Das Führungsteam am Stammtisch mit Adrian Friese (links), Direktkandidat der Piratenpartei zur Bundestagswahl: Frank Popko, stellvertretender Vorsitzender für Calw, Kassenprüferin Tatjana Göbes , Vorsitzender Claudio Schäl, Schatzmeister Heiko Eisenbrückner und Norbert Scharf, stellvertretender Vorsitzender für Horb. Foto: Hopp

Regelmäßiger Parteistammtisch im Kloster Horb. Mitglieder wollen kommunalpolitischen Einfluss vergrößern.

Horb - Die Piraten formieren sich im Nordschwarzwald: Seit September gibt es einen Kreisverband Calw/Freudenstadt der neuen Partei. Regelmäßig treffen sich Mitglieder und Sympathisanten in der Klostergaststätte in Horb. Ein Besuch beim 34. Stammtisch:

An einer langen Tafel wird über Lokalpolitik diskutiert, es wird geschimpft, ab und an eine bierselige Weisheit aufgetischt. Wer hier tagt, verrät zunächst nur ein Button am T-Shirt eines Teilnehmers. Pirat steht darauf. Der Träger hat einen langen Schnauzbart, an seinem Finger trägt er einen Ring mit Prägung, die an einen Totenkopf erinnert. Norbert Scharf, stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender aus Horb-Mühringen, ist der einzige in der Runde, der die Piraten-Assoziation weckt. Sie ist beim Blick in die Runde nicht haltbar: neun Männer, eine Frau, alle nicht sonderlich verwegen. Egal, ohnehin geht es hier um die Politik hinter dem plakativen Namen.

Das, was diesen Stammtisch zusammenhält, ist die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien. Die Gründe für das Engagement bei den Piraten ist der Ärger über "Zensursula", wie Ursula von der Leyen am Stammtisch genannt wird, die sich für die Sperrung von Internetseiten stark gemacht hat. Oder das Unverständnis über den Freiheitsbegriff der FDP. Die Freiheitspartei, das seien jetzt sie, sagen die Piraten.

Rund 70 Mitglieder hat der Kreisverband Calw/Freudenstadt. Gegründet wurde er im September, separate Piratenstammtische in Freudenstadt und Calw gibt es schon deutlich länger. Noch sitzen die Nordschwarzwald-Piraten in keinem Gemeinderat. Trotzdem sind es vor allem lokale Themen, die in der Klostergaststätte diskutiert werden. Das HOR-Kennzeichen, der Nationalpark und die Krankenhaus-Frage. Die Piraten wollen von der Basis her denken: "Die Themen in der Piratenpartei kommen von unten her", sagt Scharf. Selbst die Bundesebene nimmt Vorschläge der Mitglieder auf – über das Computerprogramm für politische Meinungsbildung, dem sogenannten Liquid Feedback, können Ideen eingebracht werden.

Politikstil setzt auf Transparenz

"Man muss sich nur ins Programm einklicken und dort über Vorschläge abstimmen – wo kann man das sonst?", sagt ein Mann, der regelmäßig zu den Stammtischen kommt. "Der Datenschutz ist mir wichtig, ich surfe gern im Internet und will mir nicht nachsagen lassen, auf welchen Seiten ich war." Auch deshalb ist er begeistert von der neuen Partei. Und zugleich ernüchtert. Weil es ihm auch bei den Piraten zu langsam vorangeht. "Wo habt ihr bisher Öffentlichkeitsarbeit gemacht?", fragt er echauffiert in die Runde. Der neue Politikstil, für den die Piraten stehen, setzt auf Transparenz und Konsensfindung – und das braucht Zeit.

Bevor die Piraten eine Meinung zum Nationalpark kund tun, wollen sie Befürworter und Gegner treffen. "Wir dürfen nicht dem Lobbyismus unterliegen. Der ist unser Gegner", sagt Norbert Scharf. Es klingt so feierlich wie der Aufruf des Captains zur Schlacht.

Zum Angriff gelaunt ist Scharf bei seinem Lieblings-Thema: der Rettung der Freiheit. Dafür hat er in der Piratenpartei die Motorrad AG gegründet, in der er gegen Fahrverbote an Sonntagen, etwa auf dem Lochenpass in Balingen, kämpft. "Es geht um ein Grundrecht, Fahrverbot ist eine Kollektivstrafe", sagt er. Der Satz klingt nach drei Ausrufezeichen. Eine junge Frau, einzige Piratin beim Stammtisch, greift in hitzigen Momenten ein. "Das ist aber keine Aussage der Partei", sagt sie mehrmals. Wofür steht aber die Partei? Für Bürgerrechte und Freiheit, wie Scharf fordert, für sensiblen Umgang mit Daten, für Transparenz statt Kumpanei.

Die Politikauffassung der Piraten ziehe ihre Kreise, sagt Claudio Schäl aus Wildberg, Vorsitzender des Kreisverbands: "Die Forderung nach Offenlegung von Steinbrücks Honoraren hätte es ohne uns nicht gegeben." Schäl hat politische Erfahrung. Bis vor zwei Jahren hat er die Junge Union im Kreis Calw geleitet.

Von der CDU zur Piratenpartei? "Ich find' den Seitenwechsel gar nicht extrem", sagt er. Der Austritt aus der einen und Eintritt in die andere Partei hätten auch gar nichts miteinander zu tun. Schäl sagt: "Die Politik hat sich weg vom Menschen bewegt." Dass die CDU nicht entschieden gegen Leiharbeit eingetreten ist, war für Schäl persönlich ein Grund für den Austritt. "In der Jungen Union kann man noch viel bewegen", sagt er. Die Perspektive in der Partei sei aber schwierig gewesen.

Von vielen Leuten nicht ernst genommen

In der Region klinken sich die Piraten mehr und mehr ins politische Geschehen ein. Jüngst positionierten sie sich mit einem offenen Brief zur Krankenhausfrage. Zum 34. Stammtisch ist trotzdem niemand gekommen, der die Piraten nicht schon kennt.

Die Partei würde von vielen Leuten nicht ernst genommen, sagt er. "Die rechnen damit, dass wir wieder verschwinden." Schäl grinst siegessicher. Er legt die Stirn kraus und schaut über seine randlose Brille. "Es gibt viel zu tun, beobachten Sie uns."