Mehrere Betroffene schildern nach Konflikt ihre Gefühle. OB spricht von einem "Eigentor". Mit Leitartikel
Horb - Welcher Grabschmuck ist erlaubt im Ruhewald? Die Stadt Horb streitet mit dem Angehörigen Sven Markus von Hacht. Doch ein Vor-Ort-Termin zeigt: Das ist kein Einzelfall.
Ein Schild am Eingang gibt bekannt: Die angekündigte Führung durch den Ruhewald ist abgesagt. Die katholische Erwachsenenbildung hatte am Mittwochabend dazu eingeladen und dann doch auf den Termin verzichtet. Denn gleichzeitig hatte Sven Markus von Hacht für diesen Termin Werbung gemacht. Seit Wochen liegt er mit der Stadt Horb im Clinch. Es geht um die Gestaltung von natürlichem Grabschmuck, der Frage, ob die Stadt diesen "pietätlos und willkürlich" abgeräumt hat.
Es ist 18 Uhr. Rund 15 Personen sind gekommen. Die Stadt hat nach der Absage der KEB ebenfalls abgesagt und das von Hacht kommuniziert. Von den 15 Menschen sind einige vergeblich zur KEB-Führung gekommen. Doch der Vor-Ort-Termin zeigt: Von Hacht und seine Mutter, die Vater und Ehemann im Horber Ruhewald beerdigen ließen, sind kein Einzelfall.
Da ist das ältere Ehepaar T. aus einer entfernteren Gemeinde. "Wir haben unseren Sohn im Alter von 48 Jahren verloren", erzählt der Mann mit brüchiger Stimme. "Wir kommen eigentlich alle zwei bis drei Wochen hierher. Doch es fällt uns immer schwerer." Der Mann holt aus einem Stoffbeutel ein Holzherz, das mit Rinde überdeckt ist, heraus. "Dieses Herz mussten wir entfernen. Dabei ist alles aus natürlichen Materialien." Seine Frau sagt: "Wir wollen doch nur trauern dürfen." Die Situation sei sehr belastend. Er erzählt: "Eigentlich wollten wir mal neben unseren Sohn bestattet werden, doch ich habe meiner Frau schon gesagt: Wenn ich vor ihr gehe, dann will ich hier nicht mehr sein."
Wenig später trifft Gudrun Demark ein. Sie hat drei weiße Blumen in der Hand. "Die sind aus dem heimischen Garten. Die Mutter meines verstorbenen Mannes hat die einst gepflanzt. Er hat die Blumen immer so geliebt." Die Horberin erzählt ruhig und sachlich: "Es ging alles sehr schnell mit meinem Mann. Er hat sich den Horber Ruhewald gewünscht." Doch für sie ist der Bestattungswald zwischen Nordstetten und Isenburg zur Belastung geworden. "Ich habe aus Naturmateralien einen kleinen Kranz gestaltet, Federn dafür gesammelt. Doch das durfte nicht so stehen bleiben. Ich kann es bis heute nicht verstehen."
Auch Blumen seien verschwunden. Was sie ärgert: "Das Vorgehen der Stadt ist so willkürlich. Bei den einen wird etwas entfernt, was bei den anderen liegen bleibt." Mittlerweile komme sie nur noch ganz kurz vorbei. "Ich lege ein Paar Blumen ab und dann gehe ich wieder. Ich tue mir das nicht mehr an." Wir dürfen sie zur Grabstelle ihres Mannes begleiten. Demark stellt die Blumen in eine selbst gestalteten "Naturvase" ab.
Yvonne W.s Mann starb vor sechs Wochen. "Eigentlich hatte er mich gepflegt. Und dann ging alles so schnell", erzählt sie und muss weinen. Die Diskussion um den Ruhewald sei nur schwer zu ertragen: "Das ist doch Kindergarten – von beiden Seiten. "Einfach nur unwürdig. Ich bereue es schon jetzt, mich für den Ruhewald entschieden zu haben. Aber mein Mann hatte es sich so gewünscht." Einige Interessierte hören sich die Schicksale der Betroffenen an. "Wo ist eigentlich die Stadt. Die hätte diese Gelegenheit nutzen können, um sich ein Bild vor Ort zu machen", kritisiert ein Horber Bürger, der erwartet hatte, dass die Verwaltung an diesem Abend Stellung bezieht. Auch dass die Stadtverwaltung "still und heimlich" Passagen zur Grabgestaltung in einem online abrufbaren Info-Dokument ausgetauscht hat, ohne diese Veränderung kenntlich zu machen, macht die erschienenen Betroffenen wütend.
OB schließt Bürgerversammlung nicht aus
Genauso die Aussagen von Bürgermeister Ralph Zimmermann, dass man jetzt nur noch die Vorgaben aus der Friedhofssatzung zulassen werde. Diese schließt jeglichen Grabschmuck aus. "Das können sie uns nicht antun", sagt eine Frau und zeigt auf die zahlreichen gestalteten Erinnerungsorte an den Bäumen. "Wenn sie das alles beseitigen wollen, dann wird es einen Sturm der Entrüstung geben." Ein Zuhörer kommentiert: "Ich glaube, da ist eine Bürgerversammlung das beste."
