In Horb steht das Streusalz in der Kritik - doch gibt es eine Alternative? Foto: © Martina Berg - stock.adobe.com

Jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen. Alternative gesucht. Kaliumformiat mögliche Lösung?

Horb - Noch ist das Wetter schön, die Winterreifen lagern bei den meisten noch in der Garage oder beim Händler. Und Autofahrer hoffen, dass sie bei den ersten Minustemperaturen in Horb nicht ins Schleudern kommen. Jetzt taucht die Frage auf: Brauchen wir dafür wirklich Streusalz? Im technischen Ausschuss (VTA) am Dienstagabend steht der Winterdienstbericht auf der Tagesordnung. Oberbürgermeister Peter Rosenberger: "Wir bekommen immer wieder Anrufe aus der Bürgerschaft. Immer mehr bitten darum, dass bei ihnen vor der Haustür kein Salz gestreut wird. Man soll dort nur räumen." 

Anja Schneider, Produktverantwortliche für den Winterdienst: "Streusalz wird deshalb eingesetzt, weil es die effektivste Möglichkeit ist. Das Salz macht den Schnee mürbe, und so kann er nach dem Streuen vom Räumfahrzeug leicht weggeräumt werden." Die Streusalzdiskussion: Jeder, der schon mal das alte Hausmittel gegen Pflanzen zwischen den Fugen von Pflastersteinen eingesetzt hat, weiß: Streusalz schädigt die Pflanzen, die nach dem Streuen gelb werden und eingehen. Hundebesitzer klagen darüber, dass das Salz ihren Lieblingen arg zu schaffen macht. Die empfindliche Haut zwischen den Zehenballen entzündet sich - die Tiere leiden.

Jahr für Jahr mehr als eine Tonne Streusalz

Fakt ist auch: Im letzten Winter gab es 44 Einsatztage für den Horber Winterdienst. Dabei wurden 1096 Tonnen Streusalz auf die Straßen gebracht. Im Jahr davor waren es 47 Einsatztage mit 1166 Tonnen Streusalz. Muss diese Umweltsauerei sein?

Viviana Weschenmoser (SPD): "Streusalz ist für mich ein Thema. Ich habe einen Bericht aus Kopenhagen gelesen. Dort wird Kaliumformiat eingesetzt. Das ist umweltfreundlicher als Salz."

Was steckt hinter diesem Streumittel? Kaliumformiat wird als Streumittel auch auf Flughäfen eingesetzt. Das finnische Umweltministerium hatte im Winter 2002/2003 untersuchen lassen, wie sich Kaliumformiat auf die Grundwasserbelastung neben den Straßen im finnischen Suomenniemi auswirkt. Das Ergebnis: Die Grundwasserbelastung ging um bis zu über 40 Prozent zurück gegenüber Streusalz!

Kaliumformiat geeigneter Ersatz?

Einer der Hersteller von Kaliumformiat ist Addcon aus Bitterfeld. In einem Aufsatz schildert eine Mitarbeiterin die Vorteile. Sie schreibt: Das Mittel sei teurer als Streusalz. Allerdings: Streusalz verursache laut einer Studie der Gemeinde Grünwald bei München aus dem Jahr 2001 Schäden in Höhe von 332 Euro pro Bauwerk und 89 Euro pro Kraftfahrzeug. Zitiert wird hier auch der Umweltsenator aus Erlangen, der pro Straßenbaum – der durch Streusalz geschädigt wird – Kosten von 1300 Euro ansetzt. In einer Vergleichstabelle behauptet Addcon, dass Kaliumformiat im Gegensatz zu Streusalz noch den Vorteil hat, dass der Gefrierpunkt unter minus 50 Grad liegt. Streusalz hat nur minus 10 Grad. Dazu sei das Öko-Streumittel biologisch abbaubar und nicht giftig für Pflanzen. Zudem schone das Mittel auch noch das Material der Streufahrzeuge, weil es eine "sehr geringe Korrosivität" habe. Die Winterdienst-Produktverantwortliche Schneider: "Das werden wir recherchieren."

OGL-Stadträtin Kristina Sauter: "Streusalz klingt immer plausibel. Die Wirklichkeit ist ganz anders. Man sollte Salz nur dann einsetzen, wenn andere Möglichkeiten nicht mehr greifen. Wenn nur ein bis zwei Zentimeter Schnee fallen und man weiß, der Tag wird warm, wird Salz gestreut. Die Stadt sollte sich überlegen, wie man den Salzeinsatz noch minimieren kann. Dazu gibt es den Widerspruch zum Privatmann. Ihm ist es laut Streuordnung verboten, Salz einzusetzen. Wir als Fraktion sind dabei, uns mit anderen Städten auszutauschen. Es gibt Ortseinfahrten, da steht: Fahren auf eigene Gefahr. Kein Winterdienst!"

Jede Menge bedenken

OB Rosenberger: "Man darf die Topografie von Horb nicht vergessen. Es gibt beispielsweise Steilwege, die auf Kreuzungen zugehen. Dort wirken ganz andere Kräfte. Da muss geklärt werden, wer bei eingeschränktem Winterdienst dann haftet." Sauter: "Es ist manchmal sicherer, wenn nicht gestreut ist. Auf Schnee rutscht man nicht so."

Klar, dass es hier jede Menge Bedenken gibt. CDU-Fraktionschef Michael Keßler: "Unser Winterdienst hält das öffentliche Leben am Laufen und garantiert die Verkehrssicherheit. Dazu kommt: Eine Streutour dauert fünf Stunden – da kann man nicht spontan zwischendurch entscheiden: Ups, jetzt kommt Blitzeis, ich muss noch einmal mit Salz nachfahren."

FD/FW-Fraktionschefin Margarete Rebholz: "Bei aller Diskussion um den Streusalzeinsatz darf die Verkehrssicherheit nicht untergehen. Es kann ganz schön prekär in Städten zugehen, wo es keinen Winterdienst gibt." Das meint auch SPD-Fraktionschef Thomas Mattes: "Wir haben in Horb viele Hanglagen. Es geht um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer – deshalb sind wir im Rahmen der Sicherungspflicht gezwungen, zu handeln. Zu sagen: Man fährt auf eigene Gefahr, ist zu einfach."

Rosenberger sagte zu, dass man sich die Vorschläge ganz genau anschauen würde: "Man kann immer von anderen Kommunen lernen!"