Jo Berlien alias Johannes Klomfaß hat "Papa Sorglos" geschrieben. Foto: Verlag Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Jo Berlien alias Johannes Klomfaß über das Vatersein, Schwierigkeiten für Papas und die Befreiung von Klischees

Horb. Jo Berlien kennt man in Horb besser unter anderem Namen: Johannes Klomfaß, Jahrgang 1965, stammt aus dem Café AmErika in Mühringen, er ist gelernter Tageszeitungsredakteur, schrieb 15 Jahre lang (bis 2004) für die Südwest Presse in Horb, lebte in Berlin, Hamburg, Straßburg und war dort für diverse Abgeordnete im Bundestag und im Europäischen Parlament tätig. 2012 wurde er Vater von Zwillingsmädchen, er wohnt mit seiner Familie in Horb und publiziert seit seiner Zeit im Bundestag unter dem Pseudonym Jo Berlien. "Papa Sorglos – Väter machen nichts richtig, aber manches besser" ist Anfang April im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, erschienen. Wir haben mit ihm über das Buch, die Vater-Rolle in der Erziehung und das Leben als Zwillingspapa gesprochen.

Herr Klomfaß, Eltern-, Mütter-, Väter-Ratgeber gibt es viele. Ihr Werk soll kein Ratgeber sein. Was ist anders bei "Papa Sorglos"?

Das Buch soll unterhalten. Und den Spaß an Kindern und am Vatersein zurückbringen. Kinder gehören zum Leben, Kinder sind das Größte! Das Problem ist: Als ich jung war, habe ich das auch nicht geglaubt. Eines Tages las ich ein "Spiegel"-Interview mit dem Blues-Sänger Tom Waits, der Vater geworden war. Von diesem Tag an wollte ich Kinder haben. So viel zum Thema, ob Artikel- oder Bücherschreiben etwas bewirken kann.

Hätten Sie sich vor Ihrem Papa-Dasein vorstellen können, dass ein Väter-Buch wichtig oder hilfreich sein kann?

Nein. Als Mann gerätst du in die Sache so rein. Die Frau ist schwanger und verändert sich rasant. Hormone! Hormone! Der Mann bleibt ratlos zurück. Dann ist das Kind da und er muss damit klar kommen. Ohne Hormonschub. Wenn der Mann das Kind als sein Projekt begreift, geht er zielgerichtet vor und liest sich, typisch Mann, in das Thema ein, um das Problem zu lösen.

Sie erzählen aus Ihrem Leben, beleuchten Promis, schauen in die Wissenschaft und in die Gesellschaft: Was soll Ihr Buch bestenfalls bei lesenden Vätern erreichen?

Ein Thema im Buch sind die feigen jungen Männer, die einbeinig im Leben stehen und ihre Freundin hängen lassen: Kinder? Och nö, hat noch Zeit! Mein Vater hatte mit 30 drei Kinder. Ich wurde mit 47 Vater. Das muss sich wieder drehen. Ich setze auf die jungen undogmatischen Väter, denen die Zeit mit ihren Kindern wichtiger ist als Karriere. Oder die Kind und Job einfach durchziehen.

Angst und Unsicherheit: Typische Gedanken eines Mannes vor der Geburt des eigenen Kindes?

Bestimmt gibt es auch Frohnaturen, die bei der Geburt mit dem Smartphone draufhalten. Ich bin von Berufswegen Skeptiker und rechne mit dem Schlimmsten. Bei so ‘ner Zwillingsschwangerschaft kann viel passieren, damit habe ich einige Kapitel gefüllt.

Die meisten Väter sagen ja, dass sie am Anfang noch nichts mit ihrem Kind anfangen können. Ist das etwas, was sie nachvollziehen können?

Der mitteleuropäische Durchschnittsmann fängt mit Kindern etwas an, sobald er mit ihnen reden kann. Wir tun uns immer noch schwer, Gefühle zu zeigen. Kinder rühren an unserem Innersten, sie stimmen sentimental, es geht einem das Herz auf – darauf lassen sich manche Männer lieber nicht ein. Positiv formuliert: Kindern gelingt es, Männer aus ihrer Verstocktheit herauszulocken.

Die Rollen von Mutter und Vater haben sich verändert. Der Spagat zwischen Arbeit und Familie – viele Väter fühlen sich überfordert. Wie komplex ist die Vaterwelt geworden?

