Das Haus in Betra, in dem Gerd Spatschek lebte, ist nicht mehr bewohnbar. Der Koch zeigt seinen Kofferraum. Darin liegt das wenige Hab und Gut, was er noch retten konnte. Foto: SB

Mieter Gerd Spatschek steht nach Brand in Betra unter Schock. "Warte, dass jemand das Licht anknipst".

Horb-Betra/Empfingen - Gerd Spatschek zeigt in den Kofferraum. Dort liegen drei Bilderrahmen, die mit Ruß überzogen sind. Daneben zwei stabile Kunststofftüten. Das ist alles, was die Flammen dem Mieter aus der Flurstraße in Betra noch übrig ließen.

Fühlen Sie sich jetzt heimatlos? Der Koch des Empfinger Hofs: "Es ist alles irgendwie surreal. Man wartet darauf, das irgendjemand das Licht wieder anknipst."

Dann kommen die Erinnerungen hoch. Man sieht deutlich, wie der Mann mit den Emotionen kämpft. Er erzählt: "Ich hatte an dem Tag um 14.15 Uhr Feierabend. Ich telefonierte mit meiner Muter und sah den Rauch. Ich sagte ihr noch: Es brennt in Empfingen. Auf einmal realisiere ich: Es ist in Betra." Er fährt weiter heim. Dann erinnert er sich: "Als ich um die scharfe Kurve fuhr, dachte ich: Das ist ja um Himmels Willen bei mir!"

Dann parkte er sein Auto bei der Narrenzunft, ging zu seiner Wohnung. Er sprach einen Polizisten an, ob er seine persönlichen Sachen holen könne: "Ich wollte das retten, was ich von meinem Vater noch habe." Der Koch schluckt. Doch weil die Flammen noch loderten, kam er nicht rein. Er erinnert sich: "Irgendwann fragte ein Feuerwehrmann, ob ich wüsste, ob noch irgendwas Brennbares im Haus sei. Da fiel mir ein, dass ich meinen Gasgrill mit Flasche auf dem Balkon hatte." Er sah, wie die Drehleiter rüber schwenkte und die Gasflasche wegzogen wurde.

Überhaupt die Drehleiter. Sie war auf Höhe der Wohnung des Kochs. Spatschek: "Ich stand die ganze Zeit rum und sah den Feuerwehrmann auf der Drehleiter. Doch er löschte nicht. Dort brannten meine Sachen. Mir wurde erklärt, dass sie Wasserprobleme haben." Dann ging er wieder: "Ich dachte mir, das macht keine Sinn, dass ich hier rumstehe. Das macht mich nur fertig." Spatschek fuhr zum Penny, eine Zahnbürste und Zahnpasta kaufen. Zurück im Hotel, gab ihm sein Chef gleich ein Zimmer. Der Koch: "Da ich ohnehin meine Kochklamotten anhatte, fragte ich ihn, ob ich arbeiten kann." Spatschek ging in die Küche. Um 17.10 Uhr klingelte sein Handy. Die Polizei: "Wenn Sie jetzt kommen, können Sie ein paar Sachen rausholen." Er fragte seine Chefin, ob er gehen könnte, weil er mitten im Service war. Sie sagte ihm: "Fahr jetzt."

Mit zwei Feuerwehrleuten konnte er in seine Wohnung im Obergeschoss und ins Dach. Er sagt: "Die Fotos auf der Bühne waren alle verbrannt. In meinem Schlafzimmer ist alles Asche. Die Lampen sind zusammengeschmort. Im Arbeitszimmer ist die Decke runtergekommen, dort ist alles schwarz." Doch einige Bilderrahmen und persönliche Ordner waren noch unversehrt. Gott sei Dank auch der mit der Hausratversicherung. Spatschek: "Die habe ich vor einem Jahr abgeschlossen – da habe ich wirklich Glück gehabt." Um halb zwölf nachts nach der Arbeit war Spatschek noch mal vor Ort.

Am Tag nach dem Feuer ging der Koch zum Textilgeschäft: "Ein T-Shirt für drei Euro und eine Hose für fünf Euro – ich brauchte frische Sachen." Heute soll der Hauptgutachter von der Versicherung kommen. Der Koch hofft, dass er dort vielleicht "einen Scheck bekommt, um sich erst mal über Wasser zu halten."

"Der Ort ist mir unheimlich ans Herz gewachsen"

Seit 2008 wohnt Spatschek in Betra. Vorher war er in England beschäftigt. Dort hatte er im Hotel schon erlebt, wie ein Teelicht auf dem Fernseher sich durch die heiße Blechhülle durchschmorte – es gab zwei Tote. Jetzt sucht er dringend eine Wohnung – wieder in Betra. Er sagt: "Der Ort ist mir unheimlich ans Herz gewachsen. Auch deshalb, weil mir während des Feuers der Ortsvorsteher Andreas Schad, die Feuerwehr und viele Menschen zur Seite standen."

Auch seine Vermieter hat der Koch schon besucht. Er sagt: "Die tun mir leid. Sie stehen unter Trance und wissen nicht, wie es weitergeht. Noch am Montag haben sie ihre Küche renoviert – am Dienstag war der Brand. Ich denke, es ist arg für sie, wenn man sein Lebenswerk verliert." Man merkt, dass er mit den Vermietern mitfühlt.

Gestern versuchte Spatschek, eine Garage zu finden, in der er die geretteten Sachen unterstellen kann: "Das ganze Auto stinkt danach." Die letzten Nächte im Hotelzimmer hat er kaum geschlafen. Er sagt: "Die Arbeit ist für mich im Moment der Nagel, an dem man sich festhalten kann." Dazu noch die Behördengänge: Mülltonnen abmelden, Nachsende-Antrag bei der Post, das Telefon abmelden. Spatschek sagt: "Wenn ich eine Wohnung gefunden habe und ein Bett drin ist, ist bei mir die Welt wieder in Ordnung."

Vor dem Haus in Betra treffen wir die Angehörigen, bei denen die Hausbesitzer untergekommen sind. Sie sagen: "Wir blocken nur noch ab. Pausenlos klingelt das Telefon. Wir wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden."