Sie gaben Auskunft über die PCB-Belastung (von links): Rektor Jochen Lindner, PCB-Spezialist Martin Kessel, Landkreis-Architekt Gerhard Meyer und Josef Bendak, Leiter des Gesundheitsamtes. Foto: Hopp

Info-Veranstaltung zur PCB-Belastung an Horber Berufsschule. Experten beruhigen Betroffene. Sanierung steht bevor. 

Horb - Wie stark ist die Belastung für Berufsschüler in der gewerbliche Schule? Im ersten und zweiten Stock des B-Blocks wurden erhöhte PCB-Werte festgestellt. Schüler und Eltern wurden über den aktuellen Stand bei einer Info-Veranstaltung am Mittwochabend aufgeklärt.

Gerhard Meyer, Architekt des Landkreises, dem die Schule gehört: "Demnächst messen wir die Raumluft in den betroffenen Räumen unter Nutzungsbedingungen." Doch die größte Sorge der Lehrer und Eltern auf der gut dreieinhalbstündigen Informationsveranstaltung in der Aula am Mittwoch lautet: "Wie gefährlich ist PCB für die Gesundheit?"

Der B-Block. Gebaut Anfang der 70er-Jahre. Drei Stockwerke mit Klassenzimmern, Werkstatträumen und dem Ausbildungszimmer für Pflegekräfte. Er ist zum Problem-Block geworden.

Denn: Im Rahmen des Formaldehyd-Alarms an den landkreiseigenen Roßberg- und Pestalozzischulen in Horb hat der Landkreis Messungen in allen Schulen und Sporthallen angeordnet. In der Berufsschule in Horb wurde bei der Messung in Raum B 127 zwar auch Formaldehyd gefunden, aber mit 121 Mikrogramm/Kubikmeter Raumluft minimal über dem Richtwert. Dafür ist hier im ersten Stock die PCB-Belastung mit 7185 Nanogramm/Kubikmeter Raumluft weit über dem Eingriffswert von 3000 Nanogramm. Als unbedenklich gelten 300 Nanogramm. Zumindest eine kleine Entwarnung gab es schon in einem Schreiben des Landrats an die Schüler und Eltern: Bei acht Stunden, die der schulischen Situation entspreche, dürfe der Wert von 9000 Nanogramm pro Quadratmeter Raumluft nicht überschritten werden.

Martin Kessel ist PCB-Spezialist der Consultant-Firma Arcadis und beruhigte am Mittwochabend: "Wir haben diese Messungen unter Worst-Case-Bedingungen gemacht. Unter Nutzungsbedingungen, so zeigt die Erfahrung, dürften die PCB-Werte niedriger sein."

Denn: Sofort nach Bekanntgabe der Alarm-Werte hat Schulleiter Jochen Lindner sofort die Hausmeister angewiesen, morgens vor Unterrichtsbeginn und abends den B-Block durchzulüften. Dazu wird täglich feucht gereinigt, um die PCB-Ablagerungen zu entfernen. Ferner werden die Schüler und Lehrer angewiesen, nach dem Unterricht zu lüften.

Lindner: "Wir haben es außerdem durch Umorganisation geschafft, dass sechs der betroffenen Räume fast durchgehend unterrichtsfrei sind. Dafür werden die Schüler jetzt in anderer Räume gequetscht – doch das kann kein Dauerzustand sein!"

Doch wie gefährlich ist das PCB? Josef Bendak, Leiter des Gesundheitsamtes Freudenstadt: "Die polychlorierten Biphenyle entwickeln anders als Formaldehyd das Gesundheitsrisiko durch die langfristige Ablagerung im Körper. Die fettlöslichen Stoffe stehen laut verschiedenen Studien unter Verdacht, auch Promotoren für Krebs zu sein. 90 Prozent der PCBs, die der Mensch aufnimmt, kommen aus fettreichen Fischen und Fleisch, weil der Stoff, der hauptsächlich als Weichmacher eingesetzt wurde, inzwischen in Tieren und Pflanzen gelandet ist. Und der Mensch am Ende der Nahrungskette deponiert sie beim Verzehr in seinem Körper. Es gibt über 200 Formen der PCB. 13 davon gelten als ähnlich gefährlich wie Dioxin. Und auch diese Substanzen wurden in der Berufsschule in einer sechs bis sieben Mal höheren Konzentration gemessen als erlaubt."

Eine Zuhörerin fragte: "Meine Tochter hat dort Unterricht als Pflegerin. Wie gefährdet ist sie?" Bendak: "Da sie nicht 24 Stunden im Raum ist, sondern – zieht man die Wochenenden und Ferientage ab – maximal drei Stunden am Tag, ist das Risiko gleich Null."

Ein Lehrer hakte nach: "Herr Bendak, ich bin nur im B-Block eingesetzt. Können Sie mir ein Zertifikat ausstellen, dass durch diese Belastung jetzt kein zusätzliches Gesundheits-Risiko entsteht?" Bendak antwortet, dass er keine Zertifikate ausstellen könne. Während des Vortrags von Martin Kessel, der die PCB-Problematik und die nächsten Sanierungsschritte erläuterte, rechnete er aber. Dann sagt er: "Ich habe Sie beobachtet. Sie wiegen ungefähr 80 Kilogramm, atmen flach. Wenn sie sich an drei Tagen drei Stunden in den Räumen aufhalten, nehmen sie 12 Nanogramm PCB täglich über die Atmung auf, wenn 100 Prozent PCB auch ins Blut gelangen. Das entspricht 15 Prozent der täglich unbedenklichen Aufnahmemenge von PCB. Wenn Sie sich vegetarisch ernähren, kommen Sie auf 20 Prozent." u

Wann und wie wird der B-Block saniert? Kessel: "Im ersten Schritt haben wir jeweils zwei Räume in den Stockwerken gemessen. Und die Flurbereiche. Der Flur zwischen Block B und dem östlich angrenzenden Teil hat mit 880 Nanogramm auch zu hohe Werte."

 Wo kommt das PCB her? Kessel: "Die Primärquellen sind die Akustik-Deckenplatten mit 7200 Nanogramm und die Fugendichtmasse mit Werten bis zu 6400 Nanogramm. Weil PCB sich aber auch in Teppichen, auf Stühlen oder sogar in Beton absetzt, müssen wir auch die Sekundärquellen betrachten." Bei der Sanierung der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe für Kernbrennstoffe hat Arcadis festgestellt, dass das PCB sogar durch die Dekontaminierungsschicht bis zu 20 Zentimeter in den Beton eingedrungen ist.

Deshalb soll jetzt ab Mitte März die Pilotsanierung beginnen, wenn das Landratsamt den Auftrag erteilt. Kessel: "Dabei werden in zwei Räumen jeweils die Primärquellen abgebaut bzw. abgeschirmt und dann die Sekundärquellen. Dabei wird dann jeder Zustand gemessen. Das Ziel: Den prozentualen Anteil der Quellen zu ermitteln und dann die Maßnahmen für eine Kosten-Nutzen-optimierte Sanierung aufzustellen."

Wann werden die restlichen Räume im B-Block saniert? Landkreisarchitekt Meyer: "Wir haben noch nicht alle Messergebnisse der Schulen und Turnhallen vorliegen. Auch das Berufsschulzentrum Freudenstadt steht noch aus. Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr einige außerordentliche Sanierungsmaßnahmen vor uns haben." Rektor Jochen Lindner lobte jedenfalls ausdrücklich das schnelle und entschlossene Handeln von Landrat Klaus Michael Rückert als "bemerkenswert, das sticht hervor". Und Lindner hofft, "dass wir bald eine gesündere Schule haben"