Nun mal halblang: Frauen erledigen unverändert die Hauptarbeit. Daran ändern ein paar junge aufgeklärte Väter in den Großstädten wenig. Im tradierten Rollenverständnis bleibt der Mann Ernährer und Hauptverdiener. Schweden ist Musterland bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch dort nimmt nur annähernd die Hälfte der Väter das Elterngeld in Anspruch. Männer müssen sich mehr trauen, mehr Verantwortung übernehmen.

Was sind denn die größten Klippen, die man als Papa umfahren muss?

Man umfährt sie ja nicht, man knallt jedes Mal voll drauf. Im Ernst: Bedrohlich für die Beziehung ist, wenn der Mann die Partnerin, mit der er zuvor um die Welt und um die Häuser gezogen ist, ans Muttersein verliert. Passt auf, Leute, dass das Kind euch nicht auseinanderbringt!

Kann man als Vater eigentlich nichts richtig machen, wie der Untertitel ihres Buches sagt?

Ein unerfahrener Vater kann es der umsorgenden Mutter selten recht machen, darum geht’s. Die Mutter weiß wie’s läuft, Papa stellt sich ungelenk an – so ist das Klischee. Ich sage: Männer, macht euch frei davon! Ein Vater imitiert nicht die Mutter und er ignoriert manchmal auch deren Vorgaben. Er übernimmt Verantwortung, bleibt cool und versucht es der Frau natürlich trotzdem immer aufs Neue recht zu machen.

Und was machen Väter heutzutage besser?

Sie machen es anders. Männer sind nicht so zimperlich. Ist es dem Baby eh schon zu warm, setzt der Vater ihm nicht noch die von der Mama mitgegebene Mütze auf. Papa Sorglos hilft dem Kleinkind heraus aus dem Mamakosmos. Papa ist Beschützer und Ermöglicher. Das Kind braucht Mutter und Vater – und erinnert mitunter dran, wie einst der eigene Papa gefehlt hat.

Sie sind selbst Vater von Zwillingen. Ist das doppelt so schwer?

Das Leitmotiv aller Mehrlingseltern lautet: "Eins kann jeder!" Zwillinge bedeuten für uns "Double Trouble, Double Happiness". Es ist unverschämtes Glück, Zwei auf einmal zu bekommen! Öffentlich zu klagen, wie schwer es ist, Zwillinge durchzubringen, ist lächerlich. Meine Uroma Magdalena zog, nachdem der Uropa bei einem Unfall gestorben war, elf Kinder alleine groß.

Mann wächst mit den Aufgaben: Ist das so? Oder kommen immer neue Aufgaben dazu, die einem über den Kopf wachsen?

Es ist wie mit allem im Leben: Wenn man es hinter sich hat, ahnt man, wie man es hätte besser machen können. Eine Freundin aus Hamburg, selbst Mutter, hat mir früh alle Illusionen genommen mit dem Satz: "Auch die guten Phasen mit Kindern gehen vorbei." Ich finde: Kinder sind jede Anstrengung wert.

Sie selbst waren früher angestellter Zeitungsredakteur, seit einigen Jahren sind sie selbstständig. Hat man es da einfacher als Papa?

Ja, man teilt sich die Zeit selbst ein. Einmal habe ich einen wichtigen Termin sausen lassen. Ich musste mit einem der Mädchen in die Klinik, Verdacht auf Lungenentzündung, bei einer Zweijährigen kein Spaß. Als Angestellter kommst du halt später. Als Freier hörst du: Verschieben? Unmöglich! – Das war’s dann. Ich bin in die Klinik gefahren. Scheiß auf den Auftrag!

Der Titel lautet "Papa Sorglos". Hand aufs Herz: Ist das tatsächlich möglich?

"Papa Sorglos" meint ja, dass Männer entspannter an die Sache ran gehen und in ihrer männlichen Hemdsärmeligkeit dem Kind viele Ängste nehmen. Ein Vater wird aber, da haben Sie Recht, immerzu Sorge haben um seine Brut, das ist unsere Natur.

Das buch: Jo Berlien, "Papa Sorglos – Väter machen nichts richtig, aber manches besser", ISBN-Nr. 978-3-86265-635-6, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 264 Seiten, 9,99 Euro