Vor Gericht kam es in diesem Fall zu keinem Urteil. (Symbolfoto) Foto: Deck

79-Jähriger schlägt mit Schneeschaufel auf Zwei-Meter-Mann ein. Jahrelanger Nachbarschaftsstreit.

Horb - Verhandlung im Amtsgericht Horb. Der Vorwurf: Gefährliche Körperverletzung. Auf die Anklagebank setzt sich Opa Christian (79, Name geändert). Schlank, fein gebügeltes hellblaues Hemd. Etwas klapprig, verbitterter Zug um den Mund. Geschätzt 1,75 Meter groß. Er soll den Zwei-Meter-Mann Thomas B. (58, Name geändert) mit einer Schneeschaufel geprügelt haben.

Der irre Höhepunkt eines Nachbarschaftsstreits in einem Ortsteil von Horb.

Was war da los?

Thomas B. ist Handwerker. Opa Christian ist sein Schwiegervater. 22 Jahre lang hatten beide ein gutes Verhältnis – auch, als B.s Frau 1994 gestorben ist. Das änderte sich, als der Handwerker das leer stehende Grundstück im Jahr 2017 neben Opa Christian kaufte. Der Handwerker: "Ich wollte da eine Garage für mein Wohnmobil bauen. Ich habe meinem Ex-Schwiegervater daneben sogar eine drei Meter breite Zufahrt gelassen, damit er in seinen Garten kommt."

Doch das passt Opa Christian und seiner Frau wohl gar nicht. Erst sagte er allen Nachbarn, dass sie weiter auf B.s Grundstück parken können. Als B. dann die kaputte Grenzmauer auf seine Kosten reparieren wollte, flippte Opa Christian zum ersten Mal aus, so erzählt der Handwerker: "Er rief: Das geht nicht. Beschimpfte meinen Kumpel und mich als Arschloch und Angeber."

Versuche der Versöhnung scheitern

Die neue Frau des Handwerkers besuchte Opa Christian und seine Familie, um beide zu versöhnen. Vergeblich. Jetzt startete der Kleinkrieg richtig, so der Handwerker: "Er hat sogar das Auto meiner Tochter mit Farbe besprüht. Als ich Rasen gemäht habe, wollte er mir den Mäher aus der Hand reißen. Doch ich bin immer ruhig geblieben und habe mir gedacht, ich lasse mich nicht provozieren."

Opa Christian und seine Familie, so der Handwerker, hätten ihn auch bei seinen Sportkameraden und überall im Ortsteil angeschwärzt. Angeblich habe der Handwerker für Löcher in seine Fassade gemacht. Thomas B: "Dabei hat seine Fassade 40 Jahre lang keine Farbe gesehen."

"Er beschimpfte mich als Psychopath"

Die Eskalation dann beim Schneeschippen. 31. Januar. Morgens. Der Handwerker: "Ich habe die eine Hälfte Schnee auf die Wiese geworfen, die andere Hälfte Richtung meines Nachbarn. Dann kam er raus und schippte alles wieder vor meine Einfahrt. Er beschimpfte mich als Psychopath. Ich habe ihm gesagt, er soll mein Grundstück verlassen. Dann habe ich sie gehabt. Zack!"

Opa Christian, so der Handwerker, habe ihn mit der Schneeschaufel am Kopf getroffen. Das Opfer: "Ich habe sie ihm aus der Hand gerissen und auf sein Grundstück geworfen."

Laut Richter Albrecht Trick hatte das Opfer eine kleine Schneeschaufel – rot mit blauem Griff. Opa Christian dagegen eine große, gelbe Kunststoff-Schaufel.

Der Handwerker weiter: "Ich war fix und fertig. Kreidebleich. Ich bin gleich zum Arzt gefahren. Tagelang hatte ich Kopfweh."

Der Zwei-Meter-Mann: "Wenn Christian gesagt hätte: Mir ist der Gaul durchgegangen und sich dann entschuldigt hätte – okay. Aber ich habe seit über einem Jahr mit ihm den Nachbarschaftsstreit. Deshalb habe ich Strafanzeige erstattet, damit endlich mal Ruhe ist." Opa Christian schaut ihn kaum an.

Richter Albrecht Trick: "Gäbe es heute noch die Möglichkeit, sich zu versöhnen? Ohne Urteil das zu beenden? Versprechen Sie, sich erwachsen zu benehmen. Wenn ich ein Urteil spreche, wird einer von ihnen Kreide fressen."

Opa Christian zieht sich mit seinem Verteidiger Michael Doll zur Besprechung zurück.

Der Zwei-Meter-Mann: "Ich tue mich schwer. Seit zwei Jahren muss ich mich unterste Schublade von dem beleidigen lassen. Wie der uns verletzt hat – meine Familie und mich. Jetzt soll ich ihm die Hand geben. Ich bin gottfroh, dass ich mich so im Griff gehabt habe. Was wäre, wenn in der Schaufel ein Nagel oder eine Schraube gesteckt hätte?"

Opa Christian kommt mit seinem Anwalt zurück. Sagt: "Wir sind einverstanden. Dass wir uns entschuldigen und zusagen, in Zukunft so etwas zu unterlassen. In Zukunft geht man sich aus dem Weg."

Das Opfer zögert sichtlich. Sagt: "Ist okay. Dann nehme ich die Entschuldigung an."

Richter Trick schließt dann die Verhandlung. Kein Urteil, wegen "Täter/Opfer-Ausgleich". Die Kosten fallen der Staatskasse anheim.

Und? Gibt es jetzt Ruhe? Der Zwei-Meter-Mann: "Hoffentlich. Ich bin nicht sehr optimistisch!"