Was ist im Nordstetter Ruhewald als Grabschmuck erlaubt und was nicht? Die Diskussion geht weiter. Foto: Schülke

Frage des Grabschmuck-Verbots schürt Konflikt mit Angehörigen. Stadt macht widersprüchliche Aussagen.

Horb-Nordstetten - Egal ob Holzscheiben, Tannenzapfen oder Mooskissen: Das alles ist im Ruhewald als dauerhafter Grabschmuck tabu – und das hat jeder Grabpächter im Vertrag so unterschrieben. Auf diesen Sachverhalt weist jetzt Bürgermeister Ralph Zimmermann hin. Der Klartext zum Thema Ruhewald?

 

Die Vorgeschichte: Mit Beschwerden über die Veränderung oder Zerstörung von Grabschmuck im Ruhewald geht der Grabpächter Sven Markus von Hacht seit November vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit. Er beschuldigt Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Grabschmuck zu entfernen oder zu zerstören. In der Sache sind auf beiden Seiten Rechtsanwälte eingeschaltet.

Aber wer ist nun im Recht? Bürgermeister Zimmermann legte in einem Pressegespräch sowohl Ausdrucke der Anfang 2016 erlassenen Friedhofssatzung für den Ruhewald als auch den Vertragstext für Urnenbelegungsplätze vor. Im Vertrag steht: Zehn Tage nach der Beisetzung darf etwas auf dem Grab liegen, danach gilt: "Grabschmuck in jeglicher Form ist nicht zulässig". In der Satzung wird das Tabu noch einmal im Detail bekräftigt: Grabmale, Gedenksteine, Baulichkeiten, Kränze, Grabschmuck oder Erinnerungsstücke, Kerzen, Lampen oder Anpflanzungen sind nicht gestattet. Ebenso die "Grabpflege im herkömmlichen Sinn".

Immer wieder gibt es Verstöße

Laut Zimmermann halten sich die meisten Grabpächter an die Verordnungen, doch es gebe immer wieder Verstöße. Am Anfang habe es die Stadt nicht so streng sehen wollen. Bei Sven Markus von Hacht sei jedoch mittlerweile das Maß überschritten. Die Stadt wirft ihm nicht nur vor, dass er gegen das Grabschmuck-Tabu verstößt. Das in §5 der Friedhofsordnung vorgeschriebene Verhalten "der Würde des Ortes entsprechend" lege von Hacht oftmals nicht an den Tag. Er störe Führungen und verhalte sich ungebührlich. "Seine Anschuldigungen gegenüber anderen gehen weit über das Maß hinaus, was die Pietät zulässt", sagte Zimmermann, für den es feststeht, dass die Familie von Hacht für ihren Angehörigen die falsche Bestattungsart gewählt haben. "Hier sollte wohl die letzte Unruhestätte gefunden werden", sagte Zimmermann. Die Stadt werde der Familie eine Umbettung der Urne anbieten, auch wenn das wegen den im Wald verwendeten natürlich abbaubaren Urnen schwierig sei. "Ich fürchte nur, Herr von Hacht wird nicht bereit sein, darauf einzugehen", sagte Zimmermann.

Tatsächlich lehnt von Hacht eine Umbettung entschieden ab. Er schildert auf Anfrage unserer Zeitung: "Ich habe bei drei Bio-Urnenherstellern angefragt. Alle haben gesagt, dass eine Umbettung nicht möglich ist. Die Urne zerfällt schon nach ein paar Monaten, und die Asche geht ins Erdreich über."

Kein komplettes Verbot von Grabschmuck

Fassungslos reagiert von Hacht auf den Vorwurf, er verhalte sich im Friedwald ungebührlich: "Ich habe bei keinerlei Führung gestört." Die städtischen Mitarbeiterinnen habe er auf die Veränderungen an den Gräbern angesprochen. "Aber das ist mein Recht. Ich bin forsch, aber ich habe eine Kinderstube. Ich weiß mich zu benehmen."

Dass die Stadtverwaltung sich auf das komplette Verbot von Grabschmuck im Ruhewald beruft, will von Hacht nicht hinnehmen.

