Das Wasserrad am Marmorwerk ist derzeit von einer Baustelle umgeben. An dem Kanal wird eine Wasserkraftanlage mit Lamellenturbine errichtet. Foto: Schülke Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Kultur- und Museumsverein befürchtet Schaden / Stadt versichert: An der Anlage wird nichts verändert

Der Kultur- und Museumsverein macht sich Sorgen um die Zukunft des denkmalgeschützten Wasserrads am Marmorwerk. Der Verein hat seine ehrenamtlich Beutreuung der Anlage aufgekündigt. Hintergrund ist ein Wasserkraft-Bauprojekt. Laut Auskunft der Stadt sind die Befürchtungen der Geschichtsfreunde grundlos.

H orb (csc). Joachim Lipp und Heinrich Raible vollzogen am Mittwochnachmittag einen vom Vorstand des Kultur- und Museumsvereins einstimmig gefassten Beschluss, als sie in einem Umschlag die Schlüssel für den Zugang zum Wasserrad und zum Getrieberaum im ehemaligen Marmorwerk in den Briefkasten des Horber Rathauses steckten. Beim Verein geht man trotz gegenteiligen Angaben der Stadtverwaltung nicht davon aus, dass Horbs letztes Wasserrad durch den Betrieb einer Lamellenturbine unbeeinträchtigt bleibt.

Die Rettung des Rades

Der Verein hat in den Jahren 1996/97 mit viel Herzblut, Geld und Unterstützung des ehemaligen Landesdenkmalamts unter der Stabführung von Stadtrat Walter Kreidler und mit tatkräftiger Unterstützung von Heinz Berthold, dem damaligen Geschäftsführer der Firma Brueninghaus Hydromatik, Horbs letztes Wasserrad vor dem Untergang bewahrt. Der Verein hat dabei eine zehnjährige Unterhaltungsverpflichtung übernommen, die auch nach Ablauf dieser Frist verbunden mit erheblichen Investitionen, die in den vergangenen 22 Jahren für den Erhalt dieses Denkmals notwendig waren, bis jetzt ausgeübt worden ist.

Aufwertung im Jahr 2011

Eine weitere Aufwertung erfuhr Horbs letztes Wasserrad durch das Neckarblühen Horb 2011, als man anlässlich der kleinen Landesgartenschau auch noch die Räumlichkeiten im ehemaligen Marmorwerk auf Vordermann brachte. Der Kultur- und Museumsverein erstellte im renovierten Getrieberaum eine Dokumentation über die Horber Mühlengeschichte, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Auf den aktuellen Internetseiten wirbt die Stadt unter anderem mit diesem "Wasserradmuseum", das auch an die Geschichte der Neckarflößerei erinnert, um die Gunst ihrer Besucher, und die Stadtinformation bietet dazu eigens Führungen an.

Plan von 2009

Unterhalb des Wasserrads plant der Investor Joachim Zacher, ein weiteres Wasserrad zu bauen, um damit Strom zu gewinnen. Erstmals im Jahr 2009 ging der Stadtrat Franz Nafz mit der Idee an die Öffentlichkeit, dort eine Anlage zu bauen. "Wir haben ihn damals gebeten, das zu verschieben", hat Oberbürgermeister Peter Rosenberger am Donnerstag in einem Pressegespräch gesagt. "Wir wollten an der Gartenschau keine Baustelle dort haben und waren zu der Zeit mit den Projekten Wasserkraftwerk Inselspitze und Solarpark vollauf beschäftigt."

Aktuelles Projekt

Nafz gab das Projekt dann später an den Investor Zacher weiter – und die Pläne nahmen Gestalt an. Für die Stadt war das auch völlig in Ordnung, denn ein privater Geldgeber mit solchen Ideen war gern gesehen. Rosenberger berichtet: "Es gab zuerst nur Ideen, die nicht planungsreif waren. Dann ging es an die Genehmigungsbehörde im Landratsamt. Danach sind wir sehr wohl auf den Kultur- und Museumsverein zugegangen."

Der Vorsitzende des Kultur- und Museumsverein, Heinrich Raible, so teilt der Verein mit, habe im März 2016 "durch Zufall" von dem geplanten Bau der 20-KW-Lamellenturbine erfahren – und war nach eigenem Bekunden überrascht. Auf Nachfrage sei Raible bestätigt worden, dass nach mehr als einjähriger Planung bereits eine wasserrechtliche Genehmigung für die Anlage vorliege. "Gleichzeitig beschwichtigte man aber, dass das Bauvorhaben wegen mangelnder Rentabilität sehr wahrscheinlich nicht zur Ausführung kommen würde", heißt es vonseiten des Vereins.

