Früher musste die Briefform gewählt werden, um die Liebe zu einer anderen Person über eine Distanz hinweg auszudrücken. Mittlerweile geht das auch per WhatsApp oder E-Mail. Foto: © Tobif82/Fotolia.com

Herz-Smileys zum Valentinstag: Sind Liebesbriefe aus der Mode gekommen?

Männer wie Napoleon, Goethe und Kafka schafften es noch, ihre großen Gefühle in Worte zu fassen und sie in fein säuberlichen Lettern zu Papier zu bringen. Heutzutage verschickt man Herz-Smileys per WhatsApp. Sind Liebesbriefe aus der Mode gekommen?

Schriftsteller Walle Sayer erklärt, was zu beachten ist, damit ein Liebesbrief gelingt:

 Der Autor des Briefs muss etwas zu sagen haben. Aus dem Brief muss also eine Erkenntnis für den Leser hervorgehen.

 Der Liebesbrief muss authentisch sein.

 Einen Liebesbrief schreibt man am besten von Hand. Das ist am persönlichsten und zeigt, dass sich der Autor besonders viel Mühe gegeben hat.

Horb. Als Geschäftsführer des Horber Hermann-Hesse-Kollegs sitzt Eden Volohonsky quasi an der Quelle der Jugend. Ob seine Schüler jedoch Liebesbriefe in die Heimat schicken, bekomme er nicht mit. So etwas laufe ja eher im Privaten ab. "Ich denke aber, dass Liebesbekundungen heutzutage sowieso über WhatsApp und Facebook verschickt werden", bemerkt er.

Selbst Walle Sayer, Schriftsteller aus Dettingen, schreibt keine Liebesbriefe mehr. "Ich bin seit 25 Jahren verheiratet", sagt er fast schon rechtfertigend. In der Kennenlernphase habe er seiner jetzigen Frau durchaus welche geschrieben. Dass diese Art der Liebesbekundung im Privaten jedoch völlig ausstirbt, daran glaube er nicht – trotz der Vielfalt an modernen Kommunikationsmöglichkeiten à la WhatsApp, E-Mail und Facebook. Mit Liebesgedichten kenne er sich jedoch besser aus, gesteht Sayer. "Eines der großen Themen in Gedichten ist immer die Liebe", erklärt er. So auch in seinem Gedicht "Ufer":

Wir sehen ihm nach,

dem Stein, wie er hüpft

auf dem Wasser, so

leicht aus dem Gelenk

meiner Hand, die dir

vorhin noch strich

übers Haar.

Liebesgedichte seien meist allgemeiner gehalten, sagt er, sie seien vom Verfasser oft schon dafür bestimmt, veröffentlicht zu werden. "So können Liebesgedichte jedem etwas sagen", fasst er den Unterschied zum Liebesbrief zusammen. Ein Brief sei im Regelfall nur an eine bestimmte Person gerichtet – und mehr auch nicht.

Veröffentlicht werden solche Fundstücke meist erst – wenn überhaupt – nach dem Tod der beteiligten Liebenden. Wie das beispielsweise beim Schriftsteller Berthold Auerbach aus Nordstetten der Fall war. Dieser lebte von 1812 bis 1882 und schrieb zu Lebzeiten nicht nur über die Liebe anderer. Auch er selbst verfasste gelegentlich Liebesbriefe – verbrachte er doch ohnehin einen Großteil der Zeit mit dem Schreiben, wie Agnes Maier sagt. Sie hat die Leitung des Bereichs Heimatgeschichte in Horb inne und kennt sich bestens mit dem Schriftsteller aus.

In einem Brief vom 24. Februar 1849 schreibt Auerbach an seine zweite Frau: "Jeder Tag ist für mich eine neue Offenbarung. Und du liebes gutes Kind gibst und bist mir eine neue Offenbarung des Daseins, wie ich hoffe und strebe, die mein ganzes Leben erfüllende." Eine andere Passage des Briefes lautet: "Wenn du mein bist – ich verstehe das ›Wenn‹ kaum mehr – so mußt du auch mein bester Kamerad sein." Seine Worte wirken bodenständig, der Liebesbrief nicht kitschig und dennoch ehrlich. "Auerbach war Realist, kein Romantiker", erklärt Maier daraufhin. Ein Stück weit liegt das womöglich auch daran, dass "Auerbachs erste Frau am Kindbettfieber starb", wie Maier weiß. "Er empfand eine ungetrübte Liebe zu seiner ersten Frau. Ja, er war im Liebestaumel. Seine erste Frau trug er immer bei sich, was darin resultierte, dass die zweite Frau stets an zweiter Stelle kam." Es sei eine große Liebe gewesen.

Blickt man zurück auf die Geschichte Horbs, so findet sich doch die ein oder andere große Liebesgeschichte, die sich hier abspielte. Agnes Maier meint jedoch: "Die überlieferten Liebesgeschichten gehen meistens schlecht aus." Das seien ja auch die spannendsten. "Berthold Auerbach wollte ein ernst zu nehmender Schriftsteller sein. Er verfasste Geschichten, die das Leben schrieb." Da gibt es zum Beispiel die Geschichte von Schlossbauers Vefele. "Es ist eine traurige Geschichte. Das Vefele wurde von einem Hallodri geschwängert", fasst Maier den Inhalt zusammen. Er lies das Vefele sitzen, raubte ihm sein Vermögen. Es war geächtet und versenkte sich schließlich im Neckar. Auch die Geschichten vom Lorle und die vom Tonele mit der gebissenen Wange seien Liebesgeschichten ohne happy end, die aus Auerbachs Feder stammen. Auch wenn Maier noch die Geschichte von der Kriegspfeife einfalle, die gut ausgehe, überwiegen die mit traurigem Ausgang. "Geschichten von gut endender Liebe", betont Agnes Maier, "sind dann doch eher Märchen."