Oberbürgermeister Peter Rosenberger schließt das im Gespräch mit unserer Zeitung nicht aus. "Es wird jetzt keinen Schnellschuss geben. Zunächst werden wir alle Betroffenen anschreiben und die aktuelle Situation erklären. Möglicherweise wird es dann eine Infoveranstaltung geben."
Der OB spricht bei bisher mehr als 200 Beerdigungen von einem "kleinen Personenkreis", der unzufrieden ist. Er verteidigt die Vorgehensweise der Verwaltung, gesteht aber ein "Eigentor" ein: "Eigentlich sollte man keine Grabgestaltung zulassen, das wurde uns auch von anderen Betreibern empfohlen. Wir waren zu gutmütig und haben gewisse Formen toleriert. Das fällt uns nun auf die Füße. Es wäre wohl besser gewesen, streng an der Satzung festzuhalten."
Einige hätten das Geduldete ausgenutzt und hätten über die Stränge geschlagen. Zur angeblich willkürlichen Art der Entfernung sagt der OB: "Wir rennen nicht jeden Tag durch den Wald und machen Kontrollen, da kann es dann sein, dass Dinge liegen, die eigentlich nicht gestattet sind." Und zur Abwesenheit der Stadt an diesem Abend sagt er:
"Durch die Absage der KEB haben wir auch keine Notwendigkeit mehr gesehen und haben ebenfalls abgesagt. Herrn von Hacht haben wir das mitgeteilt. Wir haben ihm darüber hinaus noch einmal einen Dialog angeboten."
Leitartikel: Die Stadt muss den Trauernden zuhören
Abschied nehmen von einem geliebten Menschen – das ist einer der emotionalsten Situationen. Jeder Betroffene hat dabei eine andere Art der Trauerbewältigung. Und auch deshalb gibt es (mittlerweile) auch so viele unterschiedliche Bestattungsarten.
Der Bestattungswald – wie in Horb auch oft Ruhewald genannt – wird immer mehr nachgefragt. Gründe dafür gibt es mehrere: Der letzte Weg im Einklang mit der Natur ist für Sterbende und Angehörige eine beruhigende, befreiende und angenehme Vorstellung. Mancher möchte aber auch seine Angehörigen möglichst wenig Belastung in Sachen Grabpflege aufbürden. Andere wünschen sich die Anonymität.
Auch im Horber Ruhewald kommen diese und weitere Wünsche zusammen. Die einen stören sich schon daran, wenn der Ruhewald als Spazierweg "missbraucht" wird, obwohl das bei dieser Form der Bestattung gar nicht ausgeschlossen werden kann und auch nicht soll – solange Regeln beachtet werden (Trauernde dürfen nicht gestört werden). Die anderen wünschen sich Formen des Gedenkens ganz unterschiedlicher Art. Manchen reicht der ausgewählte Baum als Orientierung, anderen ein kleines Schild, wieder andere möchten eine Grabschmuckgestaltung.
Und hier gibt es ein Problem: Denn die Stadt Horb hat keine klare Linie verfolgt. Schaut man sich die Vorgaben in anderen Ruhewäldern an, so schließen sie in den allermeisten Fällen Grabschmuck aus. Die Stelle, in die die biologisch abbaubare Urne eingelassen wird, wird allein der Natur überlassen.
So sieht es eigentlich auch die Friedhofssatzung für den Ruhewald Horb vor – und das wäre auch die einzig richtige Vorgabe gewesen. Aber: In Flyern und in einem Info-Dokument im Internet wurde dann Grabschmuck mit natürlichen Elementen gestattet. Darauf haben sich einige verlassen, die sich für den Ruhewald entschieden haben.
Und nun herrscht Unruhe im Ruhewald. Anders, als die Stadt Horb bisher behauptet hat, ist der Protest gegen Auf- und Abräumaktionen sowie Verbote der Stadt Horb kein Einzelfall in der Person Sven Markus von Hacht. Auch andere Betroffene zeigen Unverständnis oder sind verunsichert. Der sowieso schon schwere Abschied von den geliebten Menschen wird noch erschwert durch eine nervenaufreibende Debatte. "Ich habe schon keine Kraft mehr, zum Ruhewald zu kommen", sagt eine Frau mit Tränen in den Augen.
Die Stadt hat am Mittwochabend eine Chance vertan, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Es reicht nicht, still und heimlich die Passagen im PDF-Dokument oder im Flyer auszutauschen und nun allein auf die Satzung zu pochen, dass nun jegliche Grabpflege verboten sein soll. Wer den Ruhewald betrachtet, kann sehen, dass bereits viele individuelle Trauerformen verwendet werden. Diese nun alle "abzuräumen", wäre eine tiefe Verletzung der trauernden Menschen.
Deshalb muss die Stadtverwaltung, die den Fehler begangen hat, weil sie die eigentlich klaren Vorgaben aufgeweicht hat, einen anderen Weg finden: zum Beispiel mit einer einer Bürgerversammlung in respektvoller Atmosphäre für Betroffene und Interessierte. Denn nur noch miteinander kann jetzt eine gültige "Ordnung" gefunden werden, an der sich dann alle orientieren müssen.