Ein Hubschrauber Tiger der Bundeswehr und ein Transportflugzeug Transall trainieren für eine Flugvorführung. Wie stark wird die Bundeswehr auch im Landkreis Freudenstadt aktiv sein? Foto: Hirschberger

Umliegende Gemeinden waren informiert. Kern: widersprüchliche Aussagen.

Waldachtal/Haiterbach/Horb/Freudenstadt - Neuer Hammer in der Diskussion über die Einflugschneisen für das geplante Absetzgelände in Haiterbach: Staatsrätin Theresa Schopper sagt jetzt, dass Waldachtal informiert war. Bürgermeisterin Annick Grassi hatte angegeben erst aus dem Schwarzwälder Boten von den Einflugrouten erfahren zu haben.

Das kommt einem ziemlich spanisch vor. Nach der Veröffentlichung der Einflugschneisen des geplanten KSK-Absetzgeländes in Haiterbach durch den Schwarzwälder Boten hatte Waldachtals Bürgermeisterin Grassi geschrieben: "Die Gemeinde Waldachtal wurde bislang in keinster Weise irgendwie in diesem Verfahren zum geplanten KSK-Absetzgelände beteiligt oder auch nur informiert. Diese Karten heute nun aus der Zeitung zur Kenntnis zu nehmen, fällt mir daher äußerst schwer."

Jetzt behauptet Theresa Schopper, Staatsministerin für politische Koordination: Grassi wusste schon lange Bescheid. Das steht in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage unseres Landtagsabgeordneten Timm Kern (FDP).

Schopper: Auch Grassi hatte Informationen

Schopper schreibt mit Datum vom 10. April 2019: "Das Staatsministerium hat den Gemeinden der Raumschaft bereits 2017 zahlreiche Artikel mit umfassenden Informationen zur Veröffentlichung in den Amtsblättern zur Verfügung gestellt. Damals wurde in jedem Artikel darauf hingewiesen, dass die Landesregierung laufend im Beteiligungsportal unterrichtet. Auch der Bürgermeisterin der Gemeinde Walddachtal wurden im Sommer 2017 diese Artikel übermittelt."

Die Gemeinden und Städte der Raumschaft, die laut Schopper so informiert wurden: Nagold, Haiterbach, Waldachtal, Wörnersberg, Rohrdorf, Jettingen, Mötzingen, Altensteig, Eutingen, Egenhausen, Pfalzgrafenweiler und Horb.

Eutingens Bürgermeister Armin Jöchle hatte vor einigen Wochen in einer Gemeinderatssitzung gesagt, dass die Einflugschneisen im Eutinger Gemeinderat schon im Juli 2017 besprochen wurden. Der Stadtsprecher von Horb hatte erklärt, dass man zwar alle Infos der Landesregierung im Amtsblatt veröffentlicht hatte, die Karte mit den Einflugschneisen sei aber bis heute nicht dabei gewesen.

Auch Schopfloch – betroffen von der Einflugschneise – so gibt das Staatsministerium zu, wurde bis heute offiziell nicht informiert. Geschweige denn der Landkreis Freudenstadt als obere Gebietskörperschaft. Laut der Karte, die der Schwarzwälder Bote Mitte März veröffentlicht hatte, ist der Landkreis Freudenstadt – vorsichtig geschätzt – zu einem Drittel von den drohenden Flügen betroffen.

Warum wurde der Landkreis Freudenstadt nicht informiert? Schopper: "Vom Vorhabenträger (Bundeswehr, d. Red.) kann derzeit keine konkrete Belastung durch mögliche Tiefflüge über dem Landkreis Freudenstadt definiert werden."

Keine konkrete Belastung für den Landkreis?

Es sei deshalb "spekulativ" über weitere "mögliche Betroffenheiten als die der Städte Nagold und Haiterbach zu berichten".

