Um eine Gewalttat, bei der Alkoholmissbrauch eine Rolle gespielt hat, ging es bei einem Prozess vor dem Horber Amtsgericht. Foto: Klose

42-Jähriger zu einem Jahr Haft in Entziehungsanstalt verurteilt. Gutachter diagnostiziert Persönlichkeitsstörung.

Horb - "Mann mit zwei Gesichtern", "tickende Zeitbombe" – so nennt Richter Albrecht Trick einen 42-Jährigen, der seine Freundin geschlagen und lebensbedrohlich gewürgt hat. Im Saal des Amtsgerichts wirkt der Angeklagte ruhig und konzentriert. Wie jemand, der einen Dämon im Bann halten muss.

Rückblende: Der Mann sitzt am Tisch einer Straßenwirtschaft am Horber Bahnhof und führt Selbstgespräche. Er redet laut. Die Leute an den anderen Tischen sollen es hören. "Ich habe genug Schüsse für euch alle." Auf dem Tisch liegt ein Vier-Millimeter-Revolver der Marke Röhm. Waffenfreunde belächeln solche Geräte als "Mäusekaliber" – doch davon wissen die Gäste an den Tischen nichts, die in diesem Moment einen Horror durchleben. Der Mann greift die Waffe – schießt. Zum Glück nur auf den Boden.

Der angelernte Industriemechaniker liebt Waffen. Sein Leben hat er mehr schlecht als recht im Griff. Jobbt unregelmäßig als Leiharbeiter, trinkt und kifft, gerät mit dem Gesetz in Konflikt. Gewalt, Bedrohungen, "Roheitsdelikte", wie Richter Albrecht Trick die Vorstrafen zusammenfasst. Die letzte liegt noch nicht lange zurück: Im August vergangenen Jahres macht sich der damals 41-Jährige nicht nur einer gefährlichen Körperverletzung schuldig, er begeht auch Bewährungsbruch.

Warum sich der Mann mit seiner Freundin gestritten hat, kommt in der Verhandlung nicht heraus. Die Frau spricht von "wirrem Gerede mit vielen Schimpfwörtern". Was sie an diesem Abend aber deutlich spürt: Ihr Freund ist ziemlich betrunken und mies drauf.

Warum dieser Streit? So oft Richter und Gutachter den Angeklagten und seine Freundin auch fragen, die Antworten bleiben vage. Die Freundin, eine Mutter von zwei Jungen aus ihrer geschiedenen Ehe, versöhnt sich nach der Tat mit ihrem Peiniger. Er habe sich entschuldigt. Besserung beteuert. "Ohne Alkohol ist er der ruhigste Mensch der Welt", gibt sie zu Protokoll. Die beiden leben noch zusammen. "Er liebt die Kinder, und die Kinder lieben ihn." Dann sagt sie noch: "Ich liebe ihn. Es geht nicht nur darum, dass ich ihn brauche."

An dem besagten Augustabend zeigt der Mann dennoch sein dämonisches Gesicht. Er schildert: "Ich habe in der Nacht davor nicht schlafen können." Statt im Schlafzimmer im Bett neben seiner Freundin zu liegen, sitzt er allein im Raucherzimmer der Wohnung. Zuerst trinkt er ein paar Flaschen Bier, dann steigt er auf mazedonischen Rotwein um. Ein Glas nach dem anderen trinkt er, bis zwei Flaschen leer sind.

Am nächsten Morgen will seine Frau wegfahren, um einen ihrer Söhne, der auf Reisen war, abzuholen. Sie bringt ihrem Freund noch einen Kaffee. Nachdem sie weg ist, geht er nach draußen, kauft ein, kommt in die gemeinsame Horber Wohung zurück – und fängt dort am frühen Nachmittag an, Wein zu trinken.

Als seine Freundin am Abend zurückkommt, merkt sie, dass etwas nicht stimmt. "Wenn er getrunken hat, macht man am besten einen Bogen um ihn", sagt sie vor Gericht.

An dem Abend entkommt sie ihm aber nicht. Er versetzt ihr Faustschläge, wirft sie zu Boden, es gibt ein Gerangel. Dann greift er sie am Hals und drückt zu. "Da ging mal kurz das Licht aus", beschreibt die Freundin dem Gericht das Gefühl der Ohnmacht. Eins ihrer Kinder rennt in Socken zur Horber Polizei, und als die sich auf den Weg zu der Wohnung macht, taucht unten auch der angetrunkene Täter auf. Er habe den Jungen gesucht. Die Beamten machen einen Alkotest: 0,83 Promille. In der Wohnung ist Blut am Boden. Die verletzte Freundin wird ins Krankenhaus gebracht.

Der psychiatrische Gutachter attestiert dem 42-Jährigen eine schwere, krankhafte seelische Störung sowie Abhängigkeit von Alkohol und Cannabis. "Auch ohne jegliche Drogeneinwirkung kann er unter Belastung impulsiv reagieren." Sinnesreize, die bei anderen erst einmal gedankliche Reaktionen auslösen, können den 42-Jährigen zum Ausrasten bringen, weil er die Information nicht einordnen kann. Wenn dann noch Alkohol oder Cannabis dazukommen, gleitet der Mann in einen "psychischen Ausnahmezustand".

Der Staatsanwalt sieht den Bewährungsbruch als gravierend an und fordert ein Jahr Haft ohne Bewährung. Die Verletzung der Frau sei "kein Bagatelldelikt". Der Rechtsanwalt versucht, das Schlimmste abzuwenden, plädiert für acht Monate auf Bewährung. Sein Mandant trinke nur noch wenig, sei familiär integriert und habe eine feste Arbeitsstelle. "Er hat sich seinem Verhalten gestellt, sich ausgesöhnt".

Zu seinem letzten Wort steht der Angeklagte auf, bittet um Entschuldigung für seine Taten. "Ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen und verschiedene Sachen noch mehr in Angriff zu nehmen", sagt er.

Richter Albrecht Trick verurteilt den 42-Jährigen zu einem Jahr Haft in einer Entziehungsanstalt. Er sagt: "Eigentlich tut es mir Leid, Sie heute zu verurteilen. Denn Sie gehören nicht ins Gefängnis. Sie machen einen netten, aufgeräumten Eindruck. Aber wie lange kann man, wie lange darf man zuschauen?" Die Kriminalprognose sei ungünstig. Trick erläutert: "Sie ticken immer wieder aus. Dann sehen wir das zweite Gesicht." Die Tat an seiner Freundin sei "spitz auf Knopf" an einem Totschlag vorbeigegangen. "Denn wenn jemand keine Luft mehr bekommt, kann in kurzer Zeit der Tod eintreten", sagt Trick. Der Kampf gegen die eigenen Dämonen. "Ohne fremde Hilfe schaffen sie es bei Weitem nicht."