Horb einen Tag nach dem Triumph: Arbeiten nach dem Siegesrausch. Alltag ohne Weltmeisterschaft und das Warten auf Vier-Sterne-Trikots.

Horb - Das WM-Finale und der Tag danach: Wie schwer fiel das Arbeiten? Haben wir Kalorien verbraucht beim Mitfiebern? Wie schaffen wir den Schritt in den Alltag ohne WM? Müssen wir noch über den Schiri meckern? Wir betrachten den Siegestaumel aus unterschiedlichen Blickwickeln und lassen Experten sprechen.

Gute Vorbereitung in der Backstube Gute Vorbereitung: Die Bäcker bei Sauer haben vor dem WM-Spiel schon einiges für ihre Kollegen der Nachtschicht vorproduziert. "Damit die Jungs das Spiel entspannter genießen können", sagt Alex Rau, der selbst in der Backstube arbeitet. "So konnten die Kollegen einen Zwischenstopp einlegen, um das WM-Spiel auf dem Rauschbart zu schauen", sagt er. Die Stimmung ist auch gestern in der Backstube noch ausgelassen: "Wir sind Weltmeister!", ruft Rau ins Telefon und freut sich über den Erfolg. u WM-Stimmung bei Bosch Rexroth In Horb bei der Firma Bosch-Rexroth wurde das Finale wie alle Deutschland-Spiele auf einem großen Bildschirm in der Kantine übertragen. Die Mitarbeiter konnten ausstempeln und dort den nervenzehrenden WM-Krimi verfolgen. Betroffen waren ein paar Duzend Mitarbeiter der Nachtschicht. Ursula Barwig aus dem Sekretariat der Werksleitung sagt über den Tag nach dem großen Sieg: "Die Stimmung ist gelöst, die Damen haben ihren Schmuck gegen Deutchlandketten getauscht, viele Kollegen sind im Trikot gekommen. Man spürt heute den Stolz über den Titel."

 Warten auf die neuen Trikots bei Neckar Sport Inhaberin Constanze Kittel hat nur noch wenig WM-Ausstattung im Laden hängen. Nur noch einzelne Hosen und Trainingsshirts seien übrig. "Der Abverkauf war gigantisch", sagt sie. Eine letzte Lieferung vom Freitag habe sie am Samstag komplett verkauft. Am Morgen nach dem Finale haben sich schon viele Fans bei ihr gemeldet, die das neue Trikot mit dann vier Sternen haben wollen. Dafür müssen sie sich aber noch etwas gedulden, sagt Kittel: "Die neuen Trikots kommen erst Anfang August."

Auf der Suche nach dem vierten Stern Wo kriege ich in Horb den vierten Stern auf mein Deutschland-Trikot? Der Hersteller Adidas will ab Donnerstag die neuen WM-Trikots mit vier Sternen ausliefern. Soll 85 Euro kosten. Kann man sich das Geld auch sparen? Oliver Pollok, Inhaber der Firma Offiflock: "Wer sein vorhandenes Trikot mit dem vierten Stern schmücken will, hat zwei Möglichkeiten: Aufflocken oder aufsticken lassen."

Soll ich jetzt die Oma fragen, ob sie mir den Stern aufstickt? Gila Höpfer von der Nähgruppe des Rittervereins: "Davon würde ich abraten. Wenn das von einer Maschine gemacht wird, sieht der vierte Stern noch echter aus. Leider haben wir im Ritterverein keine solche Maschine."

 Alltag ohne WM: Trauergefahr Fast jeden Tag Fußball. Ein tolles Gemeinschaftsgefühl mit Freunden und anderen Fußballfans – und nun kommt das Nichts? Viele Fans fragen sich: Wie kann ich das ohne Fußball-WM aushalten? Christa-Maria Burr, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Hirrlingen, kann das nur bestätigen. "Es ist so, dass sich viele mit der Mannschaft und einzelnen Spielern identifizieren. Als Psychoanalytikerin versuche ich selbst, mein eigenes Verhalten zu kapieren. Man fühlt mit, wenn man beispielsweise Özil sieht und ihm endlich ein gutes Spiel wünscht. Das lenkt dann natürlich von eigenen Problemen ab. Auch sind viele Fans ganz erfüllt von dieser Gemeinschaft beim Public Viewing oder beim gemeinsamen Abend mit Freunden. Nach der WM kann es dann zu einer Phase der Trauer kommen. "Viele fühlen sich einsam. Deswegen ist es besser, die Trauer gemeinsam zu verarbeiten. Zum Beispiel mit neuen Freunden, die man beim Public Viewing gewonnen hat", rät Christa-Maria Burr.

 Fußballschauen macht nicht schlank Der WM-Krimi hat gestern an den Nerven der Zuschauer gezerrt – zwar haben gestern Abend vermutlich nur elf Deutsche Sport gemacht, aber greift der Körper bei so viel Aufregung vielleicht aber auch Fettpölsterchen der Zuschauer an? "Die Herzfrequenz schießt nach oben, da verbrennt man schon die ein oder andere Kalorie mehr", sagt Sven Bach, Ernährungsberater aus Horb. "Ich geh davon aus, dass die meisten aber nebenbei was essen oder trinken, und zwar sicher nicht nur sauren Sprudel."

Die Kalorienbilanz sei daher vermutlich eher positiv und damit ernüchternd. Auch er habe mit Freunden gegrillt beim privaten Public Viewing in der Garage. Kurios findet Bach, dass man in der Extase nach einem Tor alles um sich herum vergesse und ausblende. Nach Götzes Treffer sei er aufgesprungen und prompt über eine Bank gestolpert. Den Weltmeistertitel hat er dann mit aufgeschlagenen Schienbeinen gefeiert, was die Freude für ihn aber nicht getrübt hat.

 So schlecht war der Schiri doch gar nicht 46 Jahre Schieds- und Linienrichter, 1800 Einsätze – da kann sich Karl Gaus ruhig mal ein Urteil über die Schiedsrichterleistung von Referee Nicola Rizzoli beim WM-Finale erlauben. Die Empfinger Schiedsrichterlegende hat unter anderem sechs Jahre Zweite Bundesliga gepfiffen und war als Linienrichter im Europapokal-Finale zwischen RSC Anderlecht und Austria Wien im Mai 1978 im Einsatz. "Ich war mit der Leistung von Rizzoli zufrieden", sagt Gaus vielleicht zur Überraschung einiger Fans. Denn Rizzoli war auch von Fernsehkommentator Tom Bartels das eine oder andere Mal scharf kritisiert worden. Doch der 77-jährige Empfinger sagt: "Der Schiedsrichter wollte nicht durch eine zweifelhafte Entscheidung das Ergebnis beeinflussen. Außerdem hatte die deutsche Mannschaft auch Glück. Denn Manuel Neuers Einsteigen in der einen Szene hätte auch zur roten Karte führen können." Der Druck für einen Schiedsrichter sei in einem Finale enorm groß. Gaus muss es wissen. Bei seinem Europapokal-Finale wurde das Spiel in 72 Länder übetragen.