Familie mit sechsmonatiger Frist gekündigt. "Schlupfloch" im Bürgerlichen Gesetzbuch. 

Horb - "Wir sind erschüttert, dass niemand diesen Paragrafen kennt", sagt Stefan Maier, der eigentlich anders heißt. Er wohnt mit seinen betagten Eltern im Raum Horb zur Miete. Mitte August 2018 wurde der Familie ohne Begründung mit sechsmonatiger Frist gekündigt. Jetzt haben die Maiers viel Ärger und hohe Kosten am Hals.

In Anzeigen werden sie gerne in blumigen Worten als "ruhige Einliegerwohnung in gepflegtem Zweifamilienhaus" beworben: Wohnungen, die gerade im ländlichen Raum nicht selten sind. Denn das Modell Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung ist recht alt. Wikipedia informiert: "Ursprünglich dienten Einliegerwohnungen zur Vermietung an die auf Bauernhöfen beschäftigten Landarbeiter, die sogenannten Einlieger. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in Deutschland durch das 1. Wohnungsbaugesetz der Einbau von Einliegerwohnungen in neue Einfamilienhäuser vorgeschrieben, um den Wohnungsmangel zu beheben (...)."

Einen Wohnungsmangel anderer Art gibt es inzwischen wieder – und wer in einer Einliegerwohnung zur Miete lebt, hat ein höheres Risiko, gekündigt zu werden und so schnell keine vergleichbare Wohnung mehr zu finden.

Genau so geht es den Maiers, und sie können sich nicht erklären, wieso es so weit gekommen ist. "Wir zahlen Miete, sind ruhig, haben alle rechtlichen Vereinbarungen eingehalten", berichtet Maier. Trotzdem muss die Familie ausziehen – der Vermieter sitzt rechtlich am längeren Hebel.

Familie ahnte nichts Böses

"Ich konnte es zuerst nicht glauben", schildert Maier, dem es jetzt darum geht, potenzielle Betroffene auf dieses "Schlupfloch" im Bürgerlichen Gesetzbuch aufmerksam zu machen, das eine Vielzahl von Mietern betreffen könnte.

Als die Familie im Jahr 2015 den Mietvertrag unterschrieb, ahnte sie nichts Böses. Die Maiers waren froh, die geeignete Wohnung gefunden zu haben und sahen anfangs keine Gründe, die einem friedlichen Mietverhältnis im Wege stehen. Dass sie als Einzige gemeinsam mit ihrem Vermieter unter einem Dach leben sollten, störte die Maiers nicht, erregte keinen Verdacht. Auch der Preis von rund 820 Euro monatlich inklusive Nebenkosten sprach für die Wohnung.

Doch dann begann der Streit. Zuerst ging es um die Nutzung der Kfz-Stellplätze, dann um angebliche Manipulationen in der Wohnung. Schließlich erfuhren die Maiers, dass sie nicht die ersten Mieter sind, die in diesem Haus Probleme haben. Mit Schikanen und sogar Bedrohungen sei es weitergegangen. "Wenn Sie das mitgemacht hätten, was wir mitmachen, dann wären Sie auch mit einer Notunterkunft zufrieden", schildert Maier das Zusammenleben mit dem Vermieter, das er als Psychoterror empfinde. So habe der Vermieter immer wieder Vorwände gefunden, um in die Wohnung der Maiers zu gelangen. "Wir werden nur noch unter Druck gesetzt und gedemütigt." Stefan Maier erinnert sich an ein Gespräch im Rathaus: "Dort sagte man mir, jede Gemeinde hat halt einen Dubel, und Sie haben Pech, dass Sie an den geraten sind." Überall bekam er den gleichen Ratschlag: Am besten klein beigeben und ganz schnell ausziehen – denn mit diesem Vermieter habe man nichts als Ärger.

Dabei könnte die Kommune ausgerechnet bei diesem Hauseigentümer vermeiden, dass es zu weiteren Miet-Konflikten kommt. Laut baulichen Regeln, die für das Gebiet gelten, dürfte diese Wohnung gar nicht vermietet werden. Allerdings wird die Vermietung von der Gemeinde stillschweigend geduldet, und ob vermietet wird oder nicht, lässt sich obendrein schwer kontrollieren.

Die Maiers sehen sich jetzt als die Leidtragenden, die gleich doppelt ins Fettnäpfchen getreten sind und die Folgen tragen müssen. Sie müssen nicht nur umziehen, sondern sich auch noch mit den Forderungen des Vermieters befassen, dessen Rechtsanwalt die Beschwerden der Maiers abweist und sie mit Gegen-Vorwürfen der Vermieter überzieht: Stellplatz falsch genutzt, Türen offen gelassen, Reinigungspflichten verletzt...

Rechtliche Chancen stehen schlecht

Die Maiers haben 2015 eine Maklergebühr für die Vermittlung der Wohnung sowie eine Kaution bezahlt – Geld, das jetzt futsch ist, befürchtet Stefan Maier. Jetzt müsse die Familie im Gegenteil wieder einen Umzug finanzieren, gar nicht zu reden vom Rechtsstreit, der bestenfalls in einer Interessenabwägung endet.

Richtiggehend entsetzt waren die Maiers aber erst, als sie erfuhren, wie schlecht ihre rechtlichen Chancen stehen. "Da gibt es in einem Rechtsstaat solch einen Paragrafen, dem man schutzlos ausgeliefert ist."

Weder Mieterbund noch Rechtsanwalt konnten ihnen in dieser Sache Hoffnung machen. Das "Schlupfloch" im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist zu eindeutig. Es heißt: "§ 573a Erleichterte Kündigung des Vermieters" und besagt in Absatz eins: "Ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kann der Vermieter auch kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 bedarf. Die Kündigungsfrist verlängert sich in diesem Fall um drei Monate."

Das dicke Ende könnte für die Maiers noch kommen. Denn sie haben noch keine neue Wohnung in Aussicht und stehen, so berichtet Maier, vor einer existenzbedrohenden Situation. "So droht uns im schlimmsten Fall der Umzug in eine Sozialwohnung, etwas das mit dem Fortgeschrittenen Alter und dem gesundheitlichen Zustand meiner Eltern nicht im Geringsten vereinbar ist."