Interview: Die NRW-Bildungsministerin spricht über ihre Vorstellung von "weltbester Bildung"

Horb. "Wie geht weltbeste Bildung?" ist der Titel einer Veranstaltung mit Yvonne Gebauer (FDP), Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, am heutigen Samstag um 15.30 Uhr im "Projektraum 42" in Horb. Wir haben schon im Vorfeld mit der Bildungsministerin gesprochen.

Frau Gebauer, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben Sie die "weltbeste Bildung" für das Bundesland angekündigt. Wie soll die aussehen?

Die Freien Demokraten haben in NRW im Landtagswahlkampf die Bildungspolitik in den Mittelpunkt gestellt, weil die Schulen in meinem Land vor großen Herausforderungen mit Inklusion, Integration und immer neuen Aufgaben standen und stehen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind mit diesen Herausforderungen zu oft alleine gelassen worden. Darunter hat die Qualität gelitten und die Schülerinnen und Schüler waren die Leidtragenden. Die neue Landesregierung und ich stehen für den Anspruch auf weltbeste Bildung in NRW. Ich bin davon überzeugt, wer nur Mittelmaß anstrebt, bekommt auch nur Mittelmaß. In einer global vernetzten Welt konkurrieren die Schulen in Köln oder Düsseldorf nicht mehr nur mit denen aus Stuttgart oder Konstanz, sondern mit Paris, London und Rio. Das muss sich auch in der Bildungspolitik wiederfinden.

In einem Teil der Hauptschulen kann mehr als die Hälfte der Schüler nicht richtig lesen und rechnen. Hier muss sich dringend etwas ändern.

Also ganz so dramatisch ist die Situation glücklicherweise nicht, aber es ist richtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen wieder die tradierten Kulturtechniken, Lesen, Rechnen und Schreiben in den Mittelpunkt stellen, insbesondere in den Grundschulen. Daher begrenzen wir auch die Methode Lesen durch Schreiben auf das erste Schuljahr und wollen mit einem verbindlichen Grundwortschatz an den Schulen die Rechtschreibung stärken. Und natürlich dürfen wir auch die neuen Herausforderungen, wie das große Thema Digitalisierung, nicht außer Acht lassen. Diese und weitere Maßnahmen bündeln wir im Masterplan Grundschule.

Die Ausstattung der Schulen steht immer wieder in der Kritik. Was muss da geschehen?

Die Kritik wird oft geübt, trifft aber leider zum Teil die Falschen. Zuständig für die Ausstattung der Schulen sind in erster Linie die Schulträger, also die Städte und Kommunen. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen mit mehreren Programmen in den nächsten fünf Jahren. Insgesamt fließen rund sechs Milliarden Euro für Sanierungen, Modernisierungen und digitale Ausstattung an die Schulen. Das ist ein echter Kraftakt.

Eines Ihrer Konzepte ist es, Schulen bei der Inklusion zu entlasten, indem Schwerpunktschulen für integratives Lernen eingerichtet werden. Wie soll das finanziell und personell realisiert werden?

Wir arbeiten gerade an den letzten Details des Konzepts, daher nur so viel: Inklusion ist ein Menschenrecht, und daran darf nicht gerüttelt werden. Aber wir müssen bei der Inklusion umsteuern, denn die Ressourcen, die wir haben, müssen so eingesetzt werden, dass die Kinder mit Förderbedarf auch wirklich unterstützt werden können. Und dafür tun wir das ja, die Kinder müssen im Mittelpunkt stehen.

G8 oder G9?

Wieso entweder oder? Wir machen in NRW beides. In Nordrhein-Westfalen gab es den unüberhörbaren Wunsch der Eltern nach G9. Dem entsprechen wir mit unserer Leitentscheidung G9, die besagt, dass alle Gymnasien landesweit grundsätzlich zu einem neuen und verbesserten G9 umgestellt werden. Da G8 an einigen Schulen aber gut funktioniert und dort der Wunsch besteht, nicht zu G9 zu wechseln, hat die Schulkonferenz die Möglichkeit, sich für einen Verbleib bei G8 zu entscheiden. Durch mehr Freiheit für unsere Schulen und durch eine Stärkung der demokratischen Entscheidungsprozesse vor Ort, wollen wir die Schulpolitik in NRW umgestalten.

In NRW führen Sie Wirtschaft als Schulfach ein. Was versprechen Sie sich davon?

Wir wollen die ökonomische Bildung an allen weiterführenden Schulen stärken, weil sie bislang im Unterricht eine zu geringe Rolle gespielt hat. Basiswissen über das grundlegende Funktionieren des Wirtschaftssystems oder Kenntnisse über meine Rechte, Pflichten und Möglichkeiten als Verbraucher sind nur zwei Beispiele von vielen, die ausdrücken, dass ökonomische Kompetenzen Alltagskompetenzen sind. Und Schule soll ja auch genau das leisten: junge Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben nach der Schule vorbereiten. Da setzen wir an.

Was erwartet die Zuhörer bei der Veranstaltung "Wie geht weltbeste Bildung?" in Horb?

Eine gut aufgelegte und motivierte Schulministerin aus Nordrhein-Westfalen, die sich freut, im Ländle zu Besuch zu sein und zusammen mit dem baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Timm Kern über Bildungspolitik zu diskutieren. Die Fragen stellte Michael Reich.