Marco Ahrlt, Wolfgang Abart und Michael Nokelski von der lebendigen Schwertkunst: Alles selbst erforscht und selbst gemacht - sogar die Schwerter (Mitter) "Betrunkene" Landsknechte (oben, links)), Dr. Bombastus (oben, rechts), Horbs First Ladys Rosenberger und Zimmermann in Gewandung (links, Mitte). Der Abinferis Dudelsack-Frontmann rockt das Mittelalter(rechts, Mitte). Dazu ein bisschen Fantasy, Zauber mit Kristallkugeln und die Lanzen-Attacke der Landsknechte - ein bunter Mix aus Entertainment und Historie. Foto: Hopp

Panzerbrecher mit Menschenknochen, Schwert-Forscher und Axt-Experten.

Horb - Die Ritterspiele. Jede Menge zum Staunen, Fotografieren und zum Mitmachen. Doch was viele nicht sehen: Die Ritterspiele in Horb sind nicht nur Show. Sondern es gibt auch originale Geschichte zu sehen. Belegbar. Erforscht.

Bestes Beispiel: die Lebendige Schwertkunst aus Rottenburg. Gründer Wolfgang Abart kann nicht nur Aikodo, Karate oder Kijutsu, sondern hat erforscht, wie im Mittelalter wirklich gefochten wurde. Abart: "Nicht so wie auf dem Ritterturnier oder in Hollywood-Filmen. Niemand war so blöd und hat sein wertvolles Schwert zerkloppt."

Deshalb hat Abart nicht nur selbst gelernt, wie man Schwerter schmiedet, sondern hat alle Handschriften über den Fechtmeister Johann Liechtenauer aus dem 14. Jahrhundert gesichtet und studiert und historisch-wissenschaftlich ausgewertet. Er arbeiteite schon mit dem Archäologen Stefan Mäder zusammen. Liechtnauer ist der Gründervater der "Deutschen Fechtschule".

Abart zieht ein in Leder gebundenes Buch aus der Tasche. Darin: Zeichnungen und Sinnsprüche. Abart: "Die Liechtnauer Fechtschule beschäftigt sich nicht nur mit dem Kampf, sondern sie ist eine Geheimlehre. Ich bin gerade dabei, Quellen zu sichten, um diese Geheimlehre zu entschlüsseln. Denn: Die Liechtnauer Fechtschule dienste als Ausbildung für junge Ritter – und diese jungen Ritter sollten später die Welt regieren. Deshalb hat die Fechtschule wohl auch das mittelalterliche Wissen von Alchemie, Kosmologie und Kampfkunst gebündelt." Und das soll sein neues Buchprojekt werden.

Nebenan steht sein Fechtkollege Mario Arlt. In greller, gelb-blauer Gewandung. Er grinst: "Diese Augenkrebs-Optik war damals Zeitgeist." Zeigt auf seine Mütze: "Die habe ich nach dem Selbstporträt von Albrecht Dürer genäht. Gott sei Dank war Dürer als Maler ein Fotograf. Ich habe mir alles genau angeschaut. Und gerätselt. Bis ich dann drauf gekommen bin, dass Dürer eine italienische Mütze mit Nackenschutz genommen hat und diesen Nackenschutz so gebunden hat wie auf dem berühmten Bild."

Sein Kollege Michael Nokelski holt dann sein bestes Stück aus dem Zelt: Das Schwert von Konrad von Thüringen (um 1209). Nok: "Das habe ich zusammen mit einem Schwertschmied gearbeitet." Auch sonst ist bei ihm alles detailgetreu Mittelalter und selbstgemacht: Sogar die Trippe – die Überschuhe aus Leder mit einer überdimensional langen spitzen Sohle.

Abart: "Das, was wir machen, ist keine Weltflucht. Wir wollen verstehen, was im Mittelalter passiert ist. Bei der Schmiedekunst war das alte Wissen vor 20 Jahren fast weg. Heute gelingt es schon wieder, Schwerter in einer ordentlichen Qualität zu machen. Aber ganz kommt man bisher an die Qualität der damaligen Schmiede immer noch nicht ran."

Und die war exzellent. Abart: "Gemeinsam mit Stefan Mäder haben wir fünf alte alemannische und keltischen Klingen nach Japan gebracht. Die sind völlig ausgeflippt über die exzellente Qualität!"

Schon hinter der Eisenbahnbrücke das Schild "Museum". Im Zelt ganz am Ende des Lagers steht Tilo Eber aus Ederheim bei Nördlingen. Er zeigt gerade eine Original-Axt von 1331.

Jeder Zuschauer darf sie anfassen. Er hält sie dann in der richtigen Stellung und fragt die Zuschauer: "Was glauben Sie? War die zum Holzhacken? Nein. Das war eine Richtaxt." Zum Köpfe-Abhacken.

Nächstes Grusel-Detail bei den mittelalterlichen Pfeilspitzen. Eder: "Die wurden in Fäkalien getaucht. Als Getroffener hattest Du nur eine Chance, nicht zu sterben. Einen Trichter um die Pfeilspitze in die Wunde reinschieben, bis Du um die Pfeilspitze bist. Den Trichter drehen, bis die Spitze hakt und rausziehen. So hattest Du wenigstens eine 50prozentige Überlebenschance."

Dann drückt er den Zuschauern einen Panzerbrecher mit weißem Griff in die Hand. Datiert: 1610 bis 1615. Woraus mag der weiße Griff wohl sein? Eder: "Der ist aus Menschenknochen. Weil durch die Plünderung im 30jährigen Krieg vor allem Menschenknochen in den Städten übrig geblieben sind." Das ist keine Show, dass ist gruselige Geschichte zum Anfassen!

Drittes Beispiel. Manfred Pieroth. Der Designer hat alle Abbildungen alter Äxte zu Hause. Er sagt: "Ich bin 1997 auf der Thema gekommen. Ich habe das Gohstad-Schiff studiert und eine Axt als Schmuck entdeckt im Bug entdeckt. Dann traf ich einen Kurator in Speyer und sprach ihn auf das Thema Axt als Schmucksymbol an. Dann lief es bei ihm ab wie ein Uhrwerk – und bei mir öffnete sich ein weites Feld."

Deshalb bietet er jetzt – auch in der Schillerstraße in Horb – seinen Axtschmuck an. Von der Axt aus der Bronzezeit von 1600 von Christi bis hin zur Axt mit Kreuz drin, auf dem die Germanen ihren Waffeneid abgelegt haben.

Portath: "Ich recherchiere genau, bis ich die richtige Form und den richtigen Materialmix habe. Mein Anspruch ist, die Axt als Schmuck so herzustellen, dass sie den Fundstücken ihrer Zeit vom Material und der Machart her entsprechen."

Sein neuestes Projekt: Die Amazonen. Porath: "Funde untermauern, dass es sie wirklich gab. Die wissenschaftlichen Auswertungen haben ergeben, dass die Amazonen offenbar speziell ausgebildete Muskelregionen im Oberkörper hatten. Das beweist wohl, dass es diese Kriegerinnen wirklich gegeben hat. Ich bin also gespannt, was da bei meinen Recherchen raus kommt."

Nur drei Beispiele von den Ritterspielen in Horb. Sie zeigen: Die Vergangenheit ist hier nicht nur Show. Sondern wird wirklich gelebt und erforscht.