Am Thomastag bedankte sich Bürgermeister Ralph Zimmermann im Namen der Stadt für das ehrenamtliche Engagement der Horber Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein. Heinrich Raible, Joachim Lipp und Bruno Springmann nahmen zum dreizehnten Mal den Thomaswein in Empfang, der an eine Horber Tradition erinnert. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Zum dreizehnten Mal erhielten die Horber Nachtwächter am Thomastag den Thomaswein

Horb. Zum dreizehnten Mal wurden die Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein am Thomastag auf das Rathaus bestellt, um für ihre Verdienste um das Stadtmarketing den Thomaswein in Empfang zu nehmen. In diesem Jahr wurden Heinrich Raible, Bruno Springmann und Joachim Lipp von Bürgermeister Ralph Zimmermann empfangen, der sich im Namen der Stadt bei den drei Herren mit einem Horber Weingebinde in den Farben Weiß und Rot bedankte. Damit fand eine uralte Tradition ihren Fortgang, die zum ersten Mal im Jahr 2006 vom damaligen Oberbürgermeister Michael Theurer aufgegriffen worden war.

Die Glocken der Stiftskirche sind des Nachts in Horb schon längst wegen Schlaf- und Ruhestörung zum Schweigen verdammt. Früher weckte das Kirchengeläut die Horber aber nicht nur auf, sondern schickte sie auch beizeiten ins Bett. Die so genannte Wachtglocke, auch "Zehne-Glocke" genannt, war die drittgrößte Glocke im Stiftskirchturm und wurde in Horb auch als "Lumpenglocke" bezeichnet, weil sie um 22 Uhr die letzten Zecher der Stadt ins Bett schickte. Nachdem das Geläut der Stiftskirche beim großen Stadtbrand des Jahres 1725 zerstört worden war, ließ man im Jahr 1732 von dem Lothringer Nikolaus Rosier in einer Rottenburger Werkstätte eine neue Wachtglocke mit einem Gewicht von 240 Kilogramm gießen. Diese musste allerdings im Juni 1917 während des Ersten Weltkriegs mit Gott für Kaiser und Vaterland an die Kriegs- und Rüstungsindustrie abgeliefert werden.

Das Zehnuhrläuten, das die Horber Nachtwächter "seit unvordenklichen Zeiten" im Turm der Stiftskirche besorgten, wurde einer Notiz im Stadtarchiv zufolge ursprünglich vom Spital zum Heiligen Geist kurz vor Weihnachten am Thomastag, dem 21. Dezember, extra belohnt. In den einstig österreichischen Landen endete am Thomastag die einjährige Amtszeit der besoldeten Stadtdiener, und gleich nach Weihnachten wurden beim Jahrgericht auf dem Horber Rathaus auch die Nachtwächter vom Magistrat wieder neu gewählt und vereidigt.

Darüber hinaus war der Dienst für die ehemals vier Nachtwächter in der langen Thomasnacht besonders beschwerlich, denn man zählte die längste Nacht des Jahres zu den Raunächten, in denen das Muetesheer, ein gewaltiges Totenheer, unter Schreien, Johlen, Heulen, Jammern, Ächzen und Stöhnen zur wilden Jagd durch die Lüfte aufbrach. Gegen die Dunkelheit als böse Macht half in einer vom Aberglauben noch stark behafteten Welt vor allem der Alkohol, weshalb man den auf die Thomasnacht folgenden Morgen infolge des erhöhten Alkoholkonsums auch den "Kotzmorgen" nannte.

Nach dem Übergang der Neckarstadt an das Königreich Württemberg fand die österreichische Thomastagtradition ein jähes Ende, und im 19. Jahrhundert erschien die Entlohnung für das Zehnuhrläuten schließlich unter der Rubrik Besoldung als fester Ausgabeposten in den Horber Stadtpflegerechnungen: "Von Läutung der 10 Uhr Glocke gebührt den Nachtwächtern auf Georgi jeden Jahrs 38 Schilling 3 Kreuzer." Diesen Geldbetrag erhielten die schlecht besoldeten Nachtwächter nun zusätzlich am Georgstag, dem 23. April.

Obgleich die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Zeichen des Fortschritts stand, setzte man sich trotzdem für Althergebrachtes ein. Nachdem im Jahr 1904 bei Renovierungsarbeiten am nördlichen Seitenschiff der Stiftskirche der äußere Eingang zum Kirchturm ins Kircheninnere verlegt worden war, blieb den Nachtwächtern der Zugang verwehrt. Die damit verbundene Abschaffung des Zehnuhrläutens löste im beschaulichen Städtchen jedoch einen Sturm der Entrüstung aus. Auf Anregung des Horber Altertumsvereins beschloss der Stadtrat schließlich, den alten Brauch wieder zu beleben, und ermöglichte den Nachtwächtern in Absprache mit Stadtpfarrer Alois Stahl weiterhin den Zugang zur Zehnuhrglocke.

Als der Vormitternachtswachtdienst 1907 schließlich von den beiden besser dotierten städtischen Polizeidienern übernommen wurde, besorgten diese zum Ärgernis der schlechter bezahlten Nachtwächter das Zehnuhrläuten unentgeltlich. Die Zehnuhrglocke verstummte endgültig, als das Reichsinnenministerium 1942 den Polizeivollzugsdienst in Horb an die Gendarmerie übertrug und der Hauptwachtmeister Hermann Maihöfer auf höhere Weisung aus den Diensten der Stadt schied. Damit endete eine jahrhundertealte Tradition, an die heute die Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein erinnern, wenn sie am Thomastag im Horber Rathaus erscheinen.