Horb - Im Kreistag sitzt die FDP-Fraktion direkt neben der AfD. Doch gibt es nicht nur eine räumliche Nähe? Die Äußerungen des FDP-Kreisvorsitzenden Ernst Wolf beim politischen Aschermittwoch in Horb sorgen für Gesprächsstoff.

Der FDP-Kreischef hatte beim politischen Aschermittwoch ordentlich losgeledert. Was für dieses Format eigentlich nicht ungewöhnlich ist. Doch das Thema hatte es in sich. Für Wolf sind die AfD-Kreistagsmitglieder "aufrechte Männer und Demokraten", ein pragmatischer Umgang bei Abstimmungen über "Kreisverkehr & Co." sei durchaus denkbar. Außerdem sprach er von einer "feindlichen Medienlandschaft und einer staatsgläubigen Bevölkerung" sowie von einer "Diktatur der Empörung", der sich die FDP in Thüringen hätte beugen müssen.

Auch Michael Theurer, Kreistagsmitglied und Landeschef, feuerte an diesem Abend markige Worte ab: "Ich wehre mich gegen den Mainstream der Hauptstadtmedien. Die jetzt einen Antifaschismus aus Links, SPD und Grün wollen." Andreas Stark, Ortsvorsitzender FDP Freudenstadt, erklärte: "Ich habe Erfurt immer noch nicht verdaut. Es kann nicht sein, dass man die Bürger, die AfD gewählt haben, permanent verurteilt."

So mancher Besucher der Veranstaltung zeigte sich danach baff. Ein Teilnehmer, der nicht namentlich genannt werden möchte, meldete sich einen Tag später in unserer Redaktion: "Ich bin schockiert. Das ist nicht meine liberale Meinung. Das ist nicht mehr meine FDP."

Am Tag danach ist Michael Theurer bemüht, die Äußerungen von Wolf einzuordnen. Er selbst sei erst später zur Veranstaltung gekommen, weil er zuvor in Blumberg geredet habe. Er habe die Begrüßung des Kreischefs nicht gehört, aber er sei darüber informiert worden. Für ihn sei klar: "Es darf keine Zusammenarbeit mit der AfD auf allen Ebenen geben – auch auf Kreisebene nicht." AfD-Kreisrat Richard Koch sei beispielsweise zwar ehemaliger FDP-Mann, habe sich aber "radikalisiert", besonders was die Migrationspolitik angehe. "Deshalb allein ist eine Zusammenarbeit auszuschließen."

Ist Wolf für ihn als Kreischef nun angezählt? Theurer antwortet: "Die Äußerungen sind unglücklich. Wir werden im Kreisvorstand über dieses Thema sprechen." Für ihn stehe außer Frage, dass sein Parteikollege "fest auf dem Fundament der FDP steht".

Ebenfalls vor Ort war auch Landtagsabgeordneter Timm Kern, der sich an diesem Abend am deutlichsten von der AfD distanzierte. "Ich habe da eine andere Position als Ernst Wolf. Ich selbst stehe für eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD."

Doch wie beurteilen andere FDP-Politiker den politischen Aschermittwoch der FDP in Horb? Die Bundes-FDP reagierte auf unsere Anfrage bisher nicht, dafür aber der Altliberale und ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der in der Debatte nach den Geschehnissen in Thüringen zu den schärfsten Kritikern seiner eigenen Partei gehört. Erstaunliche Worte in Horb? Baum antwortet: "Das ist in der Tat erstaunlich und erschreckend. Da wird offenbar ohne ein Wort der Selbstkritik an einer Opferlegende gestrickt. Die Demokraten stehen in großer Mehrheit aus Überzeugung zusammen und nicht weil die Hauptstadtpresse das will. Wer Höcke wählt, wählt einen Mann, der Nazi-Ideologie vertritt. Was soll denn die Kritik an einem angeblichen Antifaschismus von links? Gehört Söder auch dazu?"

Auch Vertreter anderer Parteien im Kreis üben Kritik an Wolfs Äußerungen. Horbs OB Peter Rosenberger, für die CDU im Kreistag, bewertet die AfD-Mitglieder im Gremium sehr kritisch: "Die Inhalte ihrer meisten Fragen im Kreistag lassen Ausländerfeindlichkeit durchscheinen." Eine Zusammenarbeit sei deshalb vollkommen ausgeschlossen.

Jerome Brunelle, Vorsitzender des SPD-Ortsverbandes, geht noch weiter (siehe auch Leserbrief unten). Er fordert Wolf zum Rücktritt als FDP-Kreisvorsitzender und zur Rückgabe des FDP-Parteibuchs auf. Er bezeichnet die Äußerungen Wolfs als "schönsten AfD-Sprech".

Ein anderer Kreisrat, der namentlich nicht genannt werden will, sagt: "Wenn Herr Theurer öfter im Kreistag anwesend wäre, wüsste er, dass Herr Wolf auch bei seinen Wortbeiträgen oftmals kaum von AfD-Leuten zu unterscheiden ist."

Leserbrief: "Diesen Unsinn höre ich bisher immer nur von der AfD"

Überall in Deutschland wird über den fürchterlichen rechtsradikalen Anschlag in Hanau gesprochen. Elf Menschen aus unserer Mitte wurden brutal aus ihrem Leben gerissen. Warum? Weil sie Migrationshintergrund hatten.