Später schreibt sie: "Von Kommunen im Landkreis Freudenstadt sind im Staatsministerium keine Forderungen nach Kompensationsmaßnahmen bekannt. Wie dargelegt, sind die umliegenden Gemeinden nach Einschätzung der Bundeswehr nicht von dem Absetzgelände tangiert. Folglich stellt sich nicht die Frage nach Kompensationen." Aber: Die Bundeswehr hatte auf Anfrage bestätigt, dass in den Einflugschneisen, die Schopfloch, Waldachtal, Altheim, Grünmettstetten und Talheim betreffen, auch Tiefflüge möglich sind. Und: Je dunkler die Schneise auf der Karte, umso häufiger die Überflüge (wir berichteten).

 Es habe "bisher auch keine Kompensationsideen außer von der Stadt Nagold gegeben". Der bereits vom Landtag beschlossenen Zuschuss in Höhe von vier Millionen Euro für die Elektrifizierung der Bahnstrecke Horb-Nagold kommt laut Schopper "dem Landkreis Calw zugute, der solche Planungskosten tragen muss".

Kompensationen grundsätzlich sind aber möglich. Schopper: "Die Landesregierung betont, dass bei diesem einzigartigen Projekt über Kompensationen gesprochen werden muss." Darüber sei auch im ständigen Ausschuss gesprochen worden. Die Staatsrätin: "Der Idee der Kompensationen hat der Ausschuss nicht widersprochen. Er bat aber um restriktive Handhabung."

Für den Landtagsabgeordneten Timm Kern sind das widersprüchliche Aussagen. Kern: "Schopper verweist in der Antwort mehrfach darauf, dass Vorhabenträger die Bundeswehr und die Landesregierung nur begleitend tätig sei. Damit widerspricht Staatsministerin Theresa Schopper offensichtlich ihrer Grünen-Kollegin und Staatsrätin Gisela Erler." Diese hatte im Schwarzwälder Boten am 21. Dezember 2018 gesagt: "Damit wird deutlich, dass die Landespolitik die Bosch-Erweiterung, den KSK-Standort und die Entwicklung der Region um Nagold als ein Gesamtpaket sieht." Es sei also völlig klar, dass die Landespolitik dieses Vorhaben nicht nur mit früher Bürgerbeteiligung begleitet, sondern die gesamte Entwicklung der Region politisch forciert. Das belege die Planungsrate für die Elektrifizierung der Strecke Horb-Nagold mit vier Millionen Euro aus Landesmitteln. Klartext: Es sei politische Absicht der Landesregierung, die Zustimmung im Landkreis Calw mit Landeszuschüssen zu erhöhen – vorsichtig formuliert.

Kern verweist darauf, dass der Kreistag Freudenstadt  – auch auf Initiative von Horbs OB Peter Rosenberger (CDU) – jetzt eine stärkere Beteiligung eingefordert hat. Nach der Veröffentlichung der Karte mit den Einflugschneisen im Schwarzwälder Boten. Der Landtagsabgeordnete: "Mittlerweile muss sogar der Freudenstädter Kreistag beschließen, dass die Landesregierung zu einer stärkeren Beteiligung der Städte und Gemeinden in der Umgebung aufgefordert wird."

Theurer fordert Kompensation

Horbs Ex-OB Michael Theurer – auch Horber Gemeinderats- und Kreistagsmitglied – ist der erste, der eine Kompensation für den Landkreis Freudenstadt fordert.

Theurer: "Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Stadt Horb mit der Auflösung des Bundeswehrstandorts eine Schwächung erfahren hat. Das Bosch-Forschungszentrum hätten wir in Horb gerne genommen. Welche Vorteile das Absetzgelände für die Anwohner haben soll, wurde bislang weder von der Landes- noch der Bundesregierung deutlich gemacht. Sollten die Vorteile die Nachteile nicht überwiegen, müssen diese ausgeglichen werden."

Das Forschungszentrum von Bosch – welches im August 2017 feierlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel und MP Winfried Kretschmann eröffnet wurde – ist der Grund für das geplante Absetzgelände. Durch Bosch wird das bisherige KSK-Absetzgelände in Renningen-Malmsheim wegfallen.