Eröffneten die Wahl-Ausstellung (von links): Benno Müller, Sibylle Wahl, Dirk Mende und Norbert Stockhus Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Vernissage: Ausstellung von Jochen Wahl in der Galerie des Kunstvereins noch bis 23. Oktober zu sehen

In der Galerie des Kunstvereins Oberer Neckar (KON) war Vernissage zu einer Ausstellung, die schon durch ihren Titel viele der Kunstinteressenten vor eine Reihe offener Fragen stellte: "Jochen Wahl: ...und Schönmasken und Schnüffelläufer und…"

H orb. Wenn man dann noch völlig unbedarft durch die vier Galerieräume und den langen Gang schlenderte, dann wurde das Fragezeichen im Kopf immer dicker.

Was steckt hinter der Maske, die Jochen Wahl seinen "Wesen" aufsetzt? Sind die Bilder Comics, Fantasie oder einfach nur das Ergebnis von Albträumen und fürchterlichen Halluzinationen? Was man sah, das waren Wesen, befremdlich und wunderlich, tragisch und komisch, vielgestaltig und immer auch seltsam vertraut.

"Alle Macht der Phantasie", so die Losung von Wahl. Und die Ausstellung zeigt eine Vielzahl von Geschöpfen die allesamt einem Kaleidoskop überbordender Schöpferfreude entsprungen zu sein scheinen. Wahl hat sie auf Malkarton gebannt, sie als geniale Vierfarb-Radierungen gedruckt, sie zu Plastiken geformt oder als hochgezoomte Bleistiftzeichnungen handkoloriert.

65 – teils unverkäufliche – Exponate sind in dieser Werkschau zu sehen und der Dank von Benno Müller, dem Vorsitzenden des KON, galt besonders Sibylle Wahl, der Witwe des Künstlers und dem wohl ältesten Freund Wahls, Dirk Mende, die beide wesentlich zum Gelingen dieser Ausstellung beigetragen haben. Eine Werkschau, die auf Initiative von Norbert Stockhus noch bis einschließlich 23. Oktober zu sehen ist.

Gut, dass man mit dem Esslinger Literaturwissenschaftler und wohl besten Freund des 2007 verstorbenen Multitalents einen Mann für die Einführung gewinnen konnte, der es schaffte, in seiner Rede sowohl Details herauszuarbeiten, die man als Otto-Normal-Hingucker nie und nimmer in den Arbeiten gefunden hätte, als auch so unterhaltsam zu referieren, dass man ihm gerne immer mal wieder Zwischenapplaus geben wollte.

Mende nahm die Besucher der Vernissage – zu der neben Sibylle Wahl auch Tochter Ann-Sophie mit Söhnchen Josua, Oberbürgermeister Peter Rosenberger und City-Manager Thomas Kreidler gehörten – mit auf eine Reise in eine Welt, in der es für den Geist der künstlerischen Freiheit keinen Zaum gab. Alles um sich herum betrachte Wahl mit der Schlitzohrigkeit des Wissenden, der die Welt aus seiner eigenen Warte heraus malte, zeichnete, karikierte.

Mit den Worten "Ich werde jetzt alle ›und fürchtet euch nicht‹-Register ziehen", näherte sich Mende dem Kosmos seines Schulfreundes Wahl aus der Sicht des Literaten. Anstatt sich in angelesenen Zitaten zu ergehen, marschierte er mit den Besuchern mental durch die Welt von Jochen Wahl. In fünf großen Frageblöcken suchte er Antworten auf die Geheimnisse, die sich hinter Priesterkönig, Schönmaske und Opalkopf verbergen. Mende gab aber nicht "die eine richtige" Antwort – sondern Tipps, wie man an die Arbeiten herangehen sollte, um hinter ihre Mystik zu kommen. "Am besten mit dem unverstellten, neugierigen Blick eines Kindes", so seine beste Empfehlung.

Und er gab die Anregung, nicht nur neu sehen zu lernen, sondern dies auch mit dem Hören zu tun. "Wehrt euch, wenn wieder einmal ein kunstbeseelter Redner durch die Äcker der Kunst pflügt ohne viel von diesem Acker zu verstehen. Wehrt euch am besten mit Wurfgeschossen." Als praktisches Utensil hierfür empfahl er ein weich gekochtes Ei bei jeder Vernissage mitzuführen. "Zur Not tun es auch Gegenstände vom angebotenen Büfett."

Mende freute sich zudem, dass es den "gehirnhumpelnden" Kommunalpolitikern nicht gelungen sei, das altehrwürdige Franziskanerinnenkloster abzureißen, sondern dass es für Horb erhalten blieb und nun die Zauberwelt seines Freundes Jochen für ein paar Wochen aufnehme.