonders bitter auf, dass der Täter eine Therapie bezahlt bekommt, das Opfer aber nicht: Das Mädchen bekommt nicht einmal Schmerzensgeld. "Was ich anbieten kann ist, dass sich die junge Frau jederzeit an die Frauenhilfe wenden kann", betont sie. "Wir lassen Frauen nicht im Regen stehen."

Am Samstag, 25. November - zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen - plant der Verein gemeinsam mit der Diakonie Horb einen Marsch durch Horb. "Dort wird das Urteil mit Sicherheit Thema sein", betont Kober.

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