Zum Mekka der Brauchtumshüter wurde am Samstag das Ergenzinger Zunfthaus, in dem sich die "Fasneter" sichtlich wohlfühlten. Foto: Ranft Foto: Schwarzwälder Bote

Brauchtum: Kulturerbe-Diskussion entzweit: Viele Zünfte machen nicht mit / Neckar-Gäu-Ring erfüllt Bedingungen weitgehend

Aus dem ganzen Südwesten kamen sie am Samstag angereist, die Brauchtumshüter der Schwäbisch alemannischen Fasnet, um sich im schmucken Zunftheim der Ergenzinger Narren auszutauschen und Erfahrungen weiter zu geben.

Rottenburg-Ergenzingen. Eingeladen zu dieser jährlich stattfindenden Veranstaltung hatte dieses Mal der närrische Freundschaftsring Neckar Gäu. Von den insgesamt 13 närrischen Vereinigungen im Südwesten waren zehn der Einladung gefolgt.

Nach den Willkommensgrüßen durch Ergenzingens Ortsvorsteher Reinhold Baur und Ringpräsident Thomas Fischer stand zunächst ein Besuch im Narrenmuseum "Milchhäusle" auf der Tagesordnung. Dann ging es unter der Federführung von Neckar-Gäu-Brauchtumsmeister Jakob Holocher aus Eutingen ins "Eingemachte". Was dann so lapidar auf der Tagesordnung stand, nämlich die Abfrage, wie denn bei den jeweiligen Verbänden in Sachen "immaterielles Kulturerbe" der aktuelle Stand sei, barg dann doch erheblichen Zündstoff.

Kodex von Werner Mezger löst bei einigen Zünften Fragen aus

Zwar ließen die Brauchtumshüter keinen Zweifel daran, dass sie es gut finden, dass die Schwäbisch-Alemannische Fasnet, beantragt durch die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Dennoch setzte es Kritik. Dazu muss man wissen, dass die VSAN als Träger gegenüber der Deutschen UNESCO-Kommission verantwortlich dafür ist, dass derjenige, der sich den Bestimmungen des immateriellen Kulturerbes unterwirft, deren Regeln auch einhält. Zwar habe die VSAN das immaterielle Kulturerbe für die gesamte Schwäbisch-Alemannische Fasnet beantragt, profitiert habe aber davon zunächst nur diese Vereinigung selbst, die übrigen Narrenverbände im Südwesten seien mit dem von Volkskundler Werner Mezger geschaffenen Kodex ziemlich alleine gelassen worden, so der überwiegende Tenor an diesem Tag. Etliche Verbände haben dann in eigener Regie gehandelt, ihre Zünfte nach Mezgers Codex auf deren Brauchtum überprüft und dementsprechend entschieden. Widersprüchliche Aussagen darüber, wer sich denn wann mit dem Logo "immaterielles Kulturerbe" schmücken kann, haben nun dazu geführt, dass ein Teil der Verbände die entsprechenden Unterlagen an den VSAN geschickt und sich von dort das Okay geholt hat, andere wiederum haben sich dieses nach gewissenhafter Prüfung selbst oder ihren Zünften erteilt – beziehungsweise das unterlassen. Dass das Thema langsam nervt, war den Teilnehmern anzumerken, und so waren die Reaktionen dementsprechend. Was die Brauchtumshüter nicht mehr wollen ist, dass sie von der Gunst des VSAN abhängig sind.

Vorschlag: Verbände sollen selbst über die Vergabe entscheiden

Es habe sich ja gezeigt, dass die Verbände sehr sorgsam mit der Vergabe des Titels "immaterielles Kulturerbe" umgehen, so Jakob Holocher, der dafür plädierte, dass die einzelnen Verbände selbst entscheiden und deren Brauchtumskommissionen künftig gegenüber dem Träger (VSAN) selbst verantwortlich sind.

Auch wenn künftig im Bad Dürrheimer Narrenschopf eine Brauchtumsbeauftragte sitze, sei auch diese nicht in der Lage, eine Narrenzunft zu beurteilen, so Holocher und weiter: "Das können nur diejenigen, die vor Ort sind, und die verdienen auch, dass ihnen vertraut wird." Dafür bekam er bei einer Gegenstimme ein mehrheitliches Votum. Holocher will jetzt dieses Votum bei der nächsten Sitzung der ARGE südwestdeutscher Narrenvereinigungen und Verbände auf die Tagesordnung bringen.

Dann äußerten sich die einzelnen Verbände zum Stand der Dinge. Peter Szyska vom Ortenauer Narrenbund sagte, man habe sich intensiv mit dem Kodex von Werner Mezger befasst, aber die Mehrheit der ONB-Zünfte könne diesem nicht nachkommen. Walter Sieber vom Narrenfreundschaftsring Zollern-Alb offenbarte, dass in seinem Ring keine Zunft das Bedürfnis hat, sich mit dem Logo des immateriellen Kulturerbes auszuzeichnen.

In diese Richtung tendierten auch die Vertreter von den Narrenfreunden Heuberg und vom Alb-Lauchert-Ring. Die Vereinigung freier oberschwäbischer Narrenzünfte sprach von zwei Zünften, die besagtes Logo auf dem Briefkopf haben, und der alemannische Narrenring vermeldete bei rund 80 Prozent seiner Mitgliedszünfte Vollzug.

Beim närrischen Freundschaftsring Neckar-Gäu haben bis auf eine Ausnahme alle Zünfte die Bedingungen erfüllt, so Ringpräsident Thomas Fischer. Zwei Verbände erklärten übereinstimmend, dass sie schon vor längerer Zeit Unterlagen für einige Narrenzünfte dem VSAN zur Prüfung abgegeben, bislang aber noch keine Antwort erhalten haben.

Weitere Themen waren die Brauchtumstänze, das Verkehrsrecht bei mitgeführten Wagen, das Brauchtum im eigentlichen Sinne und das Urheberrecht für Maskenschnitzer, welches, wenn man im Detail nachschaue, vielfach gar nicht bestehe. Für das leibliche Wohl hatten an diesem Tag die dienstbaren Geister der Narrenzunft Ergenzingen und Bäckermeister Tobias Plaz aus Eutingen mit einer großen Torte gesorgt.