Monika Laufenberg referierte im Gasthaus Schiff über das Schwäbische Sauerland. Am Ende des Vortrags überraschte Heinrich Raible die Vorsitzende des Fördervereins Heimat und Kultur in Börstingen mit einem Bilderalbum aus dem Jahr 1940, das rund 40 Mädchen im Börstinger Landhilfelager zeigt. Foto: Kunst- und Kulturverein Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Monika Laufenberg referierte im "Schiff" über die Kohlensäurevorkommen im Oberen Neckartal

Über eine Besonderheit, die das Neckar- und Eyachtal zwischen Bad Niedernau und Bad Imnau dank der natürlichen Kohlensäurevorkommen zum Schwäbischen Sauerland werden ließ, berichtete Monika Laufenberg. Sie war auf Einladung des Kultur- und Museumsvereins ins "Schiff" gekommen.

Horb. Die Kohlendioxidvorkommen sind eine Art "Nachröcheln" des Albvulkanismus, der vor etwa 15 Millionen Jahren die Vulkane der Schwäbischen Alb entstehen ließ. Aus dieser Magmaschmelze gast heute noch das vulkanische Kohlendioxid aus und dringt nach oben. Durch die hohe tektonische Aktivität ist das Gestein im Bereich des oberen Neckartales stark zerklüftet, sodass das Gas in den Klüften und Spalten an die Erdoberfläche gelangen kann.

An den sogenannten Bläsern blubbert und gluckst es. Hier strömt an einigen Stellen Kohlendioxid in derart hoher Konzentration aus dem Boden, dass es in den Pfützen oder Wasserbecken regelrecht brodelt. Der Volksmund nannte diese Mofetten auch "Branntweinbrünnele", denn wer sich zu lange dem Kohlendioxid aussetzte, der fing an zu torkeln.

Leichen von Vögeln, kleinen Vierfüßlern, Reptilien und Käfern finden sich an den Vertiefungen und Gräben im Neckartal zwischen Sulzau und Eyach. Ihnen setzte das unbrennbare, saure und farblose Kohlendioxid zu, welches in hoher Konzentration aus der Erde strömt. Ein Lokomotivführer soll um 1870 sogar ums Leben gekommen sein, nachdem er bei der Station Eyach einer solchen Gasquelle zu nahe gekommen war. Das Gas ist relativ gut in Wasser löslich und reagiert zu einem geringen Anteil zu Kohlensäure.

Die Kohlensäurequellen wurden bereits in der Römerzeit genutzt. Bekannt ist die Römerquelle in Bad Niedernau, bei der neben römischen Münzen auch eine Statue des keltisch-römischen Heilgottes Apollo Grannus gefunden wurde. Die Kohlensäure lässt das Quellwasser brodeln und begünstigte dessen Anreicherung mit Mineralstoffen. In Bad Niedernau, Obernau und Bad Imnau wird das erfrischende Mineralwasser immer noch in Flaschen abgefüllt. Eindrucksvoll verdeutlichte die Referentin, wie unterschiedlich das Kohlensäurewasser aus diesen drei Orten aufgrund der geologischen Gegebenheiten ist. Der Naturreichtum an Kohlensäure veranlasste schließlich auch, dass sich in Niedernau und Imnau Heilbäder ansiedelten, die den Orten zum Prädikat "Bad" verholfen haben.

Die reichen Kohlendioxidvorkommen des Schwäbischen Sauerlands bildeten seit Ende des 19. Jahrhunderts die Grundlage eines eigenen Wirtschaftszweiges, der sogenannten Kohlensäureindustrie. Die erfolgreiche Gewinnung und Nutzung von natürlicher Kohlensäure zog bald die Konkurrenz an, und so begann im Schwäbischen Sauerland ein wildes Wettbohren auf Kohlensäure, das in einen regelrechten Kohlensäurekrieg ausartete und zahlreiche Gerichtsprozesse zur Folge hatte.

Die Kohlensäureindustrie erlebte eine lange Blütezeit und belieferte als Anbieter von Gasen für Technik, Medizin, Wissenschaft, Umweltschutz und Getränkehandel die ganze Bundesrepublik Deutschland. Hier arbeiteten mehr als 100 Menschen im Dreischichtbetrieb an der Förderung und Komprimierung des Industriegases. Das Aus kam fast genau 100 Jahre nach dem Beginn der Kohlensäureproduktion im Neckartal. Der Grund dafür war, dass die Kohlensäurequellen im Neckartal langsam versiegten und künstliche Kohlensäure preisgünstiger wurde.

Heute, nachdem die Kohlensäure nicht mehr gefördert wird, beginnen einige Quellen wieder zu brodeln, und die ausströmende Kohlensäure drückt das Wasser bis zu 40 Zentimeter in die Höhe. Und wer auf den Neckarwiesen zu Füßen der Weitenburg Erholung sucht, sollte sich nicht unbedingt in der Nähe eines Bläsers zum Dösen in die Sonne legen, denn es könnte sein, dass er nie wieder aufwacht. Ab einer Konzentration von sechs Volumenprozent Kohlendioxid besteht die Gefahr, dass man ohnmächtig wird. Noch höhere Konzentrationen wirken tödlich.