Der Winterdienst in Aktion. Foto: © Pe-foto – stock.adobe.com

Gemeidnerat stoppt experiment. OGL-Stadträte sind "entsetzt" über Ergebnis.   

Horb - Stellen Sie sich vor, im Radio hören Sie die Glatteiswarnung. Und die Artur-Fischer-Straße in Altheim, die Kernerstraße in Bildechingen oder die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Dießen und Bittelbronn werden nicht gestreut. Dieses Experiment hat der Gemeinderat jetzt gestoppt.

Es geht um den Winterdienst. Die Jungs (und vielleicht auch Mädels), die frühmorgens dafür sorgen, dass alle Autofahrer sicher zur Arbeit kommen. Das Rathaus hatte im Gemeinderat vorgeschlagen, die Räumung und Streuung der Straßen in der Kategorie 3 in dieser Saison auszusetzen. Zugeständnis an die OGL, die weniger Streusalzeinsatz gefordert hatte.

Rosenberger stimmt gegen eigenen Beschlussvorschlag

OB Peter Rosenbeger: "Ich habe lange drüber nachgedacht. Wir hatten eine intensive Vorberatung. Ich habe diesen Vorschlag als Möglichkeit gesehen, der OGL entgegenzukommen. Doch nachdem klar war, dass die OGL grundsätzlich bei ihrem Ansatz bleibt, wird es das erste Mal sein, dass ich gegen meinen eigenen Beschlussvorschlag stimmen werde." Albrecht Dietz (SPD): "Als ehemaliger Ortsvorsteher von Ihlingen kann ich nur sagen: Ihlingen hat keine Möglichkeit, dass Bürger bei wenig Schnee ohne Streuen hoch oder runter kommen. Wenn der Bauhof nicht schnell da ist – wie fast immer – gibt es gleich Anrufe auf dem Rathaus!" In Ihlingen wären Osterglockenweg, Im Hopfengarten und Burghalde aus dem Winterdienst rausgefallen.

Kristina Sauter von der OGL verteidigte den Antrag: "Die Kosten für den Winterdienst sind in Horb wesentlich höher als in anderen Städten. Wir haben festgestellt, dass der rechtliche Hintergrund die intensive Winterdienst-Praxis in Horb nicht hergeben. Dort wird von der Räum- und Streupflicht nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Straßen, an Gefällstrecken und an Einmündungen gesprochen. Von diesen Straße der Kategorie eins hat es in Horb 45,81 Kilometer. Das Streuen von innerörtlichen Haupterschließungsstraßen ist eine freiwillige Leistung. Viele Städte verzichten darauf. Horb nicht. Das sind 51,5 Kilometer. Bei Straßen der Kategorie 3 verzichten fast alle Städte auf den Winterdienst. In Horb sind das 98,72 Kilometer. So ist es kein Wunder, dass der Winterdienst in Horb so extrem teuer wird!" Dann verliest Sauter noch ein Schreiben einer Zeitungs-Zustellerin: "Bei uns im Naturschutztal in Dießen sollte doch nicht so viel Salz verwendet werden."

Sauter kritisiert auch die Erhöhung der Vorhaltepauschale (1500 Euro mehr pro Fahrzeug) für die privaten Unternehmen, die beim Streudienst helfen: "Da kann man doch einiges sparen. Die Kosten, die Horb für einen milden, fast schneelosen Winter in Höhe von 400.000 Euro trägt, sind unseren Meinung nach zu hoch. Nagold hat in etwa dieselbe Einwohnerzahl und Gemarkungsgröße wie Horb und hat nur etwas mehr als ein Viertel der Kosten. Wir sind entsetzt, dass das die Fraktionen im Ausschuss nicht so sehen. Wir finden, das ist eine Frage, die auch in die Haushaltsstruktur-Kommission gehört."

Die soll jetzt Sparmaßnahmen vorschlagen. Das Gremium hat zum ersten Mal am 14. September getagt. Im Gespräch unter anderem Kürzungen bei den Ortschaftsverwaltungen.

CDU-Fraktionschef Michael Keßler: "Ohne die privaten Unternehmen hätten wir erheblich höhere Kosten für den Winterdienst. Wir würden acht zusätzliche Fahrzeuge und acht Fahrer zusätzlich benötigen. Auf Straßen der Kategorie 3 nicht mehr zu streuen – dem stimmen wir nicht zu. Da entstehen nur 15 bis 20 Prozent der Kosten. Wir wollen nicht Menschen belasten, die zur Arbeit wollen oder aufs Milchauto warten. Wir lehnen solche Experimente und Gesundheitsgefährdungen ab!"

ULH-Stadtrat Hermann Walz (selbst Paketzusteller): "Es sind Steuerzahler, die täglich zur Arbeit fahren müssen. Was wäre, wenn es knallt? Zahlt dann die OGL?"

SPD-Fraktionschef Thomas Mattes: "Es sind auch Arbeiter, die früh raus müssen. Man könnte sich eher über das Streumaterial unterhalten. Dazu kommt: Es ist auch eine haftungsrechtliche Frage der Kommune, wie viel man streut."

OB Peter Rosenberger nimmt dann Stellung zum Nagold-Vergleich der OGL. Er sagt: "Wir haben doppelt so viele Gemeindeverbindungsstraßen wie Nagold."

OGL-Stadtrat Wolf Hoffmann ist ebenfalls unzufrieden: "Ich bin entsetzt, wie schwer Veränderung oftmals fällt. Wie man mit dem Winter umgeht, ist eine Frage der Gewöhnung. Dazu besteht Winterreifenpflicht. Ist es nicht Doppelmoral: Der Bürger darf den Gehweg nicht mit Salz streuen, und die Stadt haut es raus. Und ich finde es bedenklich, in Fragen der Finanzklemme, die den Kommunen durch die Corona-Folgen drohen, das Geld so zu versalzen!" Er schlägt vor, unter den Straßen der Kategorie 3 die rauszusortieren, die doch wichtige Verbindungen sind.

Kompromiss steht im Raum

BiM-Fraktionschefin Nuss schlägt einen Kompromiss vor: "Nach dem Vortrag von Frau Sauter bin ich schockiert, um wie viel Kosten es sich handelt. Wir sollten schauen, auf welchen Straßen den Kategorie 3 wirklich gestreut werden muss."

FD/FW-Fraktionschefin Margarethe Rebholz: "Man darf hier nicht nur über die Kosten reden. Die Sicherheit der Bürger kann dem nicht entgegengestellt werden."

BiM-Stadtrat Simon Jung schlägt vor, dass die Straße der Kategorie 3 nur geräumt und nicht gestreut werden. Thomas Hellener, Leiter Technische Betriebe: "Die meisten Einsätze im Winterdienst sind wegen Reifglätte. Da müssen wir streuen."

Dann wird abgestimmt. Für den Vorschlag, die Straßen der Kategorie auf Streusalz-Einsatz noch einmal zu prüfen, gibt es immerhin sieben Ja-Stimmen. Trotzdem stimmt die Mehrheit insgesamt für den bisherigen Winterdienst-Einsatz.

Übrigens: Der Einsatz von umweltfreundlichem Kaliumformat, den die OGL auch vorgeschlagen hatte, würde jährlich 60 000 Euro mehr kosten, so die Drucksache.