Katrin und Josef Wehle mit ihren Kindern Lotta und Matteo freuen sich, dass ihnen Martin Stanger zwei Narrendäschle ins Haus bringt.Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Brauchtum: Bei der Schlüsselübergabe am Rathaus achten die Narren auf Abstand / "Fasnetsdäschle" für alle

Im närrischen Zigeunertäle, den Rest des Jahres auch "Dahla" genannt, wird trotz Corona Fasnet gefeiert. Zwar fielen am gestrigen "Schmotziga" die beliebten Seniorennachmittage aus, doch das mobile Impfkommando der Narrenzunft "Zigeuner Untertalheim" war am Nachmittag unterwegs, um Teile der Bevölkerung mit dem Frohsinns-Virus anzustecken.

Horb-Talheim. Da gab es weder Altersgrenze noch Mangel an Impfstoff. Auch brauchte das Team um Schriftführer Martin Stanger keine Spritzen, sondern das Talheimer-Fasnetsdäschle reichte. Das aus der Not heraus geborene "Däschle" ist ein Beutel voller Frohsinn, der prall gefüllt mit allerlei wichtigen Utensilien, die in der fünften und schönsten Jahreszeit keinem Haus fehlen dürfen, von der fünfköpfigen Bespaßungs-Taskforce direkt an die Haustür gebracht wurde. Für die Erwachsenen hatten die fleißigen Helfer, die ihr Narrenheim zur Packstation umgemodelt hatten, so unverzichtbare Dinge wie Sekt und Bier, den Likör "Zigeunerliebe" samt Schnapsbecher und einen kleinen Snack eingetütet. Natürlich durften auch solch fasnetsspezifischen Siebensachen wie Luftschlangen, Luftballons, Fasnets-Bändel-Girlande, Konfetti-Kanone samt Ersatzmagazin nicht fehlen. Damit die Party, die in jedem Haus per Video mitgeschnitten und später ins Netz gestellt wurde, auch richtig in Gang kommt, lag der Liedtext zum Song "Lustig ist das Zigeunerleben", ein Luft-Instrument, die obligatorische Clownsnase und eine Gebrauchsanleitung für die "Zigeuerfasnet" in jedem Däschle bei.

Bonbons und Limonade

Es gab auch ein "Kinder-Däschle", bei dem auf Schnaps und Sekt verzichtet wurde und stattdessen Bonbons, Schokolade, Limo, eine Maske zum selber basteln, Bilder zum Ausmalen und ein NZU-Ball beinhaltete.

Natürlich ging die ganze "Impf-Aktion" coronagerecht vonstatten. Der Bote der Narrenzunft klingelte an der Haustür und stellte den Korb mit den bestellten Däschle vor der Tür ab. Die feierwilligen "Däschle"-Besteller holten ihre Beute aus dem Korb raus und warfen den zu zahlenden Obolus samt Trinkgeld und kleinen Geschenken in den Korb. Mit einem coronakompatiblen "Narri-Narro" verabschiedeten sich Däschle-Käufer und Bote voneinander und jeder ging seiner Wege. In den Häusern wurden die Taschen ausgepackt und die Mitglieder der Zunft machten sich auf zum nächsten Haushalt. Rund 180 "Däschle" – das für die Erwachsenen kostete 13 Euro, für die Kinder neun Euro – wechselten so am "Schmotziga" den Besitzer. Der Rein-Gewinn dieser Aktion geht, wie in jedem Jahr, an die Medizin-Clowns in der Tübinger Kinder-Klinik.

Und so eine Aktion macht nicht allein wegen der Gaudi und der sozialen Komponente Sinn – nein, sie ist auch nachhaltig.

Wenn schon auf den Umzug am Sonntag verzichtet werden muss, dann soll wenigstens in der Wohnstube das Konfetti in alle Ecken rutschen. So hat man als Erinnerung länger etwas davon.

In Narrenhand

Talheim ist seit gestern fest in Narrenhand. Am Vormittag fand die jährliche Rathausstürmung statt. Ortsvorsteher Anton Ade reimte dazu: "Liabe Narra uf deam Platz, I vermut, es gibt Rabatz, wenn die liebe Presse schreibt, dass en Dala Fasnet geit. Bei uns isch es halt Tradition, dass immer – so seinemers gewohnt – es vor Beginn der Fastenzeit, fünf Tag a scheene Fasnet geit. Em Gegasatz zur Politik, da send se s’ganze Jahr verrückt. Selld stoantse alle uffem Haufa, ihr Narra send schee ausanand dadraußa. So deek i, isch es doch reacht guat, wenn mr Brauchtun pfleaga duat ond d’Schlüsselübergabe ganz legal mit Abstand macht, na isch’s egal. Es gibt kei größeres Verbrecha, als Corona-Regla breche. Wer verwischt wurd, i ka’s versprecha, muaß gottsallmächtig blecha. Und dann schickt euch Thomas S., eine Rechnung per Express."

Damit dies nicht passiert, wurde streng auf den Abstand geachtet. Alex Himmelreich für die Narrenzunft und Ober-Brechaloch-Hexe Nicole Klink standen vor dem Rathaus und forderten die Herausgabe des Schlüssels, während sich oben Annette Kiefer und Anton Ade mit Verbal-Waffen noch etwas zierten, den Narren ihre "Dahla" zu überlassen. "So wia’s ietzt grad isch, so isch’s an Scheiß, drom machet Fasnet grad mit Fleiß", der Rat vom Ortsvorsteher, der irgendwann aufgab, seinen Schlüssel aus dem Rathausfenster warf und sich und seiner Annette eine kleine Auszeit von den Amtsgeschäften gönnt.

Auch im "Bretzelstüble" von Helga Rink gehts fasnetstechnisch drunter und drüber. Zwischen Bauernbrot und Berliner regieren die Brechalochhexen. Sie sind zumindest als Maske, Häs, in Bildern und Zeitungsartikeln allgegenwärtig, und wer in den kleinen Laden reinkommt, der kann in den Erinnerungen, die Hexe Helga rausgekruschtelt hat, schwelgen. "Fasnet lot sich nicht verhendra, da wird au Corona nix dran endra" stellte Ortsvorsteher Ade richtig fest.