Freizeit: Musikverein spielt ungewöhnliche Ständchen

Ungewöhnliche Zeiten inspirieren zu ungewöhnlichen Aktionen. Das dachten sich auch die Verantwortlichen des Musikvereins Obertalheim und luden ihre Musikanten zu einer Art spontanem Ständles-Flashmob auf die Freifläche hinter die Steinachtalhalle ein.

Horb-Talheim. Am Samstagfrüh st and die Idee im Raum, am Sonntagabend, kurz nach 18 Uhr, war die Umsetzung schon zu hören.

Hintergrund für diese besondere Aktion war die Tatsache, dass in den nächsten Wochen einige Mitglieder runde Geburtstage feiern. Darunter auch das Ehrenmitglied des Vereins, Josef Ade, der am kommenden Montag eigentlich seinen 80. Geburtstag in großer Runde feiern wollte. Diese Party muss aber wegen dem Coronavirus ausfallen, und noch nicht einmal ein Ständle hätten ihm "seine" Musiker an seinem Ehrentag spielen dürfen. Nun bekommt er halt eine extra eingespielte Tonkonserve samt Videofilm, die von Thomas Jungwirth aus dem Vorstandstrio aufgenommen, gefilmt und geschnitten wurde.

"Natürlich ist das kein Ersatz für ein live gespieltes Ständle", betonte der musikalische Leiter des Obertalheimer Oberstufenorchesters, Dirigent Thomas Teufel, "aber es ist ein Zeichen, dass man auch in besonderen Zeiten aneinander denkt", ergänzte er.

Um alles richtig zu machen, hatten sich die Verantwortlichen auch erkundigt, was zu beachten ist, damit sie ihre angemeldete Aktion durchführen dürfen. Im Wesentlichen war eigentlich nur auf den bekannten Sicherheitsabstand zu achten, und deshalb spielten alle Musikerinnen und Musiker aus ihren Fahrzeugen her aus, die mit einem Mindestabstand von gut zwei Metern aufgestellt waren. Dadurch wurde so manche Kofferraumklappe zum zusätzlichen Schalltrichter, der mitgebrachte Anhänger samt Stuhl zum prima Sitzplatz für den Mann an der Kontrabasstuba oder der Motorroller zum erhöhten Aussichtsplatz für den Trompeter.

Mit einer Kurzfassung der "Ode an die Freude", dem letzten Satz der neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven, eröffneten die rund 30 Instrumentalisten dieses Spontankonzert. Doch schon nach dem Marsch "Wir grüßen mit Musik" musste der Dirigent das geplante Repertoire ein wenig kürzen, da diese Art von Straßenmusik aus dem Fahrzeug heraus nicht nur völlig ungewohnt, sondern auch technisch fast nicht realisierbar war. Thomas Teufel hatte sich zum Dirigieren zwar strategisch günstig auf dem grünen Hügel hinter der Halle postiert, doch die Musiker hörten ihre Mitmusikanten nur schwer, und das auch noch mit zeitlicher Verzögerung. "Die Schlagwerker sollen lauter spielen", forderten die Klarinetten "damit wir wenigstens ein wenig im Takt bleiben können." Das ging aber nicht, und aufgrund der Gegebenheiten strich Teufel kurzerhand die etwas schwierigeren Stücke "Gute Reise", das von seinem Vater und Ehrendirigent des MVO, Alfons Teufel, komponiert worden war, und den "Geburtstagsgruß" und ersetzte sie durch zwei andere Kompositionen.

Für die teilnehmenden Mitglieder des Musikverein Obertalheim war es, ebenso wie für ein paar zufällig vorbeikommende Spaziergänger, eine willkommene, sehr kurze, musikalische Auszeit aus dem Corona-Hausarrest, doch irgendein Anwohner witterte einen Verstoß gegen das Versammlungsverbot und rief die Ordnungshüter auf den Plan. Der Herr mit der Weste des Ordnungsamtes über der Freizeitbekleidung zeigte sich jedoch sehr kooperativ. Dies auch aus dem Grund, dass sich die Musikanten so schnell wie sie gekommen waren, wieder vom Spielort entfernten. "Das ist das trockenste Ständle, das wir je gespielt haben", war sich einer der Oldies vom Musikverein sicher, doch auf das Mitführen von Getränken und das kollegiale Anstoßen hatte man bewusst verzichtet und sich nur auf den klanglichen Moment konzentriert. Dieser besondere Flashmob könnte Schule machen. Er zeigt, dass mit etwas gutem Willen auch in einer herausfordernden Zeit vieles möglich ist.