Beim Mordprozess am Landgericht Rottweil wurde bekannt, dass der Mitangeklagte Iyad B. bis kurz vor der dem mutmaßlichen Überfall auf Michael Riecher in einer Obdachlosenunterkunft wohnte. Foto: Lück Foto: Lück

Der Mitangeklagte wohnte im Obdachlosenheim. Kommissar gibt Einblick in Ermittlungen.

Horb/Rottweil - Ein schmales Zimmer für zwei. Betten, braune Kleiderschränke, ein Kühlschrank für jeden. Die Obdachlosenunterkunft in Ludwigsburg, Zimmer Sieben. Die letzte Heimat von Iyad B., bevor er Michael Riecher am 2. November mit Mohammed O. überfallen haben soll.

Über den syrischen Flüchtling Mohammed O. haben wurde bisher beim Prozess um den Mord am Immobilienunternehmer Michael Riecher viel gesprochen. Auch darüber, dass er jede Menge Geldsorgen hatte, überall Leute angepumpte. Und darüber, dass er Komplizen suchte für den Überfall auf Riecher. Sein Cousin erzählte jetzt vor dem Landgericht Rottweil: "Sein Traum war, nicht immer Arbeiter zu sein, sondern Chef."

Doch warum hat Iyad – der den Überfall auf Michael Riecher im Polizeiverhör gestanden hatte – überhaupt mitgemacht? Der staatenlose Palästinenser war wohl in einer Lebenskrise. Seine Ehefrau hatte sich von ihm getrennt, er soll zeitweise beim Friseur Hesham A. (Name geändert) in Horb gewohnt haben. Dann gab es nach gut einer Woche Streit – und Iyad zog aus.

1500 Euro beim Überfall erbeutet

Jetzt kommt raus: Bis zwei Wochen vor der Tat wohnte der staatenlose Palästinenser in einer Obdachlosenunterkunft in Ludwigsburg. Sein Mitbewohner (53), Fachkraft für Lager und Logistik: "Wir haben drei Monate zusammen in Zimmer sieben in der Obdachlosenunterkunft gelebt. Ich bin berufstätig – ich habe morgens um 6 Uhr die Unterkunft verlassen und bin nach der Arbeit um 18 Uhr heimgekommen. Wenn ich im Zimmer war, ist Iyad immer rein und rausgegangen. Er war eher ruhig, zurückhaltend, hat damals einen bisschen depressiven Eindruck gemacht. Er hing immer mit den Kiffern rum, weil er selbst ein Kiffer war."

Ungefähr zwei Wochen vor der Tat, so der Mitbewohner, kam Iyad in Begleitung einer Person, suchte etwas im Schrank. Der Mitbewohner: "Er war schnell und hektisch. Sein Gesichtsausdruck sah so aus, als ob er sich verabschieden wollte."

In dieser Zeit muss sich Iyad wohl mit seiner Ehefrau wieder versöhnt haben. Fakt ist: Nach der Tat kaufte er ihr ein über 600 Euro teures Handy. Zahlte am selben Tag auch 200 Euro bei einem Optiker für eine Brille an. Bei seiner Festnahme wurden zwei Quittungen von einem Rechtsanwalt gefunden – Gesamtbetrag: 300 Euro. Alles mit Daten nach der Tat.

Am Mann, so der Hauptsachbearbeiter der Soko "Pfand", hatte er noch 285 Euro. Seine Frau hatte vorher einen Zug für beide nach Berlin gebucht. Beim Überfall auf Riecher will Iyad nach seinen Angaben etwa 1500 Euro erbeutet haben.

Apropos Soko "Pfand": Woher kommt dieser Name? Das erklärte jetzt der Hauptsachbearbeiter (53) von der Kripo Rottweil: "Der Name entstand am 6. November. Da kam gegen 15.30 Uhr aus der Obduktion, dass Michael Riecher Opfer eines Tötungsdelikts geworden ist. In der Wohnung und im Büro wurden Quittungen und Schuldscheine aufgefunden. Man hat angenommen, dass das Opfer Geld verleiht und Darlehen vergibt. Darauf gründet sich der Name der Soko. Durch die Leihgeschäfte. Manchmal tut man sich schwer, den Namen für die Soko zu finden."

Obduktion ergibt neuen Todeszeitpunkt

Zunächst wurden Umfeldermittlungen unternommen. bei den Personen, denen Riecher Geld geliehen hatte. Dieser Verdacht zerschlug sich aber. Mohammed O., so der Hauptsachbearbeiter, soll erst am Freitag, 9. November, als Beschuldigter ins Visier der Ermittler geraten sein.

Der Grund, so der Kommissar: "Wir waren zunächst aufgrund der Aussage der Mieterin von Michael Riecher von einem Todeszeitpunkt von 22 Uhr ausgegangen. Am Freitag um 15.20 Uhr rief Professor Wehner an, der Riecher obduziert hatte. Er hatte den Todeszeitpunkt bestimmt: Am 2. November zwischen 19.45 Uhr und 20.45 Uhr. Damit hatten wir ein komplett neues Zeitfenster."

Dann habe man alle Fakten, die man bisher ermittelt hatte, "übereinandergelegt", so der Ermittler: "Für mich war auffällig, dass O. dem Mann, mit dem er die Leiche gefunden hatte, gesagt hatte, er solle lügen. Dazu die finanziellen Schwierigkeiten. Er selbst hatte von 2500 Euro Kontoschulden erzählt. Dann die beiden Mails an Riecher. Grundtenor der ersten vom 12. Oktober: Er braucht dringend Geld für seine kranke Mutter in Syrien." Die zweite vom 25. Oktober: "Er braucht Geld. Seine Frau will sich scheiden lassen."

Laut seinem Cousin, der gestern im Landgericht ausgesagt hatte, eine Lüge. Der 22-jährige bei der Polizei: "O.s Mutter hatte eine Rücken-OP. Die Beschwerden wurden nicht besser. Die Ärzte haben ihr sogar von weiteren OPs abgeraten, weil es dann nicht besser werde."

Iyad in Darmstadt festgenommen

Dazu hatte O. in den Vernehmungen gesagt, das er zwischen 19 und 20 Uhr in der Gegend um Riechers Haus war. Der Kommissar: "Wenn man das zusammenzählt mit dem nach vorne verlegten Todeszeit, haben wir entschieden, dass O. nicht mehr als Zeuge vernommen werden darf."

Die gerade laufende Vernehmung des syrischen Flüchtlings wurde dann um kurz vor 16 Uhr unterbrochen. Die Beschuldigtenvernehmung startete um 16.30 Uhr. Der Kommissar: "Er hat die Gewalttat abgestritten. Er wäre am Tattag um kurz nach 18 Uhr zu Riecher gegangen. Dort sei er von zwei Unbekannten überfallen worden. Man wollte ihm ein Hemd in die Hand drücken. Das habe er dort gelassen. Die zwei Unbekannten haben ihm aufgetragen: Er soll niemand was sagen. Sonst ginge es ihm wie Riecher."

Und wie kam die Kripo dann Iyad als Mittäter auf die Spur? Der Kommissar: "Durch die Aussage des Friseurs." Hesham A. hatte nach seinen Aussagen Mohammed O., der jemanden "mit starkem Herzen" suchte, Iyad vermittelt (wir berichteten).

Nach der Vernehmung des Friseurs wurden ab abends die Smartphones von Iyad und seiner Ehefrau überwacht. So bekam die Kripo mit, dass er am geplanten Tag der Durchsuchung am 13. November schon mit seiner Frau im Zug nach Berlin saß. In Darmstadt klickten die Handschellen bei Iyad...