Die Zahl der Pakete, die die Deutsche Post transportiert, nimmt Jahr für Jahr zu. Foto: Stratenschulte

Insider berichten von tagelang liegenden Briefen. Dementi von offizieller Stelle.

Horb - Blieben in den vergangenen Tagen Briefe bei der Post liegen? Wenn man einigen Postboten Glauben schenken will, war das so. Die offizielle Seite bestreitet das jedoch – und verpasst Maulkörbe an die Maulwürfe.

Anna F. (Name von der Redaktion verändertet) wartete auf einen wichtigen Brief. "Mehreren Tagen schaute ich vergeblich in den Briefkasten. Das kann ich überhaupt nicht verstehen." Ihr Postbote zuckte mit den Schultern. Er könne nichts dafür.

Was war nach Weihnachten los bei der Deutschen Post in Horb? Im Gespräch mit unserer Zeitung reden zwei Postboten – die namentlich nicht genannt werden möchten, weil ihnen ansonsten Konsequenzen drohen – Klartext. "Wir leiden unter dauerhaftem Personalmangel", berichtet der eine. "Wenn dann noch Krankheitsfälle dazukommen, werden ganze Bezirke zusammengelegt." An drei Tagen – ganz normale Austrage-Tage, unter anderem Silvester – sei fast nichts mehr gegangen, erzählt der andere Kollege. Ausnahme seien Zeitungen gewesen, die ein Notdienst ausgetragen habe. "Das muss ja auch sein, denn das würde sonst auffallen."

Pakete haben Vorrang vor Briefen

Mehrere Tage hätten Pakete Vorrang vor Briefen gehabt. Mal seien nur die einen Straßen im Ort beliefert worden, mal die anderen. Und immer wieder seien die Horber Postboten mit ihren Stundenzahlen an ihre erlaubte Grenze gekommen. "Manche Kollegen haben dann trotzdem weiter ausgetragen, weil sie den Frust der Kunden verhindern wollten, den sie dann wieder abbekommen. Und auch weil sie wussten, dass die Mengen an Briefen und Paketen ja die Folgetage nicht geringer werden."

Die Belastung für die Postboten nimmt auch wegen der deutschlandweit steigenden Zahl der Pakete zu. "Viele unsere Kolleginnen und Kollegen klagen über Rückenschmerzen. Es fehlt an Hilfsmitteln in den Autos. Heben sie mal den verpackten Weihnachtsbaum, die großen Tierfuttersäcke oder das schwere Fitnessgerät tagtäglich aus dem Wagen." Kein Wunder, dass dann solche Vorfälle wie im vergangenen Jahr vorkommen würden, sagt der eine. Eine Postbotin hatte in Horb hunderte Briefe einfach in den Papiermüll geworfen. Sie gab an, überfordert gewesen zu sein.

In den vergangenen Tagen lagen laut Erzählungen der beiden Postboten die Nerven vieler Kollegen erst recht blank. "Einige drohten damit, sich krank zu melden."

Der Schwarzwälder Bote fragte deshalb bei der Pressestelle der Deutschen Post am vergangenen Montag nach. Und das führte prompt zu einer Reaktion am Dienstag. "Das hat heftig gekracht. Erst einmal haben wir alle einen Maulkorb bekommen. Internas dürfen nicht mehr Preis gegeben werden. Die Chefin aus Freudenstadt kam und erklärte, dass sie von den Problemen in Horb ja gar nichts gewusst hätte, sonst hätte man doch etwas getan. Aber wir haben das ja jeden Tag gemeldet. Ihre Antwort: Das ist nicht angekommen." Und plötzlich sei gestern auch wieder alles besser gelaufen und es habe Unterstützung gegeben.

Doch was sagt die Presseabteilung über die kritisierten Arbeitsumstände? "Unsere Postboten liefern unterm Jahr an jedem Werktag bundesweit rund 4,6 Millionen Päckchen und Pakete aus, in den Wochen vor Weihnachten waren es deutlich mehr, am Dienstag vor Heiligabend waren es rund elf Millionen. Die Postboten, die die Sendungen jeden Tag zu den Empfängern bringen, haben ganz bestimmt keinen einfachen Job, aber sie machen ihren Job gerne und sehr gut", so der Pressesprecher. "Allerdings lassen sich bei solchen Sendungsmengen Fehler einzelner Mitarbeiter nie ganz ausschließen." Schiebt da die Deutsche Post die Schuld auf die Mitarbeiter?

