Der Horber Hohenberg: Hier braute sich ein Streit zusammen, der jetzt in den Rang eines Musterprozesses vor dem Landgericht gekommen ist. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Bereits im Vorfeld fallen kritische Töne zur Art der Urteilsfindung im Amtsgericht Horb / Verfahren dauert lang

Von Peter Morlok

Rottweil/Horb. Der Musterprozess um die Preisblattgültigkeit des Abrechnungszeitraums von 2008 bis 2011 für den Fernwärmebezug auf dem Hohenberg vor dem Rottweiler Landgericht in die nächste Instanz. Dort bestätigen die Richter: Es wird ein Präzedenzfall, der genau geklärt wird. Der Vorsitzende Richter, Landgerichtspräsident Hans-Peter Rumler, der mit seinen Kollegen Walter Hangst und Marie-Therese Lawrenz die Kammer in dieser zivilrechtlichen Auseinandersetzung bildete, ließ von Anfang an keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er sich intensiv mit den anstehenden Fragen auseinandersetzen wird. Dies schon deshalb, weil von beiden Seiten ein Vergleich abgelehnt wurde, da es sich um einen Musterprozess handelt und zu diesem Sachverhalt bisher noch kein höchstrichterliches Urteil vorliegt.

Das zu erwartende Urteil wird so zu einem Präzedenzfall, bei dem voraussichtlich die Revision auch ohne Antrag zugelassen wird, womit Rumler die Wichtigkeit dieses Urteils unterstrich.

Wie bekannt, hatte Lutz Richter die Stadt Horb, den kommunalen Anbieter für Fernwärme, stellvertretend für alle Fernwärmebezieher des Hohenbergs verklagt. Ihm und seinem Interessenkreis (IK) "Fernwärme Hohenberg" sind die Preissteigerungen seit dem Preisblatt 2008 mehr als nur ein Dorn im Auge. Im ersten Prozessschritt vor dem Amtsgericht Horb unterlag der IK, der vom Nagolder Rechtsanwalt Bernd Rau vertreten wird, mit seiner Klage.

Gegen das Urteil vom 29. Januar 2013 legte Rau Berufung vor dem Landgericht ein und begründete diesen Schritt in einem 30-seitigen Schreiben. In erster Linie geht es dem IK um die zu hohen Belastungen, die den Wärmeabnehmern durch die nicht nachvollziehbare Kalkulation der Wärmebezugskosten entstehen. Weiterhin wirft der IK der Stadt gravierende Managementfehler und den Betrieb überalterter Anlagen vor, was in der Folge mit erheblichen Energieverlusten einhergeht.

Einfach kündigen und sich eigene Heizungen einbauen können die "Kunden" des städtischen Fernwärmenetzes auch nicht, da sie durch eine Satzung der Stadt einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegen und auch keine eigenen Heizungen betreiben dürfen.

Im Kern der Klage geht es um die Frage, welche Kriterien ein Fernwärmeversorger bei der Anpassung seiner Versorgungskonditionen beachten muss, wenn das Anpassungsrecht vertraglich nicht als Preisanpassungsklausel, sondern nur als Leistungsbestimmungsvorbehalt ausgestaltet ist.

Doch dies zu klären ist nach derzeitigem Sachstand offenbar nicht möglich. Richter Rumler braucht in diesem speziellen Fall die Hilfe beider beteiligter Seiten, wie er gleich zu Beginn der Verhandlung betonte. Der Geschäftsführer der Stadtwerke, Eckhardt Huber, wurde aber aus dem Saal geschickt, weil er auch als Zeuge geladen war. Rechtsanwalt Rau bemängelte in seiner Berufungsbegründung, dass das Amtsgericht Horb zwar zutreffend die Darlegungs- und Beweislast der Stadt Horb für die Billigkeit der von ihr vorgenommenen Preisfestlegungen erkannte, sich dann aber zu Unrecht mit den angeblich bruchstückhaften Darlegungen der Beklagten zufrieden gegeben habe und sich auch mit der diesbezüglichen Kritik des Klägers nicht auseinander gesetzt habe. Richter Rumler dazu: "Das Amtsgericht hat diesen Punkt recht knackig abgeurteilt – ein Vorgehen, dem das Landgericht nicht folgen wird."

Ferner führte Rau aus, dass die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche, was vertragsrechtlich nicht angemessen sei und nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspreche. In seinem Schriftsatz rügte Rau zudem, dass die Stadt ihre Tarifstrukturen radikal veränderte und plötzlich die Großmengenabnehmer – also sich selbst – kostentechnisch massiv entlastete und die große Mehrzahl der Zwangsangeschlossenen mit den umverlagerten Kosten belastete, was in Extremfällen sogar zu einer Verdoppelung der Wärmebezugskosten trotz völlig unverändertem Verbrauchsverhalten führte.

Diesen Bereich der Klage versuchte der Vorsitzende durch gezielte Fragen abzuarbeiten, was jedoch nicht gelang. Die städtische Verwaltungsangestellte Waltraud Kempel, die als Sachbearbeiterin "Fernwärme" auch mit der Sache betraut ist, konnte zur Kalkulationsstruktur und den Zahlenquellen nicht viel sagen, und auch der juristische Vertreter der Stadt, Rechtsanwalt Janis Gersemann, wurde mit dieser Thematik auf dem falschen Fuß erwischt.

Nach rund einer Stunde ergebnisloser Fragerei des Gerichts und einigen Hinweisen der Klägerseite auf Widersprüche in den von der Stadt in erster Instanz als Beleg für die von ihr behauptete Billigkeit ihrer Preise vorgelegten Gemeinderatsvorlagen entschied der Vorsitzende, dass die Stadt Gelegenheit erhalten soll, ihren in erster Instanz offensichtlich ungenügend gebliebenen Sachvortrag zur Billigkeit ihrer Preisfestlegungen nachzubessern.

Rumler erklärte außerdem, dass man sich vor dem Hintergrund zahlreicher noch aufzuklärender Punkte auf eine lange Verfahrensdauer einrichten solle. Mit Blick auf absehbare Veränderungen in der Besetzung der Berufungskammer legte er beiden Seiten nahe, den Rechtsstreit erst mal im schriftlichen Verfahren fortzusetzen, weshalb es offen ist, ob und wann es zu einem weiteren Verhandlungstermin kommt.

IK-Sprecher Eckhard Wergin zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang des ersten Prozesstages, wie er am Telefon erklärte. Eckhardt Huber konnte dies von seiner Seite aus nicht bestätigen, und Waltraud Kempel wollte sich zu einem laufenden Verfahren nicht äußern.