Die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitzenden Karl-Heinz Münzer. Foto: Lück

Beide Männer wegen räuberischer Erpressung verurteilt. Keine Aufklärung wegen Pannenserie?

Horb - Ein Mann wurde erwürgt, aber es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, wer der Täter war. Auch 29 Tage Beweisaufnahme konnten die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil nicht überzeugen, wer den Unternehmer Michael Riecher aus Horb-Nordstetten am 2. November 2018 getötet hat. Die beiden Angeklagten wurden "nur" wegen räuberischer Erpressung verurteilt.

Dabei hatte Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid in seinem Plädoyer für den Syrer Mohammed O. lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung wegen Mordes aus Heimtücke gefordert. Doch am Ende hatte das Gericht nur die Aussage des Komplizen Iyad B., dass O. den Unternehmer erwürgt hat – ansonsten blieben nur Indizien.

Pannenserie in Ermittlungen

Am 3. November 2018 wurde die Leiche des Unternehmers in seinem Haus gefunden – unter anderem vom Hauptangeklagten. Was dann folgte, war eine Pannenserie in den Ermittlungen, die möglicherweise ein klareres Bild verhinderte.

Zwar bemerkte der eintreffende Notarzt, dass hier auch eine unnatürliche Todesfolge möglich sein könnte, doch die hinzugerufene Leichenbeschauerin kam zu einer anderen Bewertung. Die zahlreichen Hämatome im Gesicht und am Körper des 57-Jährigen fielen ihr nicht auf. Sie zog die Leiche bis auf die Unterwäsche aus, verwischte möglicherweise Spuren und veränderte damit den Tatort.

Die erste Polizeistreife, die eintraf, sicherte den Tatort nicht ab und trug auch beim Betreten der Wohnung keine Handschuhe. Die möglicherweise nicht geschlossene Terrassentür blieb unbeaufsichtigt. Nach der Obduktion, die das Fremdverschulden nachwies, wurde die Leiche gewaschen, ohne sie vorher auf Spuren zu untersuchen.

Und als eine Gruppe fremder Männer zwei Monate später auf dem Grundstück eines Hauses – das Elternhaus des Unternehmers, in dem der Hauptangeklagte wohnte – nach etwas buddelten, dauerte es überraschend lang, bis die Polizei reagierte und ermittelte. Dabei hatte eine Zeugin die Männer beobachtet. Es vergingen fünf Tage, bis die Polizei Durchsuchungen bei den Männern startete. In der Verhandlung wurde klar: Ein möglicher Kontakt einer der Männer mit Mohammed O. in der Untersuchungshaft ist durchaus möglich gewesen. Wurde hier ein Großteil der Beute in Sicherheit gebracht?

Flüchtling schloss Freundschaft mit Opfer

Der syrische Flüchtling O. hatte in seiner Zeit in Horb Freundschaft mit dem späteren Opfer geschlossen. Der "väterliche Freund" ließ ihn und seine Frau in seinem früheren Elternhaus leben, verlangte dafür aber nicht bezahlte Gartenarbeiten und Botendienste – unter anderem ließ der Unternehmer sogar Gold-Käufe von O. abwickeln. Wie stark sich daraus ein Abhängigkeitsverhältnis bildete, konnte letztendlich nur vermutetet werden. Von einer echten Freundschaft könne man nicht sprechen, erklärte der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer bei seiner Urteilsbegründung. Der Unternehmer habe stets Gegenleistungen gefordert.

Der damals 27-jährige Syrer, der in der Stadt als Vorzeige-Flüchtling galt, einer geregelten Arbeit nachging und sehr gut Deutsch lernte, geriet immer mehr in Geldnot – unter anderem wegen des Brautgeldes an seine Schwiegereltern und der Renovierung des Hauses. Er bat seinen wohlhabenden Freund um finanzielle Hilfe, doch der winkte ab.

Staute sich enorme Wut auf? Auf alle Fälle schmiedete O. laut Gericht Pläne, den Unternehmer auszurauben. Er suchte in seinem Umfeld nach einen Komplizen und wurde schließlich fündig. Sein "Friseur", ein Flüchtling der anderen in Horb die Haare schnitt, vermittelte ihm B., der in Ludwigsburg in einer Obdachlosen-Unterkunft lebte. Dieser war drogenabhängig und suchte nach Einnahmequellen.

Gesichert ist dann, dass der Komplize zunächst alleine in die Wohnung von R. ging und es zu Kampfhandlungen kam. Doch danach brachte B. seinem Raub-Opfer sogar noch ein Glas Wasser.

Angeklagt wegen räuberische Erpressung

Für den weiteren Tatverlauf hat das Gericht zwei Hypothesen. So könnte Mohammed O. später selbst dazugestoßen sein, um seinen "väterlichen Freund" zu erwürgen. Spuren an der Leiche waren aber nicht mehr zu finden und auch die Nagelschmutz-Probe bei O. war unauffällig. Allerdings fand man in der Garage des Syrers das blutverschmierte Hemd des Opfers – allerdings nur mit Spuren des Komplizen B.

Die andere Hypothese ist, dass B. – der erklärte, während des Raubs unter Drogen gestanden zu haben – den Unternehmer tötete und erst anschließend O. zum Tatort kam, die Leiche berührte und möglicherweise auch eine Auffindesituation der Leiche fingierte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass B. später O. belastete, um selbst von sich abzulenken.

So blieb die Kammer nach einem zähen, neun Monate andauernden Indizien-Prozess beim Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". "Das mag schwierig für die Hinterbliebenen sein", meinte Richter Münzer, doch keinem der beiden Angeklagten konnte der Mord an den Unternehmer eindeutig zugeschrieben werden. Einzig "räuberische Erpressung" könne als gesichert gelten. O. erhielt dafür eine Haftstrafe von sechs Jahren, B. von viereinhalb Jahren, wobei beide Verurteilten bereits über ein Jahr in Untersuchungshaft saßen, was nun angerechnet wird.

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