Rückstände laut Pressestelle restlos ausgeliefert

Zur Situation in Horb nimmt der Pressestelle ebenfalls Stellung. In allen Zustellbezirken in Horb seien in den letzten drei Wochen an allen Tagen Zustellkräfte eingesetzt worden und "es wurden auch bis auf wenige Ausnahmen an allen Tagen alle zur Zustellung vorliegenden Sendungen ausgeliefert".

Der Pressesprecher berichtet weiter: "Im gesamten Zeitraum mussten insgesamt nur sieben Mitarbeiter wegen extrem hoher Sendungsmengen die Zustellung abbrechen, weil sie sonst die täglich zulässige Höchstarbeitszeit überschritten hätten." Eine Aussage, die die Postboten, mit denen wir sprachen, mit einem Kopfschütteln quittieren.

Die dadurch entstandenen Rückstände seien an den darauffolgenden Tagen restlos ausgeliefert worden, so der Post-Sprecher weiter. "Wird eine Zustelltour abgebrochen, sind die Kollegen gehalten, am nächsten Tag dort mit der Zustellung anzufangen, wo sie sie am Vortag abgebrochen haben. So wird ausgeschlossen, dass Kunden an mehreren aufeinander folgenden Tagen keine Post bekommen."

Die Deutsche Post sieht andere Gründe für das geringere Briefaufkommen der vergangenen Tage: die Feiertage und die Lage dieser Feiertage im Jahr 2018. Dadurch habe es weniger Sendungen gegeben. "Durch diese sehr geringen Sendungsmengen konnten Zustellbezirke zusammengelegt werden, so dass weitaus weniger Zustellkräfte eingesetzt werden mussten als sonst. Das ist betriebswirtschaftlicher Personaleinsatz und einige Zusteller freuen sich über einen verlängerten ›Kurzurlaub‹." An der Basis wurde das allerdings nicht so gesehen. "Was bringt es mir, wenn ich danach die aufgestaute Menge nicht mehr bewältigen kann?"

Auch weitere Kritikpunkte erwidert der Pressesprecher. "Da zwischen den Feiertagen nur wenige Firmen und Behörden arbeiteten, ist es auch nicht verwunderlich, dass für viele Haushalte in dieser Zeit nur Tageszeitungen und Pakete zur Zustellung vorlagen. Und es gab tatsächlich auch Straßen, für die an einzelnen Tagen keine Sendungen zur Zustellung vorlagen."

Brief-Laufzeiten werden von Institut geprüft

Grundsätzlich würden in Horb Briefe und Pakete von einem Postboten gebracht und gleichrangig zugestellt (Verbundzustellung). Würden zusätzlich zu den regulären Zustellkräften sogenannte Entlaster eingesetzt, wie in der Weihnachtszeit üblich, werden Briefe und Pakete zeitweise auch einmal getrennt zugestellt.

Also schöne heile Welt Deutsche Post AG? Einer der befragten Postboten aus Horb lacht: "Wer das liest, der denkt, das ist ein Traumberuf. Aber es wird immer schwieriger, neue Leute für den Job zu gewinnen. Ich bin wirklich gespannt, wie es in den kommenden Jahren weitergeht."

Nach der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) müssen Briefe und Pakete werktäglich zugestellt werden. "Diese Pflicht erfüllt die Deutsche Post", sagt der Pressesprecher. "Die PUDLV schreibt uns vor, dass wir innerhalb von Deutschland mindestens 80 von 100 Briefen am nächsten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zustellen. Tatsächlich erreichen 93 von 100 rechtzeitig eingelieferten Briefen ihre Empfänger im gesamten Bundesgebiet bereits am nächsten Werktag."

Diese Brief-Laufzeiten würden von einem externen Institut mit Hunderttausenden Prüfbriefen nach einem TÜV-zertifizierten Verfahren ermittelt.