Bei Ahldorf soll ein Gewerbegebiet entstehen. Foto: Geiger

Vorsitzender Lambert Straub spricht über Pläne bei Ahldorf. "Naturschützer sind bei Stadtplanern wohl nicht beliebt."

Horb-Ahldorf - Die Bürgerinitiative Hau und Holzwiese stemmt sich seit der ersten Stunde gegen das geplante Gewerbegebiet bei Ahldorf. Doch was sagt der Naturschutzbund Horb eigentlich zu dem Thema? Die Mitglieder haben inzwischen das Gutachten durchgearbeitet. Nabu-Vorsitzender Lambert Straub nimmt nun Stellung.

Herr Straub, fühlen Sie sich in Sachen Hau und Holzwiese an die Debatte um den Hambacher Forst erinnert?

Vielleicht weniger an die Debatte, aber an die Leichtfertigkeit, wie man immer noch mit der Natur umgeht.

Sehen Sie Verbindungen zwischen der Bügerintiative von Ahldorf und den Protesten gegen die Abholzung für Braunkohle?

Beide Bürgeriniativen kämpfen mit Leidenschaft für den Erhalt eines Stücks Heimat und der Hau ist besonders für Ahldorf ein wichtiges Stück Heimat. Aber dies sollte er für alle Horber sein, denn das gleiche kann morgen in Altheim, Nordstetten, Bildechingen oder Mühlen passieren.

Oft heißt es, dass die Bürger sich in den vergangen Jahren besonders mit Bürgerinitiativen gegen alles auflehnen würden. Ist das gerechtfertigt?

Die Bürgerbeteiligung ist ein wichtiges Instrument der Demokratie und gibt Bürgern die Möglichkeit, sich gegen etwas aufzulehnen, wenn sie nicht mit der Entscheidung der Verwaltung einverstanden sind. Ich finde es gut, dass die Bürger verstärkt davon Gebrauch machen. Besonders freut mich aber, dass sich die Menschen immer mehr für die Natur einsetzen. Ich glaube, dass bedingt durch den Klimawandel und das Artensterben so langsam das Bewusstsein zurückkehrt, dass wir so nicht weitermachen können.

In wie weit hatte der Nabu Horb bisher Einblick in das Verfahren zum geplanten Gewerbegebiet bei Ahldorf?

Der Nabu Horb wurde am bisherigen Verfahren von der Stadt nicht beteiligt. Nach einer schriftlichen Anfrage am 3. Janaur diesen Jahres erhielten wir lediglich eine grobe Skizze des Plangebiets, die bereits in der Zeitung abgebildet worden war. Ansonsten bekam der Nabu von der Stadt keinerlei Informationen über den Umfang des geplanten Eingriffs. Es wurde darauf verwiesen, dass wir zu gegebener Zeit wie alle Naturschutzverbände am Verfahren beteiligt werden würden. Kenntnisse zum Plangebiet könnten wir jedoch der Stadt gerne mitteilen können. Der Nabu hat seither darauf gewartet, dass er von der Stadtverwaltung konkretere Informationen zur Planung und den laufenden Untersuchungen erhält und am Verfahren beteiligt wird.

Warum glauben Sie, wurde der Nabu nicht intensiv in das Verfahren für das geplante Gewerbegebiet miteinbezogen?

Naturschützer sind bei Stadtplanern wohl nicht gerade beliebt.

Der Große Hau bei Rexingen und Talheim 21 haben schon gezeigt, dass solche Vorhaben schnell mal durch Artenschutzbestimmungen gekippt werden können. Hat die Stadtverwaltung daraus nicht gelernt?

Anscheinend nicht.

Was halten Sie vom Vorgehen der Stadt Horb?

Für den Nabu ist völlig unverständlich, dass die Stadt in Zeiten des Artensterbens von Insekten, Vögeln und Fledermäusen die Vernichtung eines Lebensraums von mehr als 53 Brutvogelarten und möglicherweise mehr als zehn Fledermausarten und einer unzähligen Anzahl von Insekten als "keinen besonders zu beachtenden umweltfachlichen Aspekt" sieht, wie sie bereits auf eine Frage der Offenen Grünen Liste geantwortet hatte.