Konflikt mit dem Verein

Der 1. Vorsitzende Joachim Lipp bemängelte in einem Schreiben an Oberbürgermeister Rosenberger, dass der Kultur- und Museumsverein als Betreiber von Horbs letztem Wasserrad in dieser Angelegenheit überhaupt nicht kontaktiert worden sei und vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollte. Dann kam es zu einem Ortstermin. Die Planungsunterlagen wurden gezeigt. Für Raible ging daraus hervor, dass die Eingriffe in die historische Bausubstanz noch drastischer als befürchtet ausfallen würden und einen weiteren Betrieb des Wasserrads in Frage stellten.

Daraufhin teilte Lipp dem Horber Oberbürgermeister und dem in Karlsruhe zuständigen Referenten beim Landesamt für Denkmalpflege in einem weiteren Schreiben die Bedenken des Kultur- und Museumsvereins mit, verbunden mit der Ankündi gung, dass der Verein nach einstimmigem Vorstandsbeschluss mit Beginn der Bauarbeiten die bislang übernommene Unterhaltungsverpflichtung für den Betrieb von Horbs letztem Wasserrad an die Stadt oder an den Betreiber des neuen Minikraftwerks abgibt. "Beide Schreiben blieben bis heute unbeantwortet", berichtet der Verein.

Verein lehnt Gespräch ab

Diese Version lässt die Stadtverwaltung aber so nicht gelten. Rosenberger sagt: "Es stimmt, dass wir die Briefe nicht beantwortet haben. Wir haben den Verein zu einem Gespräch eingeladen, um die Fragen zu klären, doch das lehnte er strikt ab. Er wollte von seiner Sicht der Dinge wohl nicht mehr abrücken und ist bis heute beratungsresistent."

Der Verein argumentiert, er habe weitere Planungsgespräche abgelehnt, "zumal sich nur die notwendigen Technikräume entgegen des ursprünglichen Plans auf einmal ganz unauffällig in die Böschung des Mühlkanals einfügen sollten, während die Planung in Sachen Wasserführung weiterhin unverändert ohne jegliche Messungen nur auf angeblichen Erfahrungswerten und einfachen Annahmen basiert." Der Verein und seine Informanten gingen aber ohnehin von einem Ende des Projekts aus. Denn vom Land gab’s keinen Zuschuss, weil die Stromausbeute mit unter 100 Kilowatt angeblich zu gering sei. Zudem galten die Baukosten als zu hoch. "Beim Kultur- und Museumsverein setzte man ebenso auf den gesunden Menschenverstand des Investors", schildert der Verein. Deshalb waren Joachim Lipp und Heinrich Raible erstaunt, als vergangene Woche am unteren Mühlkanal der erste Bagger anrollte. (Tatsächlich ist es aber bereits seit Ende 2018 bekannt, dass die Turbine kommt. Sie war sogar schon in unserer Zeitung abgebildet.)

Denkmalschutz

Die Stadtverwaltung weist auch diese Argumente der Geschichtsfreunde zurück. Laut Rosenberger ist amtlich sichergestellt, dass der Zustand des historischen Wasserrads durch die neue Anlage in keiner Weise geändert wird. Der OB geht ins Detail: "Das Wasserrad bleibt so wie es ist erhalten und es wird auch funktionsfähig bleiben. Es wird einen permanenten Wasserdurchfluss geben." Auch das Denkmalamt habe keine Bedenken, und der neue Investor Zacher habe angekündigt, sich selbst für den Erhalt des alten Wasserrads zu engagieren. Und Zacher selbst entscheide letztlich, ob sich die Anlage lohne.

OB übt Kritik an Verein

Rosenberger, der sich von Seiten der Geschichtsfreunde schon so einiges anhören musste, äußert sich in dieser Sache verärgert über den Verein und dessen "diffamierende" Äußerungen gegen die Stadt. "Der Kultur- und Museumsverein leistet hervorragende Arbeit, die wir als Kommune gar nicht machen könnten", unterstreicht der OB. "Und er hat sich um den Erhalt des Wasserrads wirklich verdient gemacht. Es ist auch in Ordnung, wenn Herr Lipp und Herr Raible im Nachtwächtergewand mal Seitenhiebe an die Stadt verteilen, daran habe ich mich gewöhnt. Aber die sprachlichen Entgleisungen des Vereins haben wir nicht verdient. Und ich denke da vor allem an meine Kolleginnen und Kollegen. Das wollen wir auch nicht mehr hinnehmen."

Humor oder Schmäh?

Dass der Verein bei seiner Kritik an der Stadtverwaltung kein Blatt vor den Mund nimmt, ist allenthalben bekannt. "Auch bei den offiziellen Stadtführungen werden wir beschimpft", so Rosenberger, der schon entsprechend verwunderte Rückmeldungen von Teilnehmern bekommen habe. Dass der Verein sich jetzt aus der Wasserrad-Wartung zurückziehe, über seine mögliche Auflösung nachdenke und der Stadt noch die Schuld in die Schuhe schiebe, findet Rosenberger schlicht haarsträubend. "Vielleicht hätten wir uns schon viel früher dagegen wehren sollen."