Und dann war da noch Thüringen. Wir erinnern uns: Dort war sich ein FDP-Politiker nicht zu schade, sich von der rechtsradikalen AfD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Ein unverzeihlicher Fehler, den Christian Lindner anschließend wortreich irgendwie einzufangen versucht hat. Konnten wir alles in der Zeitung lesen, im Radio hören, im Fernsehen sehen. Offensichtlich hat Ernst Wolf, immerhin zum Kreisvorsitzenden gewählter FDP-Politiker, die Diskussion nicht so wirklich verstanden. Und Michael Theurer auch nicht.

Da stellt sich also Wolf hin und sagt folgenden Satz: "Im Kreistag sitzen für die AfD gestandene Männer und Demokraten."

Na dann zitiere ich mal den "gestandenen Demokraten" Björn Höcke von der AfD: "Wir müssen klar immer wieder darauf hinweisen, dass Merkel nicht das Problem ist, sondern dass sie der Kopf eines stinkenden Fisches ist… dass nicht nur Merkel weg muss, sondern dass das Merkel-System weg muss […] und dieses Merkel-System sind sämtliche Kartellparteien, die es nicht gut mit diesem Land meinen."

Die AfD fordert also nichts anderes als die Abschaffung der Demokratie und Herr Wolf meint allen Ernstes in der AfD sitzen aufrechte Demokraten.

Oder der Parteichef der AfD, Alexander Gauland sagte: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Ein anderes Mal bezeichnet der Parteichef der AfD unsere Bundeskanzlerin als Kanzlerdiktaktorin. Ich dachte eigentlich sie sei vom deutschen Bundestag gewählt worden…

Und Sie, Herr Wolf, bezeichnen Politiker der AfD als "gestandene Demokraten"? Doch damit nicht genug. Bei der gleichen Veranstaltung bezeichnet Herr Theurer die Berichterstattung über die Vollkatastrophe in Thüringen als "Mainstream der Hauptstadtmedien". Schönstes AfD-Sprech. Und Herr Wolf verunglimpft die freie Presse als feindliche Medienlandschaft und die Bevölkerung als staatsgläubig. Diesen Unsinn hörte ich bisher immer nur von der AfD.

Auch die AfD, so wie offensichtlich auch die Kreis-FDP, möchte keine kritischen Medien. Wenn man halt mit Faschisten in einem Parlament paktiert, dann ist es halt irgendwie blöd, wenn die Medien berichten, dass man mit Faschisten paktiert.

Und dann werden die Linken natürlich noch munter in einen Topf mit den Rechtsradikalen geworfen und die fürchterlichen Taten in den letzten Wochen und Monaten einfach so mal eben relativiert.

Herr Wolf, sie sollten sich schämen! Sie sollten ehrlich sein und als FDP-Kreisvorsitzender zurücktreten. Und sie sollten ihr FDP-Parteibuch zurückgeben. Die AfD würde sich bestimmt riesig über ihre Mitgliedschaft freuen!

Dann werden sie vom Steigbügelhalter zum vollwertigen Mitglied der AfD. Ganz ehrlich Herr Wolf: Ihre Politik widert mich zutiefst an! Anders als Ihnen ist mir die Brandmauer zu den Nazis schützenswert. Sie haben sie eingerissen. Schämen sie sich!

PS.: Ich bin Geschichtslehrer. Ich unterrichte in der 9. Klasse das Ende der Weimarer Republik und den Beginn der Nazi-Diktatur. Ich gebe Ihnen gerne mal eine private Geschichtsstunde. Bringen sie Herrn Theurer mit!

Jerome Brunelle, Vorsitzender SPD-Ortsverband, Horb

Leserbrief: Abgrenzung gegen Rassisten sieht anders aus

Das TV-Magazin Kontraste berichtet am Donnerstagabend über die Zusammenarbeit von FDP und AfD in mehreren Parlamenten. Am gestrigen Freitag dann der Bericht im Schwarzwälder Boten über den Politischen Aschermittwoch der FDP in Nordstetten. Da fallen Begriffe wie "Diktatur der Empörung", "feindliche Medienlandschaft" und "staatsgläubige Bevölkerung". Das ist AfD-Sprache, derer sich der Kreischef der FDP bedient. Mit solchen Worten versucht sonst die AfD, Stimmung gegen Medien, Politik und die moderne Gesellschaft zu machen.
 

Da wundert es nicht, dass in der Veranstaltung die Kreismitglieder der AfD als "gestandene Männer und Demokraten" bezeichnet werden. Abgrenzung gegen Rechts und gegen Rassisten sieht anders aus!

Auch die mehr oder hilflose verbale Rettungsaktion von Michael Theurer in der abschließenden Diskussion ging völlig daneben. Es wäre falsch, den Abgeordneten Kern und Theurer ihr Engagement für eine offene Gesellschaft abzusprechen, aber so klar deren Position normal ist, so unklar ist die Haltung in der Partei insgesamt. Faschismus wird gefährlich, wenn die Konservativen sind nicht deutlich von ihm abgrenzen, sagt uns die Geschichte.

Frercks Hartwig, Horb-Dettingen