Der Waldanteil in Horb liegt bereits unter dem baden-württembergischen Landesdurchschnitt – wie steht es um Horbs Klimaziele?

Mit nur 31 Prozent Waldanteil hat Horb bereits jetzt sieben Prozent weniger Waldanteil als der baden-würtembergische Landesdurchschnitt. Gerade im Hinblick auf unsere Klimaziele dürfen wir in Horb die Wälder nicht abholzen, sondern müssen diese biologisch vielfältigen Lebensräume mit ihrer Funktion als Klimaschützer, Klimaregulierer, Luftreiniger, Wasserspeicher und wertvolle Habitate für viele Tiere und Pflanzen erhalten. Wald schützt also unsere Umwelt und schafft rundherum ein gutes Klima.

Was hätte die Abholzung des Ahldorfer Waldes für eine Auswirkung auf Horbs Umwelt?

Zunächst möchte ich darlegen, was Horb verlieren würde: einen wunderbaren Wald mit einem herrlichen mehr als 150 Jahre alten circa 500 Meter langen Eichensaum, der alle Eigenschaften eines Natur und Kulturdenkmals hat. Darüber hinaus viele ökologische Nischen für die Tierwelt, Brutreviere für viele Vögel und mit den alten Eichen viele potentielle Habitatbäume für ein weites Artenspektrum wie seltene Fledermäuse und allerlei Käferarten und nicht zu vergessen ein wichtiges Naherholungsgebiet. Der Verlust dieses über Jahrhunderte gewachsenen Habitats ist nicht durch Neupflanzungen an anderer Stelle ersetzbar oder ausgleichbar, da gerade ältere Eichen für seltene Arten besonders wertvoll sind.

Was könnten die Folgen sein?

Eine Prognose für die genaue Auswirkung auf Horbs Umwelt möchte ich nicht abgeben, das wäre sehr vermessen, aber ich möchte auf die wichtigen Funktionen eines Waldes hinweisen, die dann verloren gingen und die vom Forst Baden-Württemberg wie folgt beschrieben werden: Die Blätter der Bäume wirken wie ein großes Reinigungssystem, das Schadstoffe und Staub aus der Luft filtert. Die sprichwörtlich gute Waldluft ist also keine verklärte Erfindung, sondern beruht genau auf eben diesem Effekt. Der Waldboden mit Unmengen von Wurzeln, feiner Gänge, Hohlräume und Poren hat gleich drei Schutzfunktionen: Er mildert Witterungsextreme, indem er große Niederschlagsmengen speichert und bei Trockenheit eingelagertes Wasser nur langsam abgibt. Er filtert versickerndes Oberflächenwasser; Schadstoffe und Verunreinigungen werden dem Wasser entzogen. Er schützt wirksam vor Erosion. Besonders wichtig ist dieser Schutz für die Hanglagen unserer Hügel- und Gebirgslandschaften. Nicht zu vergessen ist die Fähigkeit der Bäume, innerhalb der Photosynthese aus Sonnenenergie und CO2 Biomasse und Sauerstoff zu erzeugen. Das klimarelevante Gas CO2 wird im Holz eingelagert und dort bis zur Zersetzung des Holzes gespeichert.

Hat es seitens des Nabu bereits Begehungen in dem Gebiet um Ahldorf gegeben?

Wir haben den Wald schon mehrfach besichtigt und auch bei der Ortschaftratsitzung im Januar in Ahldorf betont, dass es ökologisch nicht vertretbar ist, einen intakten und wertvollen Wald für ein Industriegebiet zu opfern.

Auf die Frage der Offenen Grünen Liste, wie die Stadt die ökolgische Wertigkeit des Waldes bei Ahldorf beurteilt, hieß es damals, dass es keine besonders zu beachtende umweltfachliche Aspekte gibt. Stimmt das?

