Kabarettist Mike Jörg fragte im Kloster bei seinem satirischen Jahresrückblick: "Wa(h)r was?" Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Kabarett: Mike Jörg hat im Kloster alle Miseren des vergangenen Jahres scharf angerichtet und aufgetischt

Horb. Kabarettist Mike Jörg fragte am Freitagabend im Horber Kloster bei seinem satirischen Jahresrückblick auf 2017: "Wa(h)r was?"

Klar, war was! Ob’s immer wahr war, das sei mal dahingestellt. Eines ist auf jeden Fall sicher, das Jahr 2017 wird nicht wie ein Furz in der Wüste des Vergessens verschwinden und in der Mülltonne der Zeitgeschichte landen. Dafür sorgen neu gestaltete Top-Politiker wie Christian Lindner, der eloquent vor die Kameras trat und mit dem epochalen Satz, den ihm seine Werbeagentur schon Tage vorher ausgearbeitet hat –"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" – die Bildung der Jamaika-Koalition in den Gully kippte. Das bleibt dann im Gedächtnis der Wähler hängen, und "Jamaika-Aus" wird das Wort des Jahres.

Abhilfe schafft da nicht einmal Angela M., die Anästhesistin der Nation. Da kann sie noch so oft behaupten: "Ich habe nichts falsch gemacht". Die magische Rute verliert an Strahlkraft. "Diese Frau lutscht ihre Gegner regelrecht aus und wirft sie dann dem Wähler zu Fraß vor", kommentiert der Satiriker die Zusammenarbeit der SPD mit der Regierung Merkel. Gegen die Merkelsche Lähmung, die heiter bis besinnungslos macht, hilft nur der Aufstand, wie ihn die Studenten in den späten 1960er Jahren übten. Mit Schlachtrufen wie "Ho, Ho, Ho Chi Minh" ging die Jugend damals auf die Straße, erinnerte sich Jörg.

"Das Jahr 2017 war ein Jahr der Wahlen und Qualen, ein Jahr der Katastrophen und Ganoven, der Blender und Schänder, ein Jahr voller Wut", schreibt der Veranstalter, das Projekt Zukunft, in seiner Programmankündigung.

Mike Jörg greift diese besonderen Momente auf, setzt sie in Kontext mit zeitgeschichtlich relevanten Gegebenheiten und schaut natürlich auch über den großen Teich zu Donald, dem Herrscher der Welt, wie dessen Vorname aus dem Altgriechischen (oder so) zu übersetzen ist. Dass US-Donald nicht wirklich ein Fan von Klimagipfel und Co. ist, das ist bekannt. Jetzt lieferte er auch die schlüssige Begründung dafür. In Washington hat’s geschneit, New York erstickt in Schneemassen, Trump tritt vor das Weiße Haus, friert und twittert sofort: "Die Erderwärmung muss schnell kommen." Logisch.

Aber nicht nur mit Scherzchen über den netten Herrn aus den USA holt Jörg sein Publikum ab. Zahlen und Fakten sind anscheinend sein Steckenpferd, denn zu fast jedem Thema hat er beeindruckende Werte parat.

Es war ein Jahr gewaltiger Gegensätze. Während die Großen in der großen Weltpolitik an großen Schrauben drehten, haben die Kleinen an ihren kleinen Alltagsgeschichten gedreht. "Die soziale Schere in Deutschland klafft so weit auseinander wie vor 100 Jahren – Ludwig Erhard würde die Zigarre aus dem Mund fallen, wenn er das noch erlebt hätte", wusste der Chronist, der diese Art von Jahresrückblick seit 1994 macht. Weltweit haben acht Menschen so viel Geld wie 3,8 Milliarden Menschen zusammen, und in Deutschland haben 14 Familien so viel Geld wie der Rest der Bevölkerung. "Das geht auf die Dauer gewaltig schief", so des Satirikers Vorhersage.

Jörg kritisierte in seinem Zweistundenprogramm auch die Berichterstattung über den G20-Gipfel in Hamburg. "Man sah nur Kriminelle und Gipfel-Zipfel (Teilnehmer), die in zwei Tagen so viel Geld ausgaben oder Schaden anrichteten, wie die halbe Elbphilharmonie gekostet hat. Von den echten 20 000 Demonstranten sah man kein einziges Bild." Er fraß sich durch den Fleischberg aus 26 Million Hühnern, 37 Millionen Puten und 78 Millionen Schweinen die 2017 in Deutschland geschlachtet wurden, und wunderte sich, dass trotz Verbot von Rüstungsexport aus Deutschland die größte Menge an Kleinwaffenmunition in alle Herren Länder geht. "Die Hälfte davon nach Mexiko, die doch gar keine Biathlon-Mannschaft haben, dafür pro Tag 66 Morde." Jaja, Geld regiert die Welt.

Mike Jörg zog eine Jahresbilanz voller Heiterkeit, voller Nachdenklichkeit, voller Ironie, aber auch voller Ermutigung und Zuversicht. "Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her", tröstete er. Und wenn man sich nun Angela im Nachthemd mit Zipfelmütze und Kerze vorstellt, dann zieht wieder das Grauen übers Land. Aber darüber berichtet Mike Jörg dann im kommenden Jahr, wenn er wieder fragt: "Wa(h)r was?"