Bei genauerem Blick in die Fülle der Satzungen und Gestaltungs-Hinweise fallen tatsächlich Unstimmigkeiten auf. Der in der Satzung und in den Urnen-Verträgen so umfassend abgelehnte Grabschmuck wird in anderen Informationen plötzlich erlaubt. Zum Beispiel in der im Internet erhältlichen Broschüre "Der Ruhewald zum Nachlesen". Dort heißt es unter dem Titel "Erlaubt ist, was bereits da liegt": "Die Urnengrabstätte kann mit natürlichen Materialien, die im Waldstück vorhanden sind, dekoriert werden."

Also doch Grabschmuck? Geht man von einem Schreiben aus, das die Stadt noch vor einem halben Jahr (am 24. Oktober 2018) an Sven von Hachts Mutter geschickt hat, ist Grabschmuck willkommen. Zitat: "Einem geliebten Menschen zu gedenken, ist Trost und Erinnerung. Wir verstehen das tiefe Bedürfnis, diesem Menschen nahe zu sein und unterstützen es mit der erlaubten Grabplatzgestaltung (...). Bitte achten Sie bei der Wahl Ihrer verwendeten, unbehandelten und unbearbeiteten Materialien auf den Herkunftsort heimischer Wald und verzichten auf Kunststoffe, Steckschwämme, Draht, Metall, Porzellan und standortfremde Pflanzen sowie Blumengebinde. Unser Merkblatt fügen wir in der Anlage noch mal bei."

Vorgabe: Gestaltung soll mit Natur vereinbar sein

Weiter heißt es in dem Schreiben: "Bis 10 Tage nach der Beisetzung sind die normalen Grabgestecke und Kränze erlaubt. Danach sollte die Gestaltung der Natur angepasst und mit ihr vereinbar sein." Und hier die Liste des Materials, das die Stadt – zumindest bis Oktober 2018 – noch als dauerhaften Grabschmuck zugelassen hat: Rinde, Reisig und Zapfen, Moos, Farn, lmmergrün, Einzelne Blumen, Beeren, Nüsse, Kastanien, Schneckenhäuser, einzelne kleine Steine (unbehandelt), Kleinere Wurzeln, knorrige Äste oder Baumscheiben.

Kurz und gut: Genug Material für die Deko-Abteilung eines Kaufhauses. Das habe von Hacht der Stadt sogar vorgeschlagen: "Ich habe der Sachbearbeiterin gesagt, ich mache gerne einen Online-Shop mit den erlaubten Deko-Materialien für den Ruhewald auf. Da verdient die Stadt Geld und die Gräber müssen nicht dauernd kaputt gemacht werden. Die Frau fand die Idee gut."

Von Hacht erinnerte sich auch an eine öffentliche Führung: "Da wurde gesagt, dass es auch nach der Zehn-Tage-Frist noch gestattet ist, eine Blume niederzulegen. Es muss eine einzelne heimische Blume sein, etwa eine Sonnenblume."

Von alledem war im Rathaus nicht die Rede. Zapfen, Moos und Früchte? "Nur zehn Tage nach der Bestattung", so Zimmermann in seiner offenbar persönlichen Auslegung der Rechtslage.

Von Hachts Rechtsanwältin sieht es dank der schriftlichen Belege freilich anders. In ihrem Schriftsatz an die Stadt Horb heißt es: "Die Verwendung von natürlichen, im heimischen Wald vorkommenden Materialien ist ausdrücklich gestattet. Bei der Grabplatzgestaltung wurden ausschließlich solche Materialien verwendet. Ich fordere Sie daher auf, es zu unterlassen, die natürlichen, im heimischen Wald vorkommenden Materialien von der Grabstelle des Ehemanns meiner Mandantin zu entfernen bzw. entfernen zu lassen (...)."

Von Hacht sieht in dem Vorgehen der Stadt einen Fall für den Verbraucherschutz und will bei der Staatsanwaltschaft vorstellig werden.

Von der Stadt Horb jedenfalls will er sich nicht einschüchtern lassen. Am Mittwoch, 5. Juni, 18 Uhr, will er an einer öffentlichen Führung im Ruhewald teilnehmen und Fragen stellen. "Es sind sechs bis sieben Leute mit dabei. Auch meine Anwältin."

Diese Führung soll laut Bürgermeister Zimmermann aber in Gruppen getrennt werden, weil die Veranstalterin der Führung, die Katholische Erwachsenenbildung (KEB), nicht mitmacht: "Die keb distanziert sich deutlich von Herrn von Hachts Vorgehen", hieß es in einer Mail an die Stadt.

Von Hacht findet’s schade: "Auch die KEB sollte erfahren, was da in dem Ruhewald los ist."