Der Nabu Horb kann der Interpretation der Stadt in keiner Weise folgen. Es ist auch nicht korrekt, dass es in dem Plangebiet keine kartierten Biotope gibt. Die Dolinen in dem Wald sind alle als besonders geschützte Waldbiotope kartiert. Das schöne, fast unangetastete Dolinen-Vorkommen sucht im weiten Umkreis seinesgleichen. Der Muschelkalk- und Keuper-Untergrund sowie die Hohlräume bergen wertvolle Biotope für die Tier- und Pflanzenwelt. Unter anderem können Hohlräume von Dolinen auch als Winterquartiere für Fledermäuse dienen. Der Verlust dieser Dolinen könnte weder ersetzt noch ausgeglichen werden.

Gibt in diesem Gebiet besonders schützenswerte Tierarten?

Ja, in dem artenschutzrechtliche Fachbeitrag vom Büro Gfrörer wird auf viele Arten hingewiesen, und deshalb wundert es mich sehr, wie die Verwaltung auf die Schlussfolgerung kommt: "In der Standortanalyse gab es keine Hinweise auf besonders zu beachtende umweltfachliche Aspekte." Obwohl bisher nur sehr oberflächlich geprüft wurde – es fanden nur drei kurze Begehungen von insgesamt nicht mal fünf Stunden statt, eine im März, zwei im Juli, wurden bei diesen kurzen Begehungen im Plangebiet bereits 53 Brutvogelarten festgestellt, die alle geschützt sind. Betont werden muss hierbei, dass die Begehungen weitgehend außerhalb der Brutzeit von relevanten Brutvögeln wie zum Beispiel Feldlerche, Neuntöter, Schwarzspecht, Grünspecht, Mittelspecht, Rotmilan, Baumfalke, Sperber, Habicht, Waldohreule, Waldkauz und Wespenbussard stattfanden. Bei einer ausführlichen, dem Standard entsprechenden Untersuchung sind noch erheblich mehr Brutvogelarten zu erwarten.

Wie sieht es mit Fledermäusen aus?

Hier kann es erhebliche Konfliktpotentiale geben. Nach den in dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag dargestellten Daten der LUBW von jüngeren und älteren Nachweisen könnten im Untersuchungsgebiet potenziell zehn bis 15 streng geschützte Fledermausarten vorkommen beziehungsweise das Gebiet als Jagdhabitat nutzen. Darunter auch besonders seltene Arten wie Großes Mausohr, Breitflügel- und Bechsteinfledermaus. Wie jüngst das Urteil vom Hambacher Forst zeigt, können sich daraus erhebliche artenschutzrechtliche Konfliktpotentiale ergeben.

Was haben die geologischen Voruntersuchungen ergeben?

Aus den geologischen Voruntersuchungen geht hervor, dass circa 25 bis 30 Prozent der bisherigen Planungsfläche geologisch für eine Bebauung ungeeignet sind. Ein weiterer Teil ist nur mit hohem Aufwand bebaubar. Zitat aus geologische Voruntersuchung: "Im Westen ist zudem die höchste Verkarstungsintensität und Dolinendichte vorhanden, weshalb im Westen von einer Gewerbe- und Industriebebauung abgesehen werden sollte." Da frage ich mich, ob es bei einem solchen Ergebnis überhaupt Sinn macht, in diesem Gebiet ein Gewerbegebiet zu planen.

Wird das geplante Gewerbegebiet kommen? Wie sieht Ihre Prognose aus?

Auch hier möchte ich keine Prognose abgeben, sondern nach den jetzt vorliegenden Voruntersuchungen an das Verantwortungsgefühl aller Entscheider appelieren, dem ökologisch nicht zu verantwortenden Vorhaben ein Ende zu setzen. Wir brauchen wieder mehr Respekt vor der Natur, denn dieser Wald ist ein nicht zu ersetzendes Stück Natur, ein wertvolles Stück Heimat, das es für uns alle zu